Eine Diskussion über Hector Berlioz und seine Oper „Benvenuto Cellini“

Selbstporträt als Renaissance-Mensch

Der französische Komponist Hector Berlioz (1803-1869)
Freund der Renaissance, Visionär der Romantik: Der französische Komponist Hector Berlioz (1803-1869) © Deutschlandradio / Archiv
Quartett der Kritiker; Moderation: Olaf Wilhelmer |
Ein trotteliger Papst, ein Tötungsdelikt, ein Kunstwerk, das nicht gelingen will: Es kommt einiges zusammen in der Oper "Benvenuto Cellini" von Hector Berlioz. Das Publikum war davon 1838 überfordert, bis heute sind Aufführungen und Aufnahmen selten. Dabei ist Berlioz' satirisches Werk ein zündendes Drama voller verrückter Ideen.
"Wer kann auf Erden einen schöneren Jüngling sehen, / als es mein Perseus ist? Und sollt’ er unter allen / auch einen nicht berühren, wär’ dieser wohl in aller Welt allein!"

Hier geht es zur Playlist der Sendung.

Nein, Benvenuto Cellini, von dem diese Verse stammen, hatte mit dem Selbstbewusstsein keine Probleme. Der Goldschmied und Bildhauer der italienischen Spät-Renaissance, der von 1500 bis 1571 lebte, beglückte Fürsten und Päpste mit seiner Kunst und musste doch um Anerkennung, oft auch um Bezahlung, kämpfen. Überhaupt, der Kampf: Cellini war schnell dabei, wenn es handgreiflich wurde. Seine prahlerischen Memoiren strotzen nur so vor Mord und Totschlag, Delikten und Affären. Sie sind das Dokument eines alle Grenzen niederreißenden Genius, weswegen sie Goethe beeindruckten – der sie ins Deutsche übersetzte –, und Hector Berlioz dazu brachten, eine Oper danach zu komponieren.

Kunst einschmelzen

Im Mittelpunkt des tragikomischen, nach zahllosen Verwicklungen glücklich endenden Stückes Musiktheater steht die Perseus-Statue, die Cellini im Auftrag des Papstes gießen soll. Das Werk gelingt nur, indem Cellini seine früheren Kunstwerke einschmilzt – so ähnlich steht es auch in den Memoiren des historischen Künstlers, der allerdings im Auftrag der Medici handelte. Das Ergebnis ist heute noch in Florenz zu bewundern.
Das Orchestre Révolutionnaire et Romantique und sein Gründer, der Dirigent Sir John Eliot Gardiner
Auf der Suche nach dem besonderen Klang von Hector Berlioz: Das Orchestre Révolutionnaire et Romantique und sein Dirigent Sir John Eliot Gardiner© Musikfest Berlin / Chris Christodoulou
Für einen "schönen Jüngling" hielt auch Berlioz die Partitur dieser seiner ersten Oper, die er zeitlebens als eines seiner besten Werke bezeichnete. Ganz im Gegensatz zur damaligen Opernwelt, die das Werk 1838 gnadenlos durchfallen ließ. Eine erste Ehrenrettung der schon bei der Uraufführung abgewandelten Partitur unternahm Berlioz‘ Freund Franz Liszt, der "Benvenuto Cellini" 1852 in Weimar herausbrachte, allerdings in abermals veränderter – wenn auch vom Komponisten abgesegneter – Form. Das führt aus heutiger Sicht zu einem Durcheinander an Werkfassungen, und erst in jüngerer Vergangenheit gab es hier sowohl auf der Bühne als auch im Aufnahmestudio überzeugende Interpretationen.

Renaissance und Romantik

Eines gab es aber noch nie: den Versuch, die speziellen Klangfarben dieser Partitur der französischen Frühromantik auf Instrumenten der damaligen Zeit wieder aufleben zu lassen – auf vollkommen anders klingenden Instrumenten wie dem französischen Fagott oder der Ophikleide, einem historischen Vorläufer der Tuba. In diesem Sommer, anlässlich des 150. Todestages von Hector Berlioz, hat Sir John Eliot Gardiner dieses Projekt mit seinem Orchestre Révolutionnaire et Romantique gewagt.
Das "Quartett der Kritiker"
Auf der Suche nach dem optimalen "Benvenuto Cellini": Das Quartett der Kritiker mit Michael Stegemann, Susanne Benda, Olaf Wilhelmer (Moderation), Eleonore Büning und Volker Hagedorn (v. l.)© Musikfest Berlin / Adam Janisch
Die hochkarätig besetzte, halbszenisch dargebotene Produktion stand zur Eröffnung des Musikfestes Berlin in der Berliner Philharmonie auf dem Programm. Zum Auftakt diskutierte im Foyer des Kammermusiksaals der Berliner Philharmonie das Quartett der Kritiker des Preises der deutschen Schallplattenkritik über die bislang dokumentierten Zugänge zu "Benvenuto Cellini" – ein Werk, dessen fulminanter Schwung auch heute noch mitreißend ist.
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