Gut aussehen mit Fahrradhelm - geht das?
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Nur 18 Prozent der Radfahrer in Deutschland tragen einen Helm. Vermutlich, weil Fahrradhelme immer noch furchtbar hässlich sind. Aber müssen sie so sein? Marietta Schwarz hat sich auf die Suche nach dem ästhetisch ansprechenden Fahrradhelm gemacht.
1968 beginnt die Geschichte der Fahrradhelme in Deutschland. Und zwar mit Wilfried Trott in Radevormwalde.
Wilfried Trott ist heute 71. Damals, in den 1960ern, war er junger Amateur-Radrennfahrer. Keiner trug einen Helm, allenfalls Sturzriemen aus Leder. Trotts Vater aber, ein Polizeibeamter, hatte Angst, dass seinen Söhnen auf dem Rad etwas zustößt und entwickelte einen Helm. Den sogenannten "Trott-Helm".
"Anfang der 60er-Jahre, da wurde er erstmals ausprobiert durch meinen Bruder, und 1968 hab ich den dann immer bei den Rennen getragen", erinnert sich Trott.
Das Prinzip: Baustellenhelm. Eine Schale aus Kunststoff, innen eine spinnenartige Konstruktion, die sich mit etwas Abstand zur Helmschale um den Kopf legt.
"Und da sind wir den gefahren als Pioniere. Anfangs wurden wir belächelt, aber ich hab dann viele Radrennen gewonnen und dann wurden die Stimmen leiser. Also, wenn ich damit zum Sieg gefahren bin, fand ich den auch gut!"
Der Trott-Helm wurde im heimischen Keller produziert
Der Helm war cremeweiß mit einem gelb-roten Rennstreifen in der Mitte. Produziert wurde er bei den Trotts im Keller, und er erlangte sogar Serienreife. Die Hartschale kam vom örtlichen Spielwarenhersteller. Wer wollte, bohrte sich noch Luftlöcher rein. Es war der Beginn der Fahrradhelmgeschichte. Doch dann verstarb der Vater frühzeitig und der Name Trott verschwand bald.
"Ich bin noch sehr lange Rennen gefahren und hätte wahrscheinlich besser mich um den Helm gekümmert und den weiterentwickelt", sagt Trott.
Hätte er mal. Dann würden die Helme heute vielleicht anders aussehen!
Denn durchgesetzt hat sich nicht die geschlossene Form des Trott-Helms, sondern sogenannte "In-Mold"-Helme aus Hartschaum, die sich wie ein Geschwulst-Netz um den Kopf legen. Wir kennen sie alle: Sie sind leicht und luftig, man spürt sie kaum. Aber man verwandelt sich unter ihnen eben auch für ein paar Zentimeter in ein außerirdisches Wesen, wofür ich mich als Helmträgerin immer ein bisschen schäme.
Wie ein gigantischer Pilz...
"Letztendlich ist es ein Gerät, das nur aus Lüftungen besteht. Und die möglichst schnittig angeordnet", analysiert Jürgen Frisch, leidenschaftlicher Radfahrer, sturzversehrt und Professor für Modedesign:
"Dass eben noch ein Vorne und Hinten zu erkennen ist und eine dynamische Seitenlinie und am besten noch so ein Bürzel hinten. Wie bei so einem Kaninchenhintern."
Generell gebe es zwei Helmtypen: Die, die schnell aussehen und solche, die gut aussehen wollten. Und "gut" heißt geschlossen: Wie der Stahlhelm im Krieg, von dem der Skaterhelm abgeleitet ist, oder eben der Trott-Helm. Nur: Darunter schwitzt man schnell. Und es ist eben auch ein Irrtum, dass man damit auf jeden Fall besser aussieht.
"Die Kunst ist es, einen Helm zu machen, der nicht auf dem Kopf aufliegt wie ein Pilz. Der Helm muss den Kopf umschmiegen, als ob er dazugehört. Da gibt’s ja auch Lösungen, die Kappen vorsehen, die über den Innenhelm rübergezogen werden, die aussehen wie so ein Fischerhut, die aber trotzdem beknackt aussehen, weil es riesendick und sonst was ist. Pilz! – Riesenpilz! – ein gigantischer Riesenpilz!"
...oder eine Suppenschüssel...
18 Prozent der Radfahrer tragen inzwischen Helm, Tendenz steigend. Noch immer überwiegen Riesenpilze und wilde futuristische Linien auf den Häuptern. Aber es tut sich was in der Branche. Es wird ruhiger auf dem Kopf, zumindest in der Stadt.
"Mittlerweile geht’s so in den 'urban', eher so in den runden Helmbereich rein", sagt Maik Hintze. Er arbeitet bei Little John Bikes, einem Fahrradgeschäft mit vielen Filialen in Deutschland. Wir stehen vor dem Helmregal. Und er sagt, es wäre gut, wenn ich mir einen neuen Helm kaufe, da meiner schon sieben Jahre alt sei.
Der erste Helm, den ich probiere, ist - schlimm!! "Lady-Helme gibt’s auch, die sind runder geschnitten", sagt Maik.
Eben kam hier ein Schnellkäufer rein, griff zielsicher zu und verließ den Laden nach zwei Minuten mit neuem Helm. Wahrscheinlich gerade Nahtoderfahrung gehabt, glaubt Maik. Sturz oder so. Ich greife nach einem geschlossenen Modell.
Der ist eher wie so ne Suppenschüssel, die man aufhat. Auch nicht besser! Schlimmer sogar!
... oder eine gewaltige Barockperücke
Geduld braucht, wer den richtigen Helm finden will, hatte Jürgen Frisch gesagt. Oder, und jetzt zeigt Maik Hintze auf Helmtyp Nummer Drei: den Airbag. Man trägt ihn als Halskrause, und im Falle des Falles bläst er sich zu einer gewaltigen Barockperücke auf. Sieht nicht schnell und nicht gut aus. Dafür was für Klassik-Liebhaber. Johann Sebastian Bach lässt grüßen. Aber nur beim Sturz!