Eine Architektur wie "gefrorene Musik"
Der Publizist Gerwin Zohlen nennt die Berliner Philharmonie am Potsdamer Platz ein "architektonisches Juwel" – und erinnert zugleich daran, dass ihr Schöpfer Hans Scharoun als Baurat im Nachkriegsberlin in unmittelbarer Nähe des Konzertsaals ein Autobahnkreuz plante.
In den 50 Jahren seit ihrer Eröffnung 1963 ist die Berliner Philharmonie zur Legende, ja zum Mythos geworden. Wer in der musikalischen Welt nicht nur reüssieren, sondern auf den Gipfel gelangen möchte, muss in diesem Haus aufgetreten sein.
Aber nicht nur die Musik, auch die Architektur der Philharmonie war von Beginn an ein Zeichen, das im Kosmos der Weltarchitektur wahrgenommen wurde. Von Leipzig über die USA bis Tokio und jüngst hin zu Hamburgs Elbphilharmonie wurde Hans Scharouns Bauwerk zum Vorbild vieler Konzertsäle.
Das Kristalline der Emporen und Zuschauerblöcke, die Zeltform der Decke, das schwer zu begreifende Hängen und Schweben der Schwer- und Leichtgewichte des Saalkörpers versetzten jeden Besucher in einen Taumel von Begeisterung oder scharfer Kritik. Selten dürfte Arthur Schopenhauers Bemerkung von der "Architektur als gefrorener Musik" so treffend umgesetzt worden sein wie in diesem Bauwerk.
Nach heftigen Debatten sowohl über die Architektur selbst als auch über die Kosten des Neubaus fiel 1959 dann die Entscheidung des Berliner Senats, am Tiergartenrand ein neues Zentrum kultureller Bauten zu etablieren. Der eigentliche Grund für die Verlagerung an den Tiergarten war jedoch nicht, wie oft kolportiert, das nähere Heranrücken an die Stadtmitte Berlins, sondern viel nüchterner.
Aber nicht nur die Musik, auch die Architektur der Philharmonie war von Beginn an ein Zeichen, das im Kosmos der Weltarchitektur wahrgenommen wurde. Von Leipzig über die USA bis Tokio und jüngst hin zu Hamburgs Elbphilharmonie wurde Hans Scharouns Bauwerk zum Vorbild vieler Konzertsäle.
Das Kristalline der Emporen und Zuschauerblöcke, die Zeltform der Decke, das schwer zu begreifende Hängen und Schweben der Schwer- und Leichtgewichte des Saalkörpers versetzten jeden Besucher in einen Taumel von Begeisterung oder scharfer Kritik. Selten dürfte Arthur Schopenhauers Bemerkung von der "Architektur als gefrorener Musik" so treffend umgesetzt worden sein wie in diesem Bauwerk.
Nach heftigen Debatten sowohl über die Architektur selbst als auch über die Kosten des Neubaus fiel 1959 dann die Entscheidung des Berliner Senats, am Tiergartenrand ein neues Zentrum kultureller Bauten zu etablieren. Der eigentliche Grund für die Verlagerung an den Tiergarten war jedoch nicht, wie oft kolportiert, das nähere Heranrücken an die Stadtmitte Berlins, sondern viel nüchterner.
"Scharoun wollte die vom Bombenkrieg verschonten Häuser abreißen"
Er ging auf die städtebauliche Vision zurück, die Scharoun zwischen 1945-47 als Stadtbaurat Berlins entwickelt hatte und die als Kollektivplan ein unrühmliches Nachleben führt. Demnach wollte er für den Wiederaufbau bis auf wenige Ausnahmen alle nach dem Bombardement des Weltkriegs noch gebliebenen Häuser und Gebäude Berlins abreißen, um die Stadt in einem gigantischen Gitternetz von Autobahnen nach Funktionen für Wohnen, Arbeiten, Kultur und Politik getrennt vollständig neu zu errichten – eine Schreckensvision. Doch stand Scharoun mit ihr keinesfalls allein. Die meisten modernen Architekten seiner Generation hegten den Wunsch, die historischen Städte vollständig abzuräumen. Sie empfanden die Kriegszerstörungen als nicht ausreichend genug und sahen umgekehrt darin die glückliche Chance, das lang ersehnte Ziel einer komplett modernen Stadt endlich umsetzen zu können.
Als Relikt dieses Kollektivplans war noch bis 1984 die Westtangente verbindliche Verkehrsplanung in Berlin und sie hätte exakt dort, wo heute der Potsdamer Platz wieder städtische Vitalität aufgenommen hat, das Kleeblatt einer Autobahnauf- und –abfahrt erhalten. Das heute Kulturforum genannte Areal um die Philharmonie herum ist ohne diese Autobahnplanung weder als Idee noch als Plan zu begreifen, ja nicht einmal zu denken.
Gleichwohl hat die Berliner Philharmonie als architektonisches Juwel außen wie innen den Lackmustest der Zeit fraglos bestanden. Der so facettereich komponierte Raum mit seiner einzigartigen inneren Porosität und Durchlässigkeit fügt sich für jeden Besucher intuitiv zu einem harmonischen Raum, ohne zu imponieren. Der Philosoph Ludwig Wittgestein notierte einmal, dass gute Architektur einen Gedanken ausdrückt, dem man mit einer Geste folgen möchte. Bei der Berliner Philharmonie hat diese Geste den Charakter bergender Festlichkeit.
Gerwin Zohlen, Publizist, Architekturkritiker, geb. 1950; Studium der Literaturwissenschaft, Geschichte und Philosophie in Heidelberg. Seit 1982 freier Autor und Publizist in Radio, Zeitung, Fernsehen, Buchverlagen.
Als Relikt dieses Kollektivplans war noch bis 1984 die Westtangente verbindliche Verkehrsplanung in Berlin und sie hätte exakt dort, wo heute der Potsdamer Platz wieder städtische Vitalität aufgenommen hat, das Kleeblatt einer Autobahnauf- und –abfahrt erhalten. Das heute Kulturforum genannte Areal um die Philharmonie herum ist ohne diese Autobahnplanung weder als Idee noch als Plan zu begreifen, ja nicht einmal zu denken.
Gleichwohl hat die Berliner Philharmonie als architektonisches Juwel außen wie innen den Lackmustest der Zeit fraglos bestanden. Der so facettereich komponierte Raum mit seiner einzigartigen inneren Porosität und Durchlässigkeit fügt sich für jeden Besucher intuitiv zu einem harmonischen Raum, ohne zu imponieren. Der Philosoph Ludwig Wittgestein notierte einmal, dass gute Architektur einen Gedanken ausdrückt, dem man mit einer Geste folgen möchte. Bei der Berliner Philharmonie hat diese Geste den Charakter bergender Festlichkeit.
Gerwin Zohlen, Publizist, Architekturkritiker, geb. 1950; Studium der Literaturwissenschaft, Geschichte und Philosophie in Heidelberg. Seit 1982 freier Autor und Publizist in Radio, Zeitung, Fernsehen, Buchverlagen.