"Eine deutliche Aussage gegen alles Spießertum"
Klangteppiche, Kakophonien, das Bauhaus-Orchester und der Absurde Chor: Die erste "Dadamenta" auf dem Marktplatz von Weimar ist ein Happening der freien Kunst und eine Hommage an Dadaisten und Konstruktivisten, die 1922 bei einem Kongress in Weimar und Jena aufeinandertrafen.
Michael von Hintzenstern ist eigentlich Kirchenmusiker, spielt Orgel und ist 56 Jahre jung, einer der Organisatoren der ersten "Dadamenta" in Weimar.
Was hier kreuz und quer klingt, sind Worte, sind Silben und Buchstaben, Sprachfragmente für Klangteppiche - denn eines will dieser Chor mit dem Namen "absurder Chor" nicht: Gleichklang und Langeweile. Es ist ein Bekenntnis zur Moderne, sagt Michael von Hintzenstern:
"Aber auch eine deutliche Aussage gegen alles Spießertum, was nach wie vor in dieser Stadt sehr weit verbreitet ist. Die Vorbereitung dieser 'Dadamenta' ist auch so eine Art Vernetzung, um sich auch ein Stück näher zu kommen, ohne dass ich sage: Wir wollen euch etwas überstülpen, sondern hier ist ein sehr offener Club. Der C-Keller, den es seit ´88 gibt, der ist auch von der Stasi beäugt worden und der ist auch heute nicht ganz bequem, aber es ist ein Kommunikationsort. Und was mich hier besonders fasziniert, dass unterschiedliche Generationen, vom Teenager bis zu 60-Jährigen sich zu Vernissagen treffen, es gibt kein Problem. Man ist miteinander, sehr unterschiedlich, aber hat auch eine gemeinsame Basis."
Sagt es und findet sich mitten in der lautstarken Tonprobe. Der Platz vor dem Rathaus - noch ist er leer, kurz vor der Veranstaltung. Einzelne Touristengruppen beäugen skeptisch die ausladenden Topfdeckel, Metallstiele, Salatschüsseln und all den Hausrat, der an dem Abend als Musikinstrument dienen soll - aufgetürmt auf Stäben oder Köpfen der Künstler, Schläuche, Quietschinstrumente, Kostüme, eingewickelte Menschen in Folien - all' das baut sich Stück für Stück auf dem Marktplatz auf. Ein Fahrrad-Corso warten mit Büchsen an den Rädern auf den Start.
Es ist ein Happening der freien Kunst. Kerstin Schuck ist eine Künstlerin davon. Das alufarbene Nudelsieb vorsichtig über der schwarzen Fliegermütze mit Bindfaden verschnürt. Sie hat Spaß an dem Abend, kommt aus Jena, ihr Fach ist die Sprechkunst - sagt sie, natürlich mag sie Kurt Schwitters und dessen Gedichte:
"Ich hab' mich schon immer mal mit Schwitters beschäftigt und fand jetzt dieses Gedicht vom Obervogelsang genial, weil hier wirklich diese Wortgrenzen aufgelöst werden. Hier kommt es wirklich nur noch zum Klang. Das finde ich fantastisch. Das finde ich gut."
Und so klingt Kurt Schwitters im Jahr 2012, zur ersten "Dadamenta" in Weimar.
Der Marktplatz füllt sich. Alt und jung - mehr als 200 Gäste stehen lachend oder kopfschüttelnd beisammen, Tuba-Orchester, Bauhaus-Orchester, ein Drumsircle und natürlich der "Absurde Chor" - von allen Ecken kommen sie auf den sonst eher gediegenen Marktplatz. Michael von Hitzenstern ist mittendrin.
Zu laut? Ach `was, sagt Hintzenstern, wir halten uns an Gropius und der war schon dafür, alles gegen bürgerliche Herzverstocktheit zu tun:
"Das kann schon `mal nerven, wobei ich sage, ich denk' natürlich auch sehr historisch - ich hab' mich ja auch viel mit Franz Liszt beschäftigt und der hatte die Probleme auch schon mit dem Neuweimar-Verein, hatte versucht, 1854 dagegen anzusteuern. Da gibt's von Peter Cornelius dieses wunderbare Gedicht: Weimar ist eine große Stadt, die 13.000 Einwohner hat und Neuweimar ist eine kleine Gemeinde, aber sie hat 13.000 Feinde. Also, das ist so die Wahrnehmung von Liszt und Gropius - spricht dann später von der Weimarer Herzverstocktheit."
Die soll es an diesem Abend nicht geben. Dafür ein Plädoyer für freie Kunst, für Avantgarde - und Kakophonie statt Einklang - eine Hommage an Dadaisten und Konstruktivisten, die sich eigentlich nicht ausstehen konnten und doch vor 90 Jahren in Weimar und Jena aufeinander trafen mit großen Zielen und hohen Ansprüchen. Spuren hinterlassen haben sie alle. Michael von Hintzenstern hat für Weimar längst die Dada-Dekade eingeläutet - 2022 soll es ein großes Fest geben.
Heute gab es den kleinen Vorgeschmack - und manch ein Bekenntnis, was Dada im Jahr 2012 ist:
Was hier kreuz und quer klingt, sind Worte, sind Silben und Buchstaben, Sprachfragmente für Klangteppiche - denn eines will dieser Chor mit dem Namen "absurder Chor" nicht: Gleichklang und Langeweile. Es ist ein Bekenntnis zur Moderne, sagt Michael von Hintzenstern:
"Aber auch eine deutliche Aussage gegen alles Spießertum, was nach wie vor in dieser Stadt sehr weit verbreitet ist. Die Vorbereitung dieser 'Dadamenta' ist auch so eine Art Vernetzung, um sich auch ein Stück näher zu kommen, ohne dass ich sage: Wir wollen euch etwas überstülpen, sondern hier ist ein sehr offener Club. Der C-Keller, den es seit ´88 gibt, der ist auch von der Stasi beäugt worden und der ist auch heute nicht ganz bequem, aber es ist ein Kommunikationsort. Und was mich hier besonders fasziniert, dass unterschiedliche Generationen, vom Teenager bis zu 60-Jährigen sich zu Vernissagen treffen, es gibt kein Problem. Man ist miteinander, sehr unterschiedlich, aber hat auch eine gemeinsame Basis."
Sagt es und findet sich mitten in der lautstarken Tonprobe. Der Platz vor dem Rathaus - noch ist er leer, kurz vor der Veranstaltung. Einzelne Touristengruppen beäugen skeptisch die ausladenden Topfdeckel, Metallstiele, Salatschüsseln und all den Hausrat, der an dem Abend als Musikinstrument dienen soll - aufgetürmt auf Stäben oder Köpfen der Künstler, Schläuche, Quietschinstrumente, Kostüme, eingewickelte Menschen in Folien - all' das baut sich Stück für Stück auf dem Marktplatz auf. Ein Fahrrad-Corso warten mit Büchsen an den Rädern auf den Start.
Es ist ein Happening der freien Kunst. Kerstin Schuck ist eine Künstlerin davon. Das alufarbene Nudelsieb vorsichtig über der schwarzen Fliegermütze mit Bindfaden verschnürt. Sie hat Spaß an dem Abend, kommt aus Jena, ihr Fach ist die Sprechkunst - sagt sie, natürlich mag sie Kurt Schwitters und dessen Gedichte:
"Ich hab' mich schon immer mal mit Schwitters beschäftigt und fand jetzt dieses Gedicht vom Obervogelsang genial, weil hier wirklich diese Wortgrenzen aufgelöst werden. Hier kommt es wirklich nur noch zum Klang. Das finde ich fantastisch. Das finde ich gut."
Und so klingt Kurt Schwitters im Jahr 2012, zur ersten "Dadamenta" in Weimar.
Der Marktplatz füllt sich. Alt und jung - mehr als 200 Gäste stehen lachend oder kopfschüttelnd beisammen, Tuba-Orchester, Bauhaus-Orchester, ein Drumsircle und natürlich der "Absurde Chor" - von allen Ecken kommen sie auf den sonst eher gediegenen Marktplatz. Michael von Hitzenstern ist mittendrin.
Zu laut? Ach `was, sagt Hintzenstern, wir halten uns an Gropius und der war schon dafür, alles gegen bürgerliche Herzverstocktheit zu tun:
"Das kann schon `mal nerven, wobei ich sage, ich denk' natürlich auch sehr historisch - ich hab' mich ja auch viel mit Franz Liszt beschäftigt und der hatte die Probleme auch schon mit dem Neuweimar-Verein, hatte versucht, 1854 dagegen anzusteuern. Da gibt's von Peter Cornelius dieses wunderbare Gedicht: Weimar ist eine große Stadt, die 13.000 Einwohner hat und Neuweimar ist eine kleine Gemeinde, aber sie hat 13.000 Feinde. Also, das ist so die Wahrnehmung von Liszt und Gropius - spricht dann später von der Weimarer Herzverstocktheit."
Die soll es an diesem Abend nicht geben. Dafür ein Plädoyer für freie Kunst, für Avantgarde - und Kakophonie statt Einklang - eine Hommage an Dadaisten und Konstruktivisten, die sich eigentlich nicht ausstehen konnten und doch vor 90 Jahren in Weimar und Jena aufeinander trafen mit großen Zielen und hohen Ansprüchen. Spuren hinterlassen haben sie alle. Michael von Hintzenstern hat für Weimar längst die Dada-Dekade eingeläutet - 2022 soll es ein großes Fest geben.
Heute gab es den kleinen Vorgeschmack - und manch ein Bekenntnis, was Dada im Jahr 2012 ist: