Eine Abschussrampe für Sternschnuppen

Von Alexandra Mangel |
Auch Hannover spielt in diesem Sommer mit beim großen Reigen der spektakulären Ausstellungsereignisse. Die drei großen Kunsthäuser der niedersächischen Hauptstadt - das Sprengel Museum, die Kestner Gesellschaft und der Kunstverein - haben sich zusammengetan und die Ausstellung "Made in Germany" auf die Beine gestellt. Darunter sind auch Arbeiten des jungen Bildhauers Michael Sailstorfer zu sehen.
Michael Sailstorfer: "Sternschnuppe ist ein Katapult auf dem Dach von meinem damaligen Auto. Ein gelber Mercedes. Und mit dem Katapult kann man Straßenlaternen abschießen."

"... die dann einige Meter weit in den Himmel fliegen. Und irgendwann eine Bruchlandung machen – und dann kaputt gehn!"

"Die Arbeit ist für eine Ausstellung entstanden in Italien in Rimini von der Kunstakademie in München. Wir war’n einfach da und haben den Ort besichtigt - das war der Stadtpark in Rimini - und irgendwie kam dann die Idee, dass es wohl ganz lustig wär´, diese Straßenlaternen abzuschießen!"

Michael Sailstorfer hat angefangen zu bauen. Einen Probeschuss gemacht. Und den Mercedes samt Katapult auf dem Dach im Stadtpark von Rimini abgestellt. Dort erzählte seine Skulptur die Geschichte von dem, der auszog, einen hellen Stern in den Himmel zu schießen - und dafür eine Sternschnuppenabschussrampe baute.

Michael Sailstorfer: "Ich find vor allem Widersprüche gut. Und so Deplatzierungen. Ich fand das ganz gut, einfach so ein supertechnisches Gerät zu bauen - dass dann aber durch den Titel in so eine ganz gegenläufige Richtung aufgeladen wird!"

Auf der Parkbank am Berliner Weißensee. Ganz in der Nähe der Atelierräume von Michael Sailstorfer. Vor uns der See. Über uns Flugzeuge.

Michael Sailstorfer – leiser – im Hintergrund, er schaut grad zum Himmel, ist weiter weg vom Mikrofon:

"Ich glaub des is Tegel – ich glaub, die machen hier die Wendeschleife nach Tegel..."

In seinen Arbeiten spielen Flugobjekte, überhaupt technische Fortbewegungsmittel, eine große Rolle: Ihre Materialien. Ihr Geruch. Ihr Lärm. In der Kestner Gesellschaft in Hannover kann man das grad hören.

Flugzeuglärm wird langsam vom Geräusch durchdrehender Reifen überlagert, Musik ganz raus, nur noch das monotone Geräusch der Reifen.

Michael Sailstorfer: "Das ist ein Autoreifen, der gegen die Wand gedrückt wird und von einem Elektromotor angetrieben wird. Und der Reifen reibt sich nach und nach ab - und der Boden füllt sich mit dem Gummistaub des Reifens. Der ganze Raum wird eigentlich von dem Geruch in Beschlag genommen – und auch das Geräusch, das damit verbunden ist, find ich total schön - es unterlegt das Vergehen von Zeit!"

"Zeit ist keine Autobahn". "Heimatlied". "Wohnen mit Verkehrsanbindung" - lauten Titel von Michael Sailstorfer. Die Apparate, Häuser und Fahrzeuge, die sie bezeichnen, sehen aus, als hätten fremde Wesen mit ganz eigenen Vorstellungen von Wohnen und Reisen einfach mal mit dem, was sie vorgefunden haben, losgebastelt - und wären dann weiter gezogen. Zurückgeblieben sind zusammengeschweißte Objekte aus Küchen und Betten, Motorrädern und Sportflugzeugen, Wohnmobilen und Bushaltestellenwartehäuschen.

Michael Sailstorfer: "Ich komm halt einfach aus ´ner Handwerkerfamilie – aus ´nem Steinmetzbetrieb – und hab mich viel in der Werkstatt rumgetrieben. Und bin irgendwie auch mit dem Material und dem Kontakt zum Material aufgewachsen und ich finds immer noch ganz wichtig, Dinge einfach zu bauen und mit Material – egal ob das Holz ist, ob das Metall ist – einfach umzugehn."

Er wirkt bodenständig. Kräftig. Gut gelaunt. Unkompliziert. Sehr freundliche braune Augen verraten den Ironiker nicht zu früh. Er trägt T-Shirt, Sneakers, Shorts. Bis eben hat er Bauschutt geschleppt. Mit zwei befreundeten Künstlern ist er vor vier Monaten in die neuen Räume gezogen – jetzt bauen sie eine Werkstatt. Viele seiner Arbeiten baut Michael Sailstorfer aber nicht selbst.

Michael Sailstorfer: "Metallverarbeitung und Schweißen und diese ganzen technischen Komponenten – die kann ich eigentlich nicht wirklich – vor allem die technisch aufwendigeren Arbeiten mit Motoren und Steuerungen und solchen Geschichten – da hab ich ´nen Assistenten, der das ganz gut macht!"

Er ist noch keine 30. Kommt aus Velden. Einem kleinen Ort, eine Stunde von München entfernt. Mit 20 hat er sein Studium an der Münchner Akademie der Künste begonnen. Bei Olaf Metzel - einem der bedeutendsten deutschen Bildhauer. Obwohl er aus einer Steinmetzfamilie kommt, ist er mit Hochkunst aufgewachsen. Schon sein Vater hat in den 70ern an der Akademie studiert.

Michael Sailstorfer: "Der hat aber eben aus Sicherheitsgründen die Kunst nicht weiter verfolgt - sondern ist eben in den Handwerksbetrieb seiner Eltern eingestiegen. Und hat aber nach wie vor sein Interesse an moderner Kunst beibehalten und so kam’s halt, dass ich so mit sieben, acht Jahren auf der documenta war, auf den Skulpturenprojekten – die Kunst war einfach immer da – so’n Beuys oder so’n Richard Serra."

Den aktuellen Hype auf dem Kunstmarkt begrüßt er – beste Startbedingungen für junge Kunst. Er ist gut im Geschäft. Wird von der Galerie Johann König vertreten. Hat in diesem Jahr eine Einzelausstellung im PS1, dem Zentrum für zeitgenössische Kunst des Museum of Modern Art in New York. Und dann wären da noch die Unterwasserskulpturen.

Michael Sailstorfer: "Das sind Skulpturen, die aus Styropor geschnitzt sind – und mit Fiberglas, so in Bootsbautechnik überzogen sind. Die haben dann so eine ganz harte Außenhaut und werden an ein Betongewicht gekettet und in verschiedenen Meeren versenkt."

"Die ersten Skulpturen wurden in der Karibik versenkt. Ich hab welche in der Ostsee versenkt, vor Warnemünde. Und einige in der Nähe von La Spezia, in Italien."

"Ich miet dann halt ein Boot, fahr raus aufs Wasser, werf die über Bord, und hab dann einen Taucher mit, der die Skulpturen unter Wasser dokumentiert, mit ner Unterwasserkamera. Und das Foto zeigt einfach die Skulptur in ihrem Umfeld am Meeresgrund. Zwischen Algen und Muscheln."

"Ich fand das auch immer ganz gut – so Skulpturen für Fische zu machen!"