Eine Alternative zum Festnetz

Von Philip Banse |
Wer einen schnellen Internet-Anschluss hat, kann so billig telefonieren wie nie zuvor: Voice over IP, also das Telefonieren über das Internet ist günstig, praktisch und mittlerweile auch recht einfach zu bedienen. Doch frei von gewissen Risiken und Tücken ist die Internet-Telefonie noch nicht.
Manchmal klingen Telefonate über das Internet grausam. Unterm Strich überwiegen aber die Vorteile der von Voice over IP, kurz VoIP, sagt der experimentierfreudige Technik-Journalist Wolfgang Noelke als die Verbindung wieder besser ist:

"Das erste, was mich fasziniert hat, war, dass die Telefone an zwei verschiedenen Orten klingeln. Ich habe ja zwei Wohnungen, eine in Berlin, eine Hannover und bin zwischendurch in irgendwelchen Hotels und kann auf dem PC auch dieses VoIP-Telefon einschalten. Und wenn man mich anruft, klingelt es in Hannover, in Berlin und auf dem PC und wenn ich nicht rangehe, leitet es um aufs Handy. Und das war für mich das Faszinosum, dass ich sage: Ich kann – egal wo ich bin – erreichbar sein und da wo ich zuerst rangehe, dieser Apparat hat gewonnen."
Nach Angaben des Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien, kurz BITKOM, nutzen heute elf Prozent der Deutschen Internet-Telefonie, Tendenz steigend. Grund sei die zunehmende Verbreitung von schnellen Internetanschlüssen. Außerdem müsste für ein Internet-Telefonat nicht mehr der Rechner hochgefahren werden. Heute lassen sich normale Telefone mit dem Internet verbinden: Hörer abnehmen, wählen, telefonieren.

Manfred Breul, Telekommunikations-Experte beim Branchenverband BITKOM, will jedoch von einem Durchbruch der Internettelefonie zum Massenmarkt noch nicht sprechen. Diesen Durchbruch verhindern zwei Faktoren: Die Voraussetzung ist eine schnelle Breitbandverbindung. DSL-Anschlüsse besitzen jedoch nur 35 Prozent der deutschen Haushalte, in Holland und Skandinavien hat weit über die Hälfte der Haushalte einen Breitbandanschluss. Telekommunikationsexperte Manfred Breul nennt eine weitere Bremse für die Internettelefonie.

"Und das andere ist halt wirklich das Problem der Installation, der Konfiguration so eines Gateways, was zwar vergleichsweise einfach ist. Vor dem aber eben Personen, die sich nicht ständig mit Computern und Einstellen und Konfigurieren beschäftigen, doch eher etwas zurückschrecken."

Attraktiv ist die Internet-Telefonie vor allem aufgrund der niedrigen Verbindungspreise. Ferngespräche ins deutsche Festnetz sind für einen Cent pro Minute zu haben, Anrufe zu anderen Internet-Telefonierern kosten gar nichts.

Richtig günstig wäre die Internet-Telefonie aber erst, wenn der - eigentlich überflüssige - Festanschluss abgemeldet wird. Doch dann ist meistens auch die DSL-Leitung tot. Denn schnelles Internet ohne Telefonanschluss ist heute kaum zu bekommen, beide Produkte gibt es aus Marketinggründen nur im Bündel. BITKOM-Experte Breul rechnet damit, dass im kommenden Jahr DSL-Anschlüsse auch ohne Telefonanschluss zu haben sein werden. Wer dann nur noch über seinen Internetanschluss telefoniert, kann spürbar Geld sparen. Dafür müssen Internet-Telefonierer jedoch mit einigen Problemen rechnen. So garantieren viele DSL-Anbieter nur eine Verfügbarkeit von 97 Prozent. Das klingt viel, bedeutet aber, dass der Internetanschluss – und damit auch das Internet-Telefon – 24 Stunden im Monat tot sein können, sagt Alexander Dix, der Berliner Datenschutzbeauftragte:

"Es gibt andere Probleme wie unaufgeforderte Werbung, die bisher schon nervig ist, aber sie wird massiv zunehmen, weil Voice over IP eben sehr viel kostengünstiger ist. Also der elektronische Hausfriedensbruch, den jeder unerwünschte Anruf bedeutet, der wird sich noch potenzieren in Zukunft. Es besteht die Möglichkeit, das Risiko, dass über Trojanerangriffe, Virenangriffe Endgeräte über Internet-Telefonie zu heimlichen Mikrofonen umfunktioniert werden."

Stichwort: Werbe-Anrufe. Unerwünschte Werbe-E-Mails heißen Spam. Unerwünschte Werbeanrufe übers Internet heißen SPIT, von Spam über Internet-Telefonie.

Wie lassen sich solche Anrufe verhindern? Das unabhängige Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein hat eine Software gegen SPIT entwickelt. Mitarbeiter Markus Hansen erklärt, wie sie funktioniert: Bevor das Telefon klingt, analysiert die Software eingehende Anrufe: Klingelt es mitten in der Nacht? Kommt der Anruf über einen vertrauenswürdigen Anbieter? Die Ergebnisse werden gewichtet, dann, so Markus Hansen per Internet-Telefon, entscheidet die Software, was mit dem Anruf geschieht:

"Stell ich den sofort durch? Klingelt sofort mein Telefon? Landet der auf meinem Anrufbeantworter, damit ich mir das nachher anhören kann? Bei ganz verdächtigen Fällen, bei denen ich sicher gehen will, dass wirklich ein Mensch dran ist und nicht irgendein Automat, der mir irgendwelche Gewinnbenachrichtigungen übermitteln will, den kann man auch fragen: Tippen sie ein, wie viel ist 2 plus 2. Das wird den normalen Anrufer, der ein berechtigtes Anliegen hat, nicht überfordern, aber ein Automat kann das – bis heute zumindest – noch nicht."

Damit lassen sich natürlich auch Werbeanrufe über das Festnetz unterbinden. Die Software SPITAL soll Anfang kommenden Jahres einsatzbereit sein.