Der größte Juwelenraub der letzten hundert Jahre
11:58 Minuten
Beim Kunstraub im Grünen Gewölbe wurden mehrere Garnituren mit antikem Schmuck gestohlen. Schwerer als der materielle Wert der Diamanten wiege der unermessliche kulturelle Verlust, sagt Dirk Syndram, der Direktor des Museums.
Am Montag wurden aus der bedeutenden Kunstsammlung in Dresdens Grünem Gewölbe mehrere Schmuckgarnituren erbeutet – darunter diamant- und brillantbesetzte Knöpfe, Schnallen und Orden. Bisher wird vermutet, dass ein Brand an einem nahen Stromkasten Ursache dafür sein könne, dass der Strom rund um das Museum und damit auch für die Alarmsicherung des Grünen Gewölbes ausfiel und die Täter unbemerkt eindringen konnten.
Dass dieser Kunstraub überhaupt möglich war, habe er zunächst nicht glauben können, sagt Dirk Syndram im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Syndram ist seit 1993 Direktor des Grünen Gewölbes der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Das Sicherheitskonzept habe von Kollegen und anderen Sicherheitsexperten immer gute Noten bekommen.
Unbezahlbare Kunstschätze
Umso überraschender sei es für ihn gewesen, dass es überhaupt eine Schwachstelle gegeben habe: "Das Ganze muss sich in wenigen Minuten abgespielt haben. Es ist wahrscheinlich einer der größten Juwelenraube, die es in den letzten hundert Jahren gegeben hat. Und es sind unbezahlbare Kulturschätze abhanden gekommen."
Die Diebe hätten zunächst die äußeren eisernen Gitter vor den Fenstern überwunden, dann eine hochsichere Verglasung durchbrochen und seien schließlich ins Grüne Gewölbe eingestiegen. Dort hätten die Einbrecher dann offensichtlich auch das Panzerglas der Vitrinen öffnen können. "Wir haben alles gemacht, was wir konnten, damit es sicher ist. Wir werden unsere Schlussfolgerungen ziehen und es noch sicherer machen als es vorher gewesen ist."
Weil das Juwelenzimmer bisher als Tatort abgesperrt war, könne er auch noch nicht mit Gewissheit sagen, welche Schätze entwendet wurden, so Syndram. Erst morgen dürfe das Schmuckzimmer betreten werden.
Angriff auf die Identität der Bürger
Die Identität der Dresdner sei mit diesem Raub getroffen worden, sagt Peter Theiler. Er ist Intendant der schräg gegenüber der Schmucksammlung liegenden Semperoper in Dresdens weltbekannter Altstadt. Er ist erschüttert über diesen Raub und verweist im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur auf die Bedeutung dieses Staatsschatzes, der maßgeblich von August dem Starken im 18. Jahrhundert angelegt wurde und Kunstwerke enthalte, die zeitlich bis in die Renaissance reichten:
"Das ist etwas, was Dresden wirklich ausmacht. Man identifiziert sich sehr mit diesen Exponaten und Kunstobjekten."
Der Freistaat Sachsen habe besonders in die Präsentation dieser Schlossräume enorm viel investiert. Er selbst sei häufig in dem Museum, sagt Theiler: "Das ist einzigartig, und ich sehe diese Ringe und Orden genau vor mir, die jetzt dort als gesamter Satz entwendet wurden. Das ist unglaublich."
Die Fürsten der Stadt hätten militärisch wenig Erfolg gehabt: "Es war Fantasie gefragt, um die Residenzstadt zum Blühen zu bringen. Also waren die Kurfürsten kunstsinnig und sie waren wirtschaftlich stark aufgestellt. Im 19. Jahrhundert – in der industriellen Revolution – war Sachsen auch ein Vorreiter, und das hat die Stadt auch reich gemacht."
Die geraubten Kunstschätze seien wichtige Dokumente von August dem Starken, der die Stadt geprägt habe wie kein anderer.
"Attacke auf die Kunst"
Die Kunstsinnigkeit von August dem Starken und seiner Nachfolger sei auch der Mythos, der zur Bedeutung der Stadt gehöre und auch in seiner täglichen Arbeit als Kunstschaffender bedient werden müsse. "Das ist nicht nur eine Vergötterung. Man muss das auch im Spiegel der Zeit sehen, auch in den Entwicklungen." Man müsse sich auch fragen, ob dieser Mythos nicht den Konservativismus der Stadt genährt habe:
"Es manifestiert sich auch Entwicklung in solchen Objekten und Reichtümern. Das sind nicht nur Diamanten von großem Wert, sondern das ist ja Kunsthandwerk. Es sind Kunstschätze letzten Endes. Das ist eine Attacke auf Kunst. Damit so barbarisch umzugehen, ist auch moralisch kaum nachvollziehbar."
(mle)