Einblicke in über 60 Jahre Bühnenleben
Ein halbes Jahrhundert lang hat der Regisseur und Intendant Peter Zadek die deutsche Theaterlandschaft geprägt. Sein Nachlass ist nun in der Akademie der Künste zu sehen, darunter Probenprotokolle, Bühnenbildskizzen und Aufführungsfotos. Ein Schatz für Historiker und Theaterenthusiasten.
Es ist das Allerheiligste der Akademie der Künste: das Archiv. Hinter dicken Mauern verschlossen liegt dort jetzt auch, gelagert bei konstanten 18 Grad Raumtemperatur und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit in kompakten Rollregalanlagen, in säurefreien lichtdichten Kästen, in säurefreien Mappen: der Nachlass von Peter Zadek, 35 Regalmeter. Stephan Dörschel ist der Theaterarchivar der Akademie der Künste, ein Enthusiast des Theaters und des Archivierens.
"Der Geizige... Programmheft... Regiebuch... da ist dann die Besetzung notiert... wird hier überklebt und... man sieht halt, es ist Arbeit, die darin steckt... Texte werden überklebt, es wird gestrichen... hier sind so kleine Skizzen, wer wann auftritt, woher, wohin er geht, Blackout – und da sehen Sie schon: Tesa-Film ist ganz schlecht im Archiv. Weil das nicht säurefrei ist, es löst das Papier auf, es fällt ab – ja, das ist also ein klassisches Regiebuch."
Ein über 60 Jahre währendes Bühnenleben kann im Lesesaal des Archivs von jedermann - nach Anmeldung - angesehen werden. Konzeptionspapiere, Szenarien, Rollenbeschreibungen, Probenprotokolle Bühnenbildskizzen, Comics, Werbeanzeigen, Fotografien, Filme, die er während der Proben seinen Schauspielern zeigte, um sie zu inspirieren. Proben- und Aufführungsfotos, Kritiken – über Zadek wurde sehr viel geschrieben und Zadek las alles und sammelte es. Briefe, Steuererklärungen, Privates. Fotos vom jungen Geiger Peter Zadek, vom Oxford-Studenten.
"Das sind die Eltern von Zadek, die sind '33 schon aus Deutschland raus. Seine Mutter wollte überhaupt nicht. Und der Vater, der gute Geschäftsbeziehungen zu England hatte, hat dann gesagt: Na gut, dann machen wir halt Urlaub in England. Und während sie Urlaub in England machten, ließ er die Wohnung auflösen."
Erst 1958 kam Peter Zadek zurück nach Deutschland, 32 Jahre alt, und er machte sich schnell einen Namen als Regisseur, inszenierte die Stücke seiner Theatergötter Shakespeare, Ibsen und Tschechov, entdeckte für die deutschen Bühnen Autoren wie Brendan Behan, Christopher Marlowe, John Webster. Heute wird oft übersehen, dass Zadeks Karriere nicht in Deutschland begann. Über 50 Inszenierungen hatte er schon in England gemacht.
Stephan Dörschel freut sich, eine früher weit verbreitete Legende bestätigen zu können.
"Belegt ist auch die ganze frühe Zeit in England, wo er Theater gelernt hat: es hat mich schon als Student fasziniert die Legende, Zadek hätte in England jede Woche ein Stück inszeniert. Das heißt, die hatten am Montag den Text bekommen, am Freitag war Premiere. Das kann ich belegen! Wir haben in dem Buch auch ein Werkverzeichnis, so vollständig, wie es halt geht und tatsächlich: jede Woche eine Inszenierung! Das hat er zwei Spielzeiten lang durchgehalten, danach hatte er einen Nervenzusammenbruch."
Der Regisseur und Intendant Peter Zadek war auch ein Sammler. Als Stephan Dörschel nach Zadeks Tod in sein Haus im italienischen Vecoli kam, fand er dort fast schon so etwas wie ein Archiv vor.
"Ich fand das ganz faszinierend, dass Zadek sein Archiv sehr pragmatisch untergebracht hat in seinem Haus in Vecoli, die Regiebücher zum Beispiel, das war abgearbeitet, das war also unter dem Dach in einem Wandschrank, da waren auch die Fotos, was er im Wohnraum hatte, was er also brauchte, womit er arbeitete, das war das Shakespeare-Zimmer, das war ein Zimmer mit Comics, mit Literatur über Ibsen, über Tschechow, wo er dann die Bearbeitungen mit Frau Plessen auch machte, waren natürlich die Programmhefte und die Videos."
Solcher Ordnungssinn ist durchaus ungewöhnlich.
"Wolfgang Langhoff, der große Intendant des Deutschen Theaters, hat nicht viel aufbewahrt. Angesichts dessen, was er geleistet hat und was für ein Leben er geführt hat, ist wenig da. Bernhard Minetti, der hatte so ein Zimmer, da schmiss er alles rein. Das war also wirklich... alle Archive haben irgendeine Ordnung, auch wenn es eine chaotische ist – Minetti nicht, der hatte keine Ordnung. Zadek war sehr, sehr organisiert. Ich glaube, nur so konnte er dann das Chaos auf der Bühne auch organisieren."
Ein "Bewusstsein für die Geschichtlichkeit" habe er gehabt, sagt der Theaterarchivar Stephan Dörschel und erzählt von seinen Funden im Zadek-Archiv.
"Also ich finde das immer so anrührend, das taucht immer wieder auf, fast leitmotivisch, so: ich möchte nicht sterben. Oder: Ich werde Hamlet bis zum Ende meines Lebens proben. Und wenn wir im Irrenhaus landen, proben wir es dort weiter. Oder: Wenn ich nicht mehr gehen kann und im Bett liegen muss, dann machen wir halt Hörspiele. Das ist einmal so ein unbedingter Lebenswille, ja? Und auf der anderen Seite, denk ich mir auch, ein ganz hohes Verantwortungsgefühl, wo er dann auch schreibt: ein Regisseur ist für alles verantwortlich, für alles. Und genau so war er auch für seine Theatervergangenheit verantwortlich. Natürlich auch sehr überzeugt davon, dass er 'Zadek' ist – man kann ihm viel vorwerfen, aber nicht, dass er seine Rolle in der deutschen Theaterlandschaft verkannt hat – die wusste er sehr gut."
Für Theaterhistoriker ist das Zadek-Archiv ein Schatz, zumal in den benachbarten säurefreien lichtdichten Kästen die Nachlässe vieler Weggefährten Zadeks liegen – aus jener Generation, die das Regietheater erfand: Kurt Hübner etwa, Peter Palitzsch, Götz Friedrich. Doch auch der simple Theaterenthusiast erhält, lässt er sich Zeit, ein starkes Gefühl für die Kraft der Aufführungen des Peter Zadek, der für sein Theater das ganze Leben neu erfand.
"Ich bin zum Beispiel selber ein Mensch, der im Leben gar nicht besonders ausgefallene Dinge tut. Ich reise nicht besonders weit, gehe nicht andauernd zu Festen und Partys, ich nehme keine Drogen – ich mache gar nicht besonders viel im Leben, weil ich das alles auf der Bühne mache. Ich kann alles auf der Bühne machen. Ich kann die Welt bereisen, ich kann mich in 18 schöne Frauen zugleich verlieben und mit allen verheiratet sein und von allen 20 braune, grüne und gelbe Kinder haben, also meine Phantasie ist da absolut frei, ich kann all diese Spiele spielen und die haben für mich fast dieselbe Realität wie die Realität."
"Der Geizige... Programmheft... Regiebuch... da ist dann die Besetzung notiert... wird hier überklebt und... man sieht halt, es ist Arbeit, die darin steckt... Texte werden überklebt, es wird gestrichen... hier sind so kleine Skizzen, wer wann auftritt, woher, wohin er geht, Blackout – und da sehen Sie schon: Tesa-Film ist ganz schlecht im Archiv. Weil das nicht säurefrei ist, es löst das Papier auf, es fällt ab – ja, das ist also ein klassisches Regiebuch."
Ein über 60 Jahre währendes Bühnenleben kann im Lesesaal des Archivs von jedermann - nach Anmeldung - angesehen werden. Konzeptionspapiere, Szenarien, Rollenbeschreibungen, Probenprotokolle Bühnenbildskizzen, Comics, Werbeanzeigen, Fotografien, Filme, die er während der Proben seinen Schauspielern zeigte, um sie zu inspirieren. Proben- und Aufführungsfotos, Kritiken – über Zadek wurde sehr viel geschrieben und Zadek las alles und sammelte es. Briefe, Steuererklärungen, Privates. Fotos vom jungen Geiger Peter Zadek, vom Oxford-Studenten.
"Das sind die Eltern von Zadek, die sind '33 schon aus Deutschland raus. Seine Mutter wollte überhaupt nicht. Und der Vater, der gute Geschäftsbeziehungen zu England hatte, hat dann gesagt: Na gut, dann machen wir halt Urlaub in England. Und während sie Urlaub in England machten, ließ er die Wohnung auflösen."
Erst 1958 kam Peter Zadek zurück nach Deutschland, 32 Jahre alt, und er machte sich schnell einen Namen als Regisseur, inszenierte die Stücke seiner Theatergötter Shakespeare, Ibsen und Tschechov, entdeckte für die deutschen Bühnen Autoren wie Brendan Behan, Christopher Marlowe, John Webster. Heute wird oft übersehen, dass Zadeks Karriere nicht in Deutschland begann. Über 50 Inszenierungen hatte er schon in England gemacht.
Stephan Dörschel freut sich, eine früher weit verbreitete Legende bestätigen zu können.
"Belegt ist auch die ganze frühe Zeit in England, wo er Theater gelernt hat: es hat mich schon als Student fasziniert die Legende, Zadek hätte in England jede Woche ein Stück inszeniert. Das heißt, die hatten am Montag den Text bekommen, am Freitag war Premiere. Das kann ich belegen! Wir haben in dem Buch auch ein Werkverzeichnis, so vollständig, wie es halt geht und tatsächlich: jede Woche eine Inszenierung! Das hat er zwei Spielzeiten lang durchgehalten, danach hatte er einen Nervenzusammenbruch."
Der Regisseur und Intendant Peter Zadek war auch ein Sammler. Als Stephan Dörschel nach Zadeks Tod in sein Haus im italienischen Vecoli kam, fand er dort fast schon so etwas wie ein Archiv vor.
"Ich fand das ganz faszinierend, dass Zadek sein Archiv sehr pragmatisch untergebracht hat in seinem Haus in Vecoli, die Regiebücher zum Beispiel, das war abgearbeitet, das war also unter dem Dach in einem Wandschrank, da waren auch die Fotos, was er im Wohnraum hatte, was er also brauchte, womit er arbeitete, das war das Shakespeare-Zimmer, das war ein Zimmer mit Comics, mit Literatur über Ibsen, über Tschechow, wo er dann die Bearbeitungen mit Frau Plessen auch machte, waren natürlich die Programmhefte und die Videos."
Solcher Ordnungssinn ist durchaus ungewöhnlich.
"Wolfgang Langhoff, der große Intendant des Deutschen Theaters, hat nicht viel aufbewahrt. Angesichts dessen, was er geleistet hat und was für ein Leben er geführt hat, ist wenig da. Bernhard Minetti, der hatte so ein Zimmer, da schmiss er alles rein. Das war also wirklich... alle Archive haben irgendeine Ordnung, auch wenn es eine chaotische ist – Minetti nicht, der hatte keine Ordnung. Zadek war sehr, sehr organisiert. Ich glaube, nur so konnte er dann das Chaos auf der Bühne auch organisieren."
Ein "Bewusstsein für die Geschichtlichkeit" habe er gehabt, sagt der Theaterarchivar Stephan Dörschel und erzählt von seinen Funden im Zadek-Archiv.
"Also ich finde das immer so anrührend, das taucht immer wieder auf, fast leitmotivisch, so: ich möchte nicht sterben. Oder: Ich werde Hamlet bis zum Ende meines Lebens proben. Und wenn wir im Irrenhaus landen, proben wir es dort weiter. Oder: Wenn ich nicht mehr gehen kann und im Bett liegen muss, dann machen wir halt Hörspiele. Das ist einmal so ein unbedingter Lebenswille, ja? Und auf der anderen Seite, denk ich mir auch, ein ganz hohes Verantwortungsgefühl, wo er dann auch schreibt: ein Regisseur ist für alles verantwortlich, für alles. Und genau so war er auch für seine Theatervergangenheit verantwortlich. Natürlich auch sehr überzeugt davon, dass er 'Zadek' ist – man kann ihm viel vorwerfen, aber nicht, dass er seine Rolle in der deutschen Theaterlandschaft verkannt hat – die wusste er sehr gut."
Für Theaterhistoriker ist das Zadek-Archiv ein Schatz, zumal in den benachbarten säurefreien lichtdichten Kästen die Nachlässe vieler Weggefährten Zadeks liegen – aus jener Generation, die das Regietheater erfand: Kurt Hübner etwa, Peter Palitzsch, Götz Friedrich. Doch auch der simple Theaterenthusiast erhält, lässt er sich Zeit, ein starkes Gefühl für die Kraft der Aufführungen des Peter Zadek, der für sein Theater das ganze Leben neu erfand.
"Ich bin zum Beispiel selber ein Mensch, der im Leben gar nicht besonders ausgefallene Dinge tut. Ich reise nicht besonders weit, gehe nicht andauernd zu Festen und Partys, ich nehme keine Drogen – ich mache gar nicht besonders viel im Leben, weil ich das alles auf der Bühne mache. Ich kann alles auf der Bühne machen. Ich kann die Welt bereisen, ich kann mich in 18 schöne Frauen zugleich verlieben und mit allen verheiratet sein und von allen 20 braune, grüne und gelbe Kinder haben, also meine Phantasie ist da absolut frei, ich kann all diese Spiele spielen und die haben für mich fast dieselbe Realität wie die Realität."