Eine Drei-Religionen-Schule
In Osnabrück beginnt ein ungewöhnliches, ein bundesweit bislang einmaliges Projekt. Eltern können in diesen Tagen ihre Kinder anmelden zur Drei-Religionen-Schule, die im Sommer kommenden Jahres startet: Eine Grundschule, die von Christen, Muslimen und Juden gleichermaßen getragen wird und die den Religionen einen Schwerpunkt im Schulalltag einräumen will.
Sommer: "Es dürfen Kreuze in der Schule hängen, es darf der Halbmond, die Menora sichtbar sein, es kann zu den Jahreskreisfesten eine spezifische Gestaltung in den Räumen vorgenommen werden."
Grünberg: "Die Feste der einzelnen Religionen werden gefeiert, aber mit den anderen Religionen zusammen, unsere Kinder wissen natürlich, was Weihnachten ist; aber nicht alle nicht-jüdischen Kinder wissen, was Chanukka ist, das Lichterfest, was zeitnah um die Weihnachtszeit gefeiert wird. Dann werden zu einer Chanukka-Feier auch die anderen Kinder eingeladen, dann gibt es auch kleine Geschenke, das ist ein schönes Fest gerade für Kinder."
Zeitun: "In dieser Schule, ein Lehrerin darf Kopftuch tragen, in der normalen Schule nicht, aber hier darf sie ein Kopftuch tragen, sie soll Kopftuch tragen, sie soll ein Vorbild sein."
Der Katholik Michael Sommer, der Jude Michael Grünberg und der Muslim Abdul-Jalil Zeitun beschreiben, was in der Drei-Religionen-Schule einmal möglich sein soll. Geboren wurde die Idee zur interreligiösen Schule aus der Not: der kirchlichen Johannisschule gingen die katholischen Schülerinnen und Schüler aus. Das niedersächsische Schulgesetz sieht vor, dass 80 Prozent der Schüler in einer katholischen Bekenntnisschule katholisch sein müssen. Das war in der Osnabrücker Innenstadtschule langfristig nicht mehr machbar.
Deshalb hat sich das Bistum entschieden, Vertreter der jüdischen und muslimischen Gemeinden mit ins Boot zu holen. Abdul-Jalil Zeitun Islam von der Schura, einem Zusammenschluss verschiedener Moscheegemeinden, war gleich begeistert von der ökumenischen Idee - vor allem davon, dass auch die jüdische Gemeinde mitmachen wollte.
"Als Hoffnung mehr Integration und mehr Miteinander. Denn die Muslime und die Christen, sie haben viel miteinander, aber die Juden weniger, und auf einmal werden auch jüdische Kinder in diese Schule kommen. Da wird es selbstverständlich, jetzt ist, wenn ein oder zwei jüdische Kinder auf einer Schule waren, die trauen sich nicht zu sagen: wir sind jüdische Kinder, und das wollen wir nicht, wir wollen, dass sie sagen: Wir sind stolz, wir sind Juden, wir sind Christen, wir sind Muslime. Man darf sich nicht schämen."
Auch Michael Grünberg, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Osnabrück, sieht die neue Schule als Chance, die durch den Nahost-Konflikt bestehenden Spannungen zwischen Juden und Muslimen anzugehen:
"Wir müssen versuchen, uns davon zu entfernen: von einem gespannten zu einem entspannten Verhältnis kommen, daran müssen wir arbeiten, das muss Normalität sein. Wenn muslimische Kinder neben jüdischen Kindern sitzen, bewusst, die wissen, die haben eine andere Religion, und so denke ich, wird es eine große Entspannung geben langfristig."
Zeitun: "Wenn ich meinen Nachbarn besuche, ist es was ganz anderes, als wenn ich meinen Nachbarn nicht besuche. Solange sie Kontakt miteinander haben, dann ist alles offen, der andere ist genau wie ich, ich bin genau wie er. Dann kommt auch diese Nähe, der kommt nur durch Kontakt und eine Schule ist ein Ort, wo Kontakt stattfinden soll."
Bei manchen Eltern stößt die Idee der Drei-Religionen-Schule auf große Begeisterung. Die Katholikin Claudia Vogelsang hat ihre Tochter bereits angemeldet und erhofft sich auch eine stärkere Annäherung der Erwachsenen:
"In meinem Umkreis gibt es keine jüdischen oder muslimischen Bekannte, und ich denke, wenn die Kinder so aufwachsen und es werden Freundschaften entstehen, ist es viel selbstverständlicher, dass man sich toleriert."
Allerdings gibt es auch Skepsis unter Eltern, die nicht so recht wissen, ob die neue Schule vielleicht zu religiös werde oder ob ihr eigener Glauben zu kurz komme. Kritisiert wird auch, dass Kinder, deren Eltern keiner Religionsgemeinschaft angehören, ausgeschlossen bleiben.
Die Idealvorstellung der Schulstiftung: in den Klassen sollen je ein Drittel jüdische, christliche und muslimische Kinder sitzen. Das Quorum der christlichen und muslimischen Kinder zu erreichen ist kein Problem; aber die jüdische Gemeinde in der Region Osnabrück hat insgesamt nur rund 1000 Mitglieder. Da wird man nur ein Handvoll Schüler jedes Jahr in der neuen Schule anmelden können.
Grünberg: "Es wird in Osnabrück jetzt im August die jüdische Kindergartengruppe geben, da arbeiten wir auch seit einigen Jahren dran, wir haben jetzt zwischen 10 und 16 Interessenten und das ist eigentlich doch eine ganz gute Zahl, wir sind natürlich immer eine kleine Gruppe."
Grünbergs Hoffnung: Dass die Kita-Kinder dann direkt in die Drei-Religionen-Schule wechseln. Doch eine Drittel Parität sei auch gar nicht notwendig, sagt der Münsteraner Religionspädagoge Clauß Peter Sayak, der bereits mehrere trialogische Projekte betreut hat. Ein starkes Ungleichgewicht der Religionen habe man immer. An Gymnasien finde man beispielsweise nur wenige muslimische Schüler, an Hauptschulen umso mehr.
Das Fach Religion soll in Osnabrück übrigens getrennt unterrichtet werden. Für die Kinder jeder Religion sei es wichtig, sich zunächst der eigenen Wurzeln zu vergewissern, sagt der Religionspädagoge Clauß Peter Sayak. Seine Erfahrung: Die muslimischen Kinder wissen oft mehr über ihre Religion als die christlichen.
"Da würde ich jetzt als katholischer Theologe sagen: Das ist ja nicht schlecht, dass die gezwungen werden, sich über ihre Fastenzeit zu vergewissern, wenn die muslimischen Schüler selbstverständlich vom Ramadan sprechen."
Der religiöse Austausch soll vor allem über die jeweiligen Feste und Rituale geschehen. Zur Zeit bereitet die jüdische Gemeinde das Pessach-Fest vor, das an den Auszug aus Ägypten erinnert.
"Das ist ein besonderes Fest, da darf man nur bestimmte Dinge essen, es wird kein Brot gegessen, und auch das wird in der Schule möglich sein, auch dort werden die anderen Kinder sehen, dass es auch interessant ist, mal eine Woche Matzen zu essen und dass die auch ganz lecker schmecken mit Butter und Honig beschmiert."
Ein Wermutstropfen des Projektes: Die Protestanten machen bei der Drei-Religionen-Schule nicht mit. Ihnen war das ganze Projekt wohl von Anfang an zu katholisch. Einer ihrer Kritikpunkte: Dem Schulkonzept nach soll die Möglichkeit bestehen, dass die jeweiligen Gemeinschaften religiöse Feiern nur für sich begehen. Für die evangelische Kirche ist das nicht vereinbar mit dem offenen Geist einer Drei-Religionen-Schule.
Michael Grünberg von der jüdischen Gemeinde entgegnet: "Wenn es die Religionsvorschrift sein sollte, das bestimmte Sachen nur allein gemacht werden können, dann muss das respektiert werden."
Doch in der Regel sollen die Gottesdienste gemeinsam gefeiert werden. Eine Religionsgemeinschaft lädt die anderen ein, an ihrer Zeremonie teilzunehmen. Michael Sommer von der Schulabteilung des Bistums Osnabrück kann sich sogar vorstellen, dass alle Kinder ein gemeinsames Gebet sprechen werden:
"Es ist durchaus möglich, dass jede Religion ein eigenes Gebet spricht, dass auch von den anderen andächtig mit angehört wird. Es ist aber auch denkbar, ein gemeinsames Gebet zu entwickeln, das die gemeinsame Grundüberzeugung im jeweiligen Glauben zum Inhalt hat."
Grünberg: "Die Feste der einzelnen Religionen werden gefeiert, aber mit den anderen Religionen zusammen, unsere Kinder wissen natürlich, was Weihnachten ist; aber nicht alle nicht-jüdischen Kinder wissen, was Chanukka ist, das Lichterfest, was zeitnah um die Weihnachtszeit gefeiert wird. Dann werden zu einer Chanukka-Feier auch die anderen Kinder eingeladen, dann gibt es auch kleine Geschenke, das ist ein schönes Fest gerade für Kinder."
Zeitun: "In dieser Schule, ein Lehrerin darf Kopftuch tragen, in der normalen Schule nicht, aber hier darf sie ein Kopftuch tragen, sie soll Kopftuch tragen, sie soll ein Vorbild sein."
Der Katholik Michael Sommer, der Jude Michael Grünberg und der Muslim Abdul-Jalil Zeitun beschreiben, was in der Drei-Religionen-Schule einmal möglich sein soll. Geboren wurde die Idee zur interreligiösen Schule aus der Not: der kirchlichen Johannisschule gingen die katholischen Schülerinnen und Schüler aus. Das niedersächsische Schulgesetz sieht vor, dass 80 Prozent der Schüler in einer katholischen Bekenntnisschule katholisch sein müssen. Das war in der Osnabrücker Innenstadtschule langfristig nicht mehr machbar.
Deshalb hat sich das Bistum entschieden, Vertreter der jüdischen und muslimischen Gemeinden mit ins Boot zu holen. Abdul-Jalil Zeitun Islam von der Schura, einem Zusammenschluss verschiedener Moscheegemeinden, war gleich begeistert von der ökumenischen Idee - vor allem davon, dass auch die jüdische Gemeinde mitmachen wollte.
"Als Hoffnung mehr Integration und mehr Miteinander. Denn die Muslime und die Christen, sie haben viel miteinander, aber die Juden weniger, und auf einmal werden auch jüdische Kinder in diese Schule kommen. Da wird es selbstverständlich, jetzt ist, wenn ein oder zwei jüdische Kinder auf einer Schule waren, die trauen sich nicht zu sagen: wir sind jüdische Kinder, und das wollen wir nicht, wir wollen, dass sie sagen: Wir sind stolz, wir sind Juden, wir sind Christen, wir sind Muslime. Man darf sich nicht schämen."
Auch Michael Grünberg, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Osnabrück, sieht die neue Schule als Chance, die durch den Nahost-Konflikt bestehenden Spannungen zwischen Juden und Muslimen anzugehen:
"Wir müssen versuchen, uns davon zu entfernen: von einem gespannten zu einem entspannten Verhältnis kommen, daran müssen wir arbeiten, das muss Normalität sein. Wenn muslimische Kinder neben jüdischen Kindern sitzen, bewusst, die wissen, die haben eine andere Religion, und so denke ich, wird es eine große Entspannung geben langfristig."
Zeitun: "Wenn ich meinen Nachbarn besuche, ist es was ganz anderes, als wenn ich meinen Nachbarn nicht besuche. Solange sie Kontakt miteinander haben, dann ist alles offen, der andere ist genau wie ich, ich bin genau wie er. Dann kommt auch diese Nähe, der kommt nur durch Kontakt und eine Schule ist ein Ort, wo Kontakt stattfinden soll."
Bei manchen Eltern stößt die Idee der Drei-Religionen-Schule auf große Begeisterung. Die Katholikin Claudia Vogelsang hat ihre Tochter bereits angemeldet und erhofft sich auch eine stärkere Annäherung der Erwachsenen:
"In meinem Umkreis gibt es keine jüdischen oder muslimischen Bekannte, und ich denke, wenn die Kinder so aufwachsen und es werden Freundschaften entstehen, ist es viel selbstverständlicher, dass man sich toleriert."
Allerdings gibt es auch Skepsis unter Eltern, die nicht so recht wissen, ob die neue Schule vielleicht zu religiös werde oder ob ihr eigener Glauben zu kurz komme. Kritisiert wird auch, dass Kinder, deren Eltern keiner Religionsgemeinschaft angehören, ausgeschlossen bleiben.
Die Idealvorstellung der Schulstiftung: in den Klassen sollen je ein Drittel jüdische, christliche und muslimische Kinder sitzen. Das Quorum der christlichen und muslimischen Kinder zu erreichen ist kein Problem; aber die jüdische Gemeinde in der Region Osnabrück hat insgesamt nur rund 1000 Mitglieder. Da wird man nur ein Handvoll Schüler jedes Jahr in der neuen Schule anmelden können.
Grünberg: "Es wird in Osnabrück jetzt im August die jüdische Kindergartengruppe geben, da arbeiten wir auch seit einigen Jahren dran, wir haben jetzt zwischen 10 und 16 Interessenten und das ist eigentlich doch eine ganz gute Zahl, wir sind natürlich immer eine kleine Gruppe."
Grünbergs Hoffnung: Dass die Kita-Kinder dann direkt in die Drei-Religionen-Schule wechseln. Doch eine Drittel Parität sei auch gar nicht notwendig, sagt der Münsteraner Religionspädagoge Clauß Peter Sayak, der bereits mehrere trialogische Projekte betreut hat. Ein starkes Ungleichgewicht der Religionen habe man immer. An Gymnasien finde man beispielsweise nur wenige muslimische Schüler, an Hauptschulen umso mehr.
Das Fach Religion soll in Osnabrück übrigens getrennt unterrichtet werden. Für die Kinder jeder Religion sei es wichtig, sich zunächst der eigenen Wurzeln zu vergewissern, sagt der Religionspädagoge Clauß Peter Sayak. Seine Erfahrung: Die muslimischen Kinder wissen oft mehr über ihre Religion als die christlichen.
"Da würde ich jetzt als katholischer Theologe sagen: Das ist ja nicht schlecht, dass die gezwungen werden, sich über ihre Fastenzeit zu vergewissern, wenn die muslimischen Schüler selbstverständlich vom Ramadan sprechen."
Der religiöse Austausch soll vor allem über die jeweiligen Feste und Rituale geschehen. Zur Zeit bereitet die jüdische Gemeinde das Pessach-Fest vor, das an den Auszug aus Ägypten erinnert.
"Das ist ein besonderes Fest, da darf man nur bestimmte Dinge essen, es wird kein Brot gegessen, und auch das wird in der Schule möglich sein, auch dort werden die anderen Kinder sehen, dass es auch interessant ist, mal eine Woche Matzen zu essen und dass die auch ganz lecker schmecken mit Butter und Honig beschmiert."
Ein Wermutstropfen des Projektes: Die Protestanten machen bei der Drei-Religionen-Schule nicht mit. Ihnen war das ganze Projekt wohl von Anfang an zu katholisch. Einer ihrer Kritikpunkte: Dem Schulkonzept nach soll die Möglichkeit bestehen, dass die jeweiligen Gemeinschaften religiöse Feiern nur für sich begehen. Für die evangelische Kirche ist das nicht vereinbar mit dem offenen Geist einer Drei-Religionen-Schule.
Michael Grünberg von der jüdischen Gemeinde entgegnet: "Wenn es die Religionsvorschrift sein sollte, das bestimmte Sachen nur allein gemacht werden können, dann muss das respektiert werden."
Doch in der Regel sollen die Gottesdienste gemeinsam gefeiert werden. Eine Religionsgemeinschaft lädt die anderen ein, an ihrer Zeremonie teilzunehmen. Michael Sommer von der Schulabteilung des Bistums Osnabrück kann sich sogar vorstellen, dass alle Kinder ein gemeinsames Gebet sprechen werden:
"Es ist durchaus möglich, dass jede Religion ein eigenes Gebet spricht, dass auch von den anderen andächtig mit angehört wird. Es ist aber auch denkbar, ein gemeinsames Gebet zu entwickeln, das die gemeinsame Grundüberzeugung im jeweiligen Glauben zum Inhalt hat."