"Eine Eins maximal darf davorstehen"
Vor Beginn der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst hat der Verhandlungsführer der Länder die Gewerkschaften zur "Vernunft" aufgerufen. Die Forderung von 6,5 Prozent mehr Gehalt sei nicht realistisch, sagte Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD).
Gabi Wuttke: Was ab morgen verhandelt wird, bestimmt auch die Haushaltskasse von mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland: die Tarifverhandlung für den öffentlichen Dienst. Die Gewerkschaften fordern 6,5 Prozent, das finden die Länder völlig überzogen, so vorab ihr neuer Verhandlungsführer Jens Bullerjahn, Sozialdemokrat und Finanzminister von Sachsen-Anhalt. Ich wollte von ihm wissen, was an sechseinhalb Prozent so überzogen ist.
Jens Bullerjahn: Na, ich glaube, das weiß jeder, der abends am Essenstisch sitzt mit der Familie und sich mal vorstellt, sechseinhalb Prozent für ein Jahr in der jetzigen Situation, wo halb Europa Schwierigkeiten hat zu überleben, wir, ich sage mal, überall vom Sparen reden und selbst andere Tarifabschlüsse gemacht haben, die sich zwischen ein bis drei Prozent bewegen. Ich setze da aber auf die Vernunft derer, die das auch fordern, dass die auch wissen, dass das also ein bisschen an dem vorbeigeht, was wir als vernünftig ansehen.
Wuttke: Aber am Abendbrottisch müssen Papa und Mama auch den Kindern sagen, das könnt ihr jetzt nicht haben, dafür haben wir kein Geld. Die öffentliche Kaufkraft in den klammen Ländern wird dadurch nicht gesteigert.
Bullerjahn: Ja, aber ich glaube, alle kriegen jetzt mit, sagen wir mal, bleiben bei dem Bild, auch im Fernsehen, egal auf welchem Kanal, wie Griechenland kämpft, was in Spanien grad los ist, dass die Jugendarbeitslosigkeit bei 50 Prozent ist und die solche Debatten wahrscheinlich nicht mal im Entferntesten sich leisten könnten, sechseinhalb für ein Jahr. Ich will ja nicht so weit gehen, dass ich dann da denke, dass die Masse über unsere Schuldenbremse redet, aber so ein Gefühl ist, glaube ich, schon entstanden, dass die Leute wissen, jetzt muss mal Schluss sein mit dem ewigen Schuldenmachen.
Wuttke: Aber so schlimm wie Griechenland und Spanien geht es den Ländern in Deutschland noch nicht.
Bullerjahn: Na ja, aber ich sag mal so, meine ganzen Steuermehreinnahmen habe ich im vorigen Jahr in die Rückführung der neuen Schulden gemacht. Das heißt, eins zu eins habe ich es erstmals jetzt geschafft, nach 20 Jahren, dass ich bei einem Haushalt von 10 Milliarden und einer Schuldenlast von 20 Milliarden mit 25 Millionen in die Tilgung eingestiegen bin. Ich habe mir jetzt den Ruf erarbeitet, ich würde das Land kaputtsparen. Also ich frage mich, was die Leute zu Hause machen würden, wenn die so einen Haushalt hätten.
Wuttke: Sie schließen nicht aus, dass der Bund am Ende der Tarifverhandlungen höhere Gehälter als die Länder zahlen wird. Eine solche Kluft bei alldem, was Sie erklärt haben, ist doch aber auch für Sie als Sozialdemokrat, um mal mit Franz Müntefering in einem anderen Bild zu sprechen, ganz großer Mist, oder?
Bullerjahn: Ja, das ist jetzt ein bisschen gemein, was Sie machen, aber ich sage gleich, egal wer da verhandelt, er wird nicht das Parteibuch mitnehmen können. Das ist übrigens bei allen meiner Kolleginnen und Kollegen gleich, auf Parteitagen wird es immer erzählt, die Leute brauchen mehr Geld in der Tasche, und ich habe schon ganz viele Ratschläge bekommen, sogar in Zeitungen. Also eine Eins, maximal, darf davor stehen. Das ist auch in der Politik so zwischen Theorie und Praxis das Problem, ich setze auf Vernunft. Ich habe ja mit Frank Bsirske gesprochen, mit dem Beamtenbund, und die wissen doch auch um diese Zahlen, und die wissen auch, dass es um langfristige Planung auch geht. Und was ich ja dann mit diesem Thema Bund auch sagen wollte: Der Bund hat 11 Prozent Personalkosten nur. Andersrum gibt es Länder, die haben die Hälfte ihrer Ausgabe nur fürs Personal in den Büchern. Da kommt auf jede, ich sage mal, Zahl hinter dem Komma an. Und ich sage, wir haben im öffentlichen Dienst eine Sicherheit, eine Planbarkeit, und sind, glaube ich, nicht der schlechteste Arbeitgeber. Und diese Balance, die versuche ich jetzt auch im Kompromiss.
Wuttke: Aber das kann man auch anders sehen. Sie haben ja selber gesagt, man macht Ihnen den Vorwurf, sie würden das Land kaputtsparen. Sie haben angekündigt, sie wollten im öffentlichen Dienst weitere 9.000 Stellen abbauen, um Schulden zu tilgen. Sie haben auf der anderen Seite, wie alle anderen Länder auch, ein großes Problem, Nachwuchs für den öffentlichen Dienst zu finden. Was Sie jetzt anpeilen, macht doch diese Branche noch unattraktiver.
Bullerjahn: Ach, überhaupt nicht. Wenn wir ausschreiben, habe ich Berge von Bewerbungen, ob als Polizisten, ob Strafvollzug, bei Gericht … wir bilden doch Juristen aus ohne Ende, ich frage mich immer, wo die alle bleiben, ja? Selbst wenn die Ministerien mal ausschreiben …
Wuttke: Die warten wahrscheinlich darauf, dann wieder abgebaut zu werden.
Bullerjahn: Ja, ich weiß auch nicht, warum das so vernünftig ist, als Jurist zu enden, weil der öffentliche Dienst kann die gar nicht alle aufnehmen, und dann arbeiten die für einen Appel und ein Ei irgendwo in einer Kanzlei. Für den öffentlichen Dienst kann ich nur sagen, wir haben keine Nachwuchsprobleme. Nur diese 9.000 Stellen, die Sie angesprochen haben – wenn ich das mal machen würde, dann habe ich in zehn Jahren wahrscheinlich um die 12.000, 13.000 Personen abgebaut, aber nicht einem einzigen wurde gekündigt. Und wenn ich diese Zahl erreiche, bin ich erst im Durchschnitt der deutschen Länder. Und da kann mir keiner erklären, warum ein Land wie Sachsen-Anhalt ohne bessere Ergebnisse sich das leisten sollte und dabei die Investitionen zurückfahren muss, weil das Geld nur einmal ausgegeben werden kann.
Wuttke: Das heißt aber, die Aufgaben im öffentlichen Dienst in Sachsen-Anhalt sind so übersichtlich, dass Sie sich diesen sozialverträglichen Abbau leisten können?
Bullerjahn: Das ist das, was ich vorhin sagte, die Sicherheit. Ich gehöre zu denen, die auch sagen, uns macht es ja kaputt, wenn Leute überhaupt nicht ihr Leben planen können, weil sie nur mit Jahresverträgen arbeiten, und deswegen ein öffentlicher Dienst, wie er bei uns vorzufinden ist, der keinem kündigt, aber sagt, hört mal zu, wir werden weniger, das gibt es nicht oft in der Wirtschaft, ob nun die große Commerzbank oder der kleine Metallbau bei uns, der auch morgen vielleicht gar nicht mehr da ist. Das wird zu gering geschätzt von den Leuten, glaube ich, ich will da aber nicht hin, ja?
Und zum anderen sage ich, wenn ich – was wir ja machen zum Beispiel mit einem Programm – sämtliche Kindergärten und Schulen saniere in Sachsen-Anhalt - alle! -die Bestand haben, wenn wir den Kommunen helfen, wo ich zwei Drittel aller Kommunen bis Ende des Jahrzehnts schuldenfrei machen möchte, dann kostet das Geld. Und bisher hat keiner grundsätzlich an diesem Programm was ändern können. Ich habe eine Haushaltsrede gehalten voriges Jahr mit der Überschrift "Freiheit statt Schuldenspirale". Und die Leute haben es grundsätzlich richtig gefunden.
Wuttke: Das heißt, die finden das auch richtig, dass es eigentlich, was die Bezahlung angeht, eine Dreiklassengesellschaft in Deutschland gibt zwischen den neuen und den alten Bundesländern, dann zwischen Bund und Land? Eigentlich ist das doch dem sozialen Frieden nicht zuträglich.
Bullerjahn: Also erstens haben wir die, das ist nicht meine Erfindung. In Bayern wird ganz anders bezahlt. Ich rede jetzt nicht über Lebenshaltungskosten, weil: netto ist immer noch was anderes. Wenn am Ende des Monats jemand seine Miete mal anschaut und all die Kostenbestandteile, vom Kindergarten bis sonst wohin, das ist ja das Spannende: Was unterm Strich habe ich in der Region?
Wuttke: Da kommen wir wieder zum Abendbrottisch.
Bullerjahn: Genau, genau deswegen. Wenn ich aber sehe, dass ich in einer Region jetzt großgeworden bin, wo der Bergbau zusammengebrochen ist, und ich hatte eine Arbeitslosigkeit von 50 Prozent, dann weiß ich den Wert der Arbeit zu schätzen. Und ich habe natürlich, gerade als Sozialdemokrat, schon das Ziel, die Vision, dass irgendwo jeder auskömmlich davon leben kann, was er verdient.
Nur, das kläre ich nicht alles in Tarifverhandlung, das ist eine gesellschaftliche Debatte, die was mit Mindestlohndiskussion zu tun hat, solche Diskussionen: Welche Beiträge zahle ich? Was für Lohnhöhen? Ich war letztens in Skandinavien, da verdienen die Leute mehr und sind trotzdem die glücklichsten auf dieser Welt, weil sie zwischen 50 und 60 Prozent Steuern zahlen, weil sie wissen, es ist für alle da. So eine Debatte, die wünschte ich mir in Deutschland, aber nicht bei den Tarifverhandlungen. Ich kann nicht alle Probleme dieser Welt lösen.
Wuttke: Sagt Jens Bullerjahn, neuer Verhandlungsführer der Länder für die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst, die morgen beginnt. Ich danke Ihnen sehr!
Bullerjahn: Ich auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Weitere Infos auf dradio.de:
Bereits im vergangenen Jahr hatte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di 6,3 Prozent mehr Gehalt für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst erstritten. Das Interview mit ver.di-Chef Frank Birske zu diesem Abschluss finden Sie hier:
Bsirske: Unter sechs Prozent hätte es kein Ergebnis gegeben - ver.di-Chef rechtfertigt Tarifabschluss von 6,3 Prozent im öffentlichen Dienst
Jens Bullerjahn: Na, ich glaube, das weiß jeder, der abends am Essenstisch sitzt mit der Familie und sich mal vorstellt, sechseinhalb Prozent für ein Jahr in der jetzigen Situation, wo halb Europa Schwierigkeiten hat zu überleben, wir, ich sage mal, überall vom Sparen reden und selbst andere Tarifabschlüsse gemacht haben, die sich zwischen ein bis drei Prozent bewegen. Ich setze da aber auf die Vernunft derer, die das auch fordern, dass die auch wissen, dass das also ein bisschen an dem vorbeigeht, was wir als vernünftig ansehen.
Wuttke: Aber am Abendbrottisch müssen Papa und Mama auch den Kindern sagen, das könnt ihr jetzt nicht haben, dafür haben wir kein Geld. Die öffentliche Kaufkraft in den klammen Ländern wird dadurch nicht gesteigert.
Bullerjahn: Ja, aber ich glaube, alle kriegen jetzt mit, sagen wir mal, bleiben bei dem Bild, auch im Fernsehen, egal auf welchem Kanal, wie Griechenland kämpft, was in Spanien grad los ist, dass die Jugendarbeitslosigkeit bei 50 Prozent ist und die solche Debatten wahrscheinlich nicht mal im Entferntesten sich leisten könnten, sechseinhalb für ein Jahr. Ich will ja nicht so weit gehen, dass ich dann da denke, dass die Masse über unsere Schuldenbremse redet, aber so ein Gefühl ist, glaube ich, schon entstanden, dass die Leute wissen, jetzt muss mal Schluss sein mit dem ewigen Schuldenmachen.
Wuttke: Aber so schlimm wie Griechenland und Spanien geht es den Ländern in Deutschland noch nicht.
Bullerjahn: Na ja, aber ich sag mal so, meine ganzen Steuermehreinnahmen habe ich im vorigen Jahr in die Rückführung der neuen Schulden gemacht. Das heißt, eins zu eins habe ich es erstmals jetzt geschafft, nach 20 Jahren, dass ich bei einem Haushalt von 10 Milliarden und einer Schuldenlast von 20 Milliarden mit 25 Millionen in die Tilgung eingestiegen bin. Ich habe mir jetzt den Ruf erarbeitet, ich würde das Land kaputtsparen. Also ich frage mich, was die Leute zu Hause machen würden, wenn die so einen Haushalt hätten.
Wuttke: Sie schließen nicht aus, dass der Bund am Ende der Tarifverhandlungen höhere Gehälter als die Länder zahlen wird. Eine solche Kluft bei alldem, was Sie erklärt haben, ist doch aber auch für Sie als Sozialdemokrat, um mal mit Franz Müntefering in einem anderen Bild zu sprechen, ganz großer Mist, oder?
Bullerjahn: Ja, das ist jetzt ein bisschen gemein, was Sie machen, aber ich sage gleich, egal wer da verhandelt, er wird nicht das Parteibuch mitnehmen können. Das ist übrigens bei allen meiner Kolleginnen und Kollegen gleich, auf Parteitagen wird es immer erzählt, die Leute brauchen mehr Geld in der Tasche, und ich habe schon ganz viele Ratschläge bekommen, sogar in Zeitungen. Also eine Eins, maximal, darf davor stehen. Das ist auch in der Politik so zwischen Theorie und Praxis das Problem, ich setze auf Vernunft. Ich habe ja mit Frank Bsirske gesprochen, mit dem Beamtenbund, und die wissen doch auch um diese Zahlen, und die wissen auch, dass es um langfristige Planung auch geht. Und was ich ja dann mit diesem Thema Bund auch sagen wollte: Der Bund hat 11 Prozent Personalkosten nur. Andersrum gibt es Länder, die haben die Hälfte ihrer Ausgabe nur fürs Personal in den Büchern. Da kommt auf jede, ich sage mal, Zahl hinter dem Komma an. Und ich sage, wir haben im öffentlichen Dienst eine Sicherheit, eine Planbarkeit, und sind, glaube ich, nicht der schlechteste Arbeitgeber. Und diese Balance, die versuche ich jetzt auch im Kompromiss.
Wuttke: Aber das kann man auch anders sehen. Sie haben ja selber gesagt, man macht Ihnen den Vorwurf, sie würden das Land kaputtsparen. Sie haben angekündigt, sie wollten im öffentlichen Dienst weitere 9.000 Stellen abbauen, um Schulden zu tilgen. Sie haben auf der anderen Seite, wie alle anderen Länder auch, ein großes Problem, Nachwuchs für den öffentlichen Dienst zu finden. Was Sie jetzt anpeilen, macht doch diese Branche noch unattraktiver.
Bullerjahn: Ach, überhaupt nicht. Wenn wir ausschreiben, habe ich Berge von Bewerbungen, ob als Polizisten, ob Strafvollzug, bei Gericht … wir bilden doch Juristen aus ohne Ende, ich frage mich immer, wo die alle bleiben, ja? Selbst wenn die Ministerien mal ausschreiben …
Wuttke: Die warten wahrscheinlich darauf, dann wieder abgebaut zu werden.
Bullerjahn: Ja, ich weiß auch nicht, warum das so vernünftig ist, als Jurist zu enden, weil der öffentliche Dienst kann die gar nicht alle aufnehmen, und dann arbeiten die für einen Appel und ein Ei irgendwo in einer Kanzlei. Für den öffentlichen Dienst kann ich nur sagen, wir haben keine Nachwuchsprobleme. Nur diese 9.000 Stellen, die Sie angesprochen haben – wenn ich das mal machen würde, dann habe ich in zehn Jahren wahrscheinlich um die 12.000, 13.000 Personen abgebaut, aber nicht einem einzigen wurde gekündigt. Und wenn ich diese Zahl erreiche, bin ich erst im Durchschnitt der deutschen Länder. Und da kann mir keiner erklären, warum ein Land wie Sachsen-Anhalt ohne bessere Ergebnisse sich das leisten sollte und dabei die Investitionen zurückfahren muss, weil das Geld nur einmal ausgegeben werden kann.
Wuttke: Das heißt aber, die Aufgaben im öffentlichen Dienst in Sachsen-Anhalt sind so übersichtlich, dass Sie sich diesen sozialverträglichen Abbau leisten können?
Bullerjahn: Das ist das, was ich vorhin sagte, die Sicherheit. Ich gehöre zu denen, die auch sagen, uns macht es ja kaputt, wenn Leute überhaupt nicht ihr Leben planen können, weil sie nur mit Jahresverträgen arbeiten, und deswegen ein öffentlicher Dienst, wie er bei uns vorzufinden ist, der keinem kündigt, aber sagt, hört mal zu, wir werden weniger, das gibt es nicht oft in der Wirtschaft, ob nun die große Commerzbank oder der kleine Metallbau bei uns, der auch morgen vielleicht gar nicht mehr da ist. Das wird zu gering geschätzt von den Leuten, glaube ich, ich will da aber nicht hin, ja?
Und zum anderen sage ich, wenn ich – was wir ja machen zum Beispiel mit einem Programm – sämtliche Kindergärten und Schulen saniere in Sachsen-Anhalt - alle! -die Bestand haben, wenn wir den Kommunen helfen, wo ich zwei Drittel aller Kommunen bis Ende des Jahrzehnts schuldenfrei machen möchte, dann kostet das Geld. Und bisher hat keiner grundsätzlich an diesem Programm was ändern können. Ich habe eine Haushaltsrede gehalten voriges Jahr mit der Überschrift "Freiheit statt Schuldenspirale". Und die Leute haben es grundsätzlich richtig gefunden.
Wuttke: Das heißt, die finden das auch richtig, dass es eigentlich, was die Bezahlung angeht, eine Dreiklassengesellschaft in Deutschland gibt zwischen den neuen und den alten Bundesländern, dann zwischen Bund und Land? Eigentlich ist das doch dem sozialen Frieden nicht zuträglich.
Bullerjahn: Also erstens haben wir die, das ist nicht meine Erfindung. In Bayern wird ganz anders bezahlt. Ich rede jetzt nicht über Lebenshaltungskosten, weil: netto ist immer noch was anderes. Wenn am Ende des Monats jemand seine Miete mal anschaut und all die Kostenbestandteile, vom Kindergarten bis sonst wohin, das ist ja das Spannende: Was unterm Strich habe ich in der Region?
Wuttke: Da kommen wir wieder zum Abendbrottisch.
Bullerjahn: Genau, genau deswegen. Wenn ich aber sehe, dass ich in einer Region jetzt großgeworden bin, wo der Bergbau zusammengebrochen ist, und ich hatte eine Arbeitslosigkeit von 50 Prozent, dann weiß ich den Wert der Arbeit zu schätzen. Und ich habe natürlich, gerade als Sozialdemokrat, schon das Ziel, die Vision, dass irgendwo jeder auskömmlich davon leben kann, was er verdient.
Nur, das kläre ich nicht alles in Tarifverhandlung, das ist eine gesellschaftliche Debatte, die was mit Mindestlohndiskussion zu tun hat, solche Diskussionen: Welche Beiträge zahle ich? Was für Lohnhöhen? Ich war letztens in Skandinavien, da verdienen die Leute mehr und sind trotzdem die glücklichsten auf dieser Welt, weil sie zwischen 50 und 60 Prozent Steuern zahlen, weil sie wissen, es ist für alle da. So eine Debatte, die wünschte ich mir in Deutschland, aber nicht bei den Tarifverhandlungen. Ich kann nicht alle Probleme dieser Welt lösen.
Wuttke: Sagt Jens Bullerjahn, neuer Verhandlungsführer der Länder für die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst, die morgen beginnt. Ich danke Ihnen sehr!
Bullerjahn: Ich auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Bereits im vergangenen Jahr hatte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di 6,3 Prozent mehr Gehalt für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst erstritten. Das Interview mit ver.di-Chef Frank Birske zu diesem Abschluss finden Sie hier:
Bsirske: Unter sechs Prozent hätte es kein Ergebnis gegeben - ver.di-Chef rechtfertigt Tarifabschluss von 6,3 Prozent im öffentlichen Dienst