"Eine andere Sensibilität"
Paris ist eine Messe wert - auch und gerade für die Photokunst in all ihren Facetten. Der Grundstein für "Paris Photo" wurde 1997 gelegt. Inzwischen hat sich das Pariser Treffen längst zur weltweit bedeutendsten Messe dieser Art gemausert. Die diesjährige zehnte Ausgabe versammelte über 40.000 Besucher, 90 der weltweit bedeutendsten Galerien aus 21 Ländern und namhafte Sammler aus 48 Ländern.
Nach der Vernissage am Mittwoch sprachen manche Besucher von einem regelrechten Überfall, dermaßen groß war der Käufer-Ansturm. Eine Begeisterung, die bis zum heutigen Ende der weltweit bedeutendsten Kunstmesse für Photographie anhielt. Die zehnte Ausgabe von "Paris Photo" war für die Messe-Direktorin Valérie Fougeirol ein großer Erfolg:
"Heute ist das die weltweit führende Photo-Messe. Das große Stelldichein der Photographie-Liebhaber, der Sammler, der Galeristen, der Museumsdirektoren. Die Leute kommen von überall her. Ein Treffen, zu dem man hin muss, hier wird der Puls des Marktes gefühlt."
Einer der großen Trends in diesem Jahr war Vintage-Fotografie der 60er und 70er Jahre. Der Übergang zur Farbfotografie – insbesondere von Vertretern der amerikanischen Schule wie Eggleston, Shore, Meyerowitz - fand reißenden Absatz. Historische Fotografie liegt nach wie vor hoch im Kurs – für einen Abzug von Edward Steichen musste man über eine Million Euro auf den Tisch legen. Die politische Aktualität spielte hingegen nur bedingt eine Rolle. Andrée Sfer-Semler, von der gleichnamigen Galerie mit Sitz in Hamburg und Beirut, stieß zwar auf großes Interesse, aber nur auf wenige Käufer für ihre Porträt-Galerie von Libanesen aus den 50er und 60er Jahren – obwohl Konzeptkünstler Akram Zaatari darin selbst homosexuelle Paare in Szene setzt:
"Ich muss dazu sagen, dass die Arbeit, die wir zeigen, nicht mit Klischees operiert. Das heißt, man sieht nicht auf Anhieb, dass es sich um den Libanon handelt. Es zeigt keine Destruktion, keine Trümmer, kein Krieg, keine verschleierten Menschen, es sind im Grunde genommen sehr normale Menschen. Erst wenn man sich der Sache annimmt, sieht man es. Und deswegen ist es vielleicht so, dass es nicht so stark bemerkt und nicht so schnell bemerkt wurde. Und auf einer Messe muss man sehr schnell die Dinge notieren, die Leute gehen sehr schnell über den Markt."
Umfang und Preis dieser libanesischen Gesellschafts-Schau à la Walker Evans - könnten allerdings auch eine Rolle bei der Zurückhaltung gespielt haben: Das 100-teilige Werk kostete 65.000 Euro. Nicht zu übersehen war, dass China weiterhin mit Riesenschritten auf dem internationalen Kunstmarkt Fortschritte macht. Der New Yorker Galerist Laurence Miller verkaufte ein Dutzend Schwarz-Weiß-Fotografien des bislang unbekannten Fan Ho: Strassen- und Markt-Szenen aus den 50er Jahren – zum Stückpreis von mehreren Tausend Dollar.
Vicky eröffnete vor vier Jahren Chinas erste Photogalerie: die "798 photo gallery" präsentierte beeindruckende zeitgenössische Aufnahmen von staubverklebten Kohle-Minen-Arbeitern, aber auch ein historisches Dokument : Mao Tse Tung 1966 auf dem Platz des Himmlischen Friedens – umringt von nach oben gereckten Armen. Die großformatige Farb-Aufnahme zeigt Chinas Kultfigur im Profil - wie Mao von der uniformen Menschenmenge im kollektiven Rausch mit Mao-Gruß akklamiert wird. Jahrzehntelang undenkbar, solche Fotos in China zu zeigen, bemerkt Vicky:
"Natürlich nicht. In dieser Zeit war es sogar sehr schwierig, überhaupt einen Farbfilm zu finden in China. Es gab damals auch kein Labor, um Farbfilme zu entwickeln. Der Künstler kaufte diesen Film außerhalb von China und entwickelte selbst den Film. Er hatte niemals zuvor die Möglichkeit, diese Aufnahme zu zeigen. Das ist das erste Mal."
Eine erfolgreiche Premiere. Sieben der insgesamt zehn Aufnahmen wurden verkauft: für jeweils 20.000 Dollar. Als regelrechter Selbstläufer entpuppten sich die Werke der so genannten "nordischen Photographen" aus Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden, die bei Paris Photo diesmal als "Ehrengastland" im Mittelpunkt standen. Constanze Korb von der finnischen TaiK-Galerie zeigte Arbeiten der 55jährigen Ulla Jokisalo, eine der Galionsfiguren der "Helsinki-Schule". Sie rückt ihren Photomontagen mit Nadel und Faden zu Leibe. Ein poetisches Wechselbad zwischen Zwei- und Drei-Dimensionalität, zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit :
"Das ist ein Einfluss von ihrer Mutter. Das ist eine sehr persönliche Arbeit. Eine autobiographische. Sie hat bei ihrer Mutter gelebt und die war Schneiderin. Dadurch war Ulla Jokisalo ihre ganze Kindheit mit Scheren, Nadeln und Stoffen usw. Dadurch hat sie den Wunsch entwickelt mit diesen Materialien zu arbeiten und verbindet das eben mit ihren photographischen Arbeiten."
Nicole Stanner von der Münchener Galerie f5,6 präsentierte "Jungen ohne Hemd", "Mädchen mit Leiter" : hyper-realistisch und gleichzeitig abstrakt wirkende Porträts der aufsteigenden jungen schwedischen Künstlerin Julia Perone. Handwerklich im Computer bearbeitete Collagen, repräsentativ für die derzeit äußerst gefragte "nordische" Sensibilität:
"Ich glaube, dass die Menschen das wieder erkennen, dass es eine andere Sensibilität hat. Das glaube ich schon. Es geht auch weg von dieser Becher-Schule, also von diesem 1:1 Abbild der Realität oder sich mit der Realität so klar und stringent auseinander zu setzen wie man das in Deutschland getan hat. Ich glaube, wir haben das in den letzten Jahren so stark gesehen, dass die Leute auch – ja wieder so ein bisschen Sehnsucht haben – nach etwas anderem. Ich glaube, in Zeiten, die nicht so einfach sind – und wir sind auch in politisch und wirtschaftlich unruhigen Zeiten momentan – diese Bilder, die so eine Sehnsucht erwecken in den Menschen, dass die eben eine ganz große Rolle spielen und dies auch wieder tun werden."
"Heute ist das die weltweit führende Photo-Messe. Das große Stelldichein der Photographie-Liebhaber, der Sammler, der Galeristen, der Museumsdirektoren. Die Leute kommen von überall her. Ein Treffen, zu dem man hin muss, hier wird der Puls des Marktes gefühlt."
Einer der großen Trends in diesem Jahr war Vintage-Fotografie der 60er und 70er Jahre. Der Übergang zur Farbfotografie – insbesondere von Vertretern der amerikanischen Schule wie Eggleston, Shore, Meyerowitz - fand reißenden Absatz. Historische Fotografie liegt nach wie vor hoch im Kurs – für einen Abzug von Edward Steichen musste man über eine Million Euro auf den Tisch legen. Die politische Aktualität spielte hingegen nur bedingt eine Rolle. Andrée Sfer-Semler, von der gleichnamigen Galerie mit Sitz in Hamburg und Beirut, stieß zwar auf großes Interesse, aber nur auf wenige Käufer für ihre Porträt-Galerie von Libanesen aus den 50er und 60er Jahren – obwohl Konzeptkünstler Akram Zaatari darin selbst homosexuelle Paare in Szene setzt:
"Ich muss dazu sagen, dass die Arbeit, die wir zeigen, nicht mit Klischees operiert. Das heißt, man sieht nicht auf Anhieb, dass es sich um den Libanon handelt. Es zeigt keine Destruktion, keine Trümmer, kein Krieg, keine verschleierten Menschen, es sind im Grunde genommen sehr normale Menschen. Erst wenn man sich der Sache annimmt, sieht man es. Und deswegen ist es vielleicht so, dass es nicht so stark bemerkt und nicht so schnell bemerkt wurde. Und auf einer Messe muss man sehr schnell die Dinge notieren, die Leute gehen sehr schnell über den Markt."
Umfang und Preis dieser libanesischen Gesellschafts-Schau à la Walker Evans - könnten allerdings auch eine Rolle bei der Zurückhaltung gespielt haben: Das 100-teilige Werk kostete 65.000 Euro. Nicht zu übersehen war, dass China weiterhin mit Riesenschritten auf dem internationalen Kunstmarkt Fortschritte macht. Der New Yorker Galerist Laurence Miller verkaufte ein Dutzend Schwarz-Weiß-Fotografien des bislang unbekannten Fan Ho: Strassen- und Markt-Szenen aus den 50er Jahren – zum Stückpreis von mehreren Tausend Dollar.
Vicky eröffnete vor vier Jahren Chinas erste Photogalerie: die "798 photo gallery" präsentierte beeindruckende zeitgenössische Aufnahmen von staubverklebten Kohle-Minen-Arbeitern, aber auch ein historisches Dokument : Mao Tse Tung 1966 auf dem Platz des Himmlischen Friedens – umringt von nach oben gereckten Armen. Die großformatige Farb-Aufnahme zeigt Chinas Kultfigur im Profil - wie Mao von der uniformen Menschenmenge im kollektiven Rausch mit Mao-Gruß akklamiert wird. Jahrzehntelang undenkbar, solche Fotos in China zu zeigen, bemerkt Vicky:
"Natürlich nicht. In dieser Zeit war es sogar sehr schwierig, überhaupt einen Farbfilm zu finden in China. Es gab damals auch kein Labor, um Farbfilme zu entwickeln. Der Künstler kaufte diesen Film außerhalb von China und entwickelte selbst den Film. Er hatte niemals zuvor die Möglichkeit, diese Aufnahme zu zeigen. Das ist das erste Mal."
Eine erfolgreiche Premiere. Sieben der insgesamt zehn Aufnahmen wurden verkauft: für jeweils 20.000 Dollar. Als regelrechter Selbstläufer entpuppten sich die Werke der so genannten "nordischen Photographen" aus Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden, die bei Paris Photo diesmal als "Ehrengastland" im Mittelpunkt standen. Constanze Korb von der finnischen TaiK-Galerie zeigte Arbeiten der 55jährigen Ulla Jokisalo, eine der Galionsfiguren der "Helsinki-Schule". Sie rückt ihren Photomontagen mit Nadel und Faden zu Leibe. Ein poetisches Wechselbad zwischen Zwei- und Drei-Dimensionalität, zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit :
"Das ist ein Einfluss von ihrer Mutter. Das ist eine sehr persönliche Arbeit. Eine autobiographische. Sie hat bei ihrer Mutter gelebt und die war Schneiderin. Dadurch war Ulla Jokisalo ihre ganze Kindheit mit Scheren, Nadeln und Stoffen usw. Dadurch hat sie den Wunsch entwickelt mit diesen Materialien zu arbeiten und verbindet das eben mit ihren photographischen Arbeiten."
Nicole Stanner von der Münchener Galerie f5,6 präsentierte "Jungen ohne Hemd", "Mädchen mit Leiter" : hyper-realistisch und gleichzeitig abstrakt wirkende Porträts der aufsteigenden jungen schwedischen Künstlerin Julia Perone. Handwerklich im Computer bearbeitete Collagen, repräsentativ für die derzeit äußerst gefragte "nordische" Sensibilität:
"Ich glaube, dass die Menschen das wieder erkennen, dass es eine andere Sensibilität hat. Das glaube ich schon. Es geht auch weg von dieser Becher-Schule, also von diesem 1:1 Abbild der Realität oder sich mit der Realität so klar und stringent auseinander zu setzen wie man das in Deutschland getan hat. Ich glaube, wir haben das in den letzten Jahren so stark gesehen, dass die Leute auch – ja wieder so ein bisschen Sehnsucht haben – nach etwas anderem. Ich glaube, in Zeiten, die nicht so einfach sind – und wir sind auch in politisch und wirtschaftlich unruhigen Zeiten momentan – diese Bilder, die so eine Sehnsucht erwecken in den Menschen, dass die eben eine ganz große Rolle spielen und dies auch wieder tun werden."