"Eine enorme Provokation"
Der umstrittene Internet-Unternehmer Kim Schmitz hat unter dem Titel "Mega" einen neuen Online-Speicherdienst gestartet. Mit welchen Tricks dabei der Vorwurf der Daten-Piraterie umschifft werden soll, erklärt der Medienwissenschaftler Jan Distelmeyer.
Stephan Karkowsky: Wer das schlichte Vier-Buchstabenwort "Mega" eingibt in eine Suchmaschine wie Google, hat sie ganz schnell gefunden, die neue Seite des deutschen Filesharing-Tycoons Kim Schmitz. Mit der Internettauschbörse Mega-Upload war Schmitz weltberühmt geworden und berüchtigt: Vor einem Jahr ließ ihn das FBI wegen diverser Piraterievorwürfe in Neuseeland festnehmen und schaltete Mega-Upload ab. Doch die Hausdurchsuchung und die Weitergabe von Unterlagen an die USA waren zumindest in Teilen illegal, entschied später ein neuseeländisches Gericht, weshalb Schmitz nun vor zwei Wochen einen neuen Dienst starten konnte.
Philipp Banse führt uns ein.
Egal, wie das Kind nun heißt, ob RapidShare, Mediafire oder Mega, vielen Usern, vielen Nutzern geht es darum, für möglichst wenig Geld möglichst viele aktuelle Inhalte aus dem Netz zu saugen. Und die Industrie kämpft dagegen an, die will das verhindern. Ob das nicht eigentlich immer schon so war, frage ich Jan Distelmeyer, Professor für Geschichte und Theorie der technischen Medien an der Fachhochschule Potsdam. Herr Distelmeyer, guten Morgen!
Jan Distelmeyer: Guten Morgen!
Karkowsky: Lässt sich diese Situation heute vergleichen mit der Einführung der Kassettenrekorder in den 60er-Jahren?
Distelmeyer: Nein, das kann man, glaube ich, nicht vergleichen, und das liegt daran, dass die Arbeit mit Computern immer auf zwei Ebenen funktioniert. Die eine Ebene ist die Rechnerebene, dass Daten berechenbar werden, prozessierbar werden. Und die kulturelle Ebene ist für den Rechner erstmal egal. Also, ob das Bilder, Filme oder Töne sind, sie werden erst dann wichtig, wenn wir dazu Zugang haben sollen über die Ausgabemedien, und dann wird es wieder analog. Und so lange es digital bleibt, also berechenbar bleibt, ist das dem Rechner egal. Das heißt aber auch, dass mit diesen Dateien alles gemacht werden kann, was Rechner tun können damit, und da gibt es einen großen Unterschied.
Karkowsky: Der Unterschied ist ja auch der, dass in Zeiten von Tonband, Kassette und DAT jemand noch monatelang die Aufnahmetaste hätte drücken müssen, um die komplette Plattensammlung des Bruders zu kopieren. Heute reicht dafür ein Knopfdruck. Hat das auch die Lage verändert?
Distelmeyer: Genau. Die Prozessierbarkeit dieser Daten und das damit einhergehende – oder der Mythos des Digitalen, der auch bedeutet, dass es ein verlustfreies Kopieren gäbe, all das mit dem Tempo und der Möglichkeit, es zu verbreiten, über Rechner und über Server, ist der große Unterschied.
Karkowsky: Megaupload ist tot, es lebe Mega – was zeigt Ihnen dieses Beispiel?
Distelmeyer: Das zeigt mir vor allen Dingen, dass es eine enorme Provokation ist, die von Kim Schmitz oder von Kim Dotcom ausgeht, wenn er einerseits sagt, er hätte einen Vorschlag, wie man Piraterie bekämpfen könnte und gleichzeitig vorgibt, dass auf seiner Plattform Mega diese kulturelle Ebene, also ob es Filme sind oder Musik oder Bilder oder Bücher, überhaupt keine Rolle spiele. Und das ist dieser Trick mit der userkontrollierten Verschlüsselung, die die Seite anbietet, weil damit Mega sagen kann, wir wissen gar nicht, was für Daten auf unseren Servern liegen und es kommt uns nur auf die Daten an, also nur auf die Rechnerebene, die kulturelle Ebene ist uns eigentlich wurscht, und darf uns auch gar nicht interessieren, weil wir dürfen gar nicht wissen, was das kulturell bedeutet. Und wenn man gleichzeitig aber über den Versuch spricht, wie man Kulturelles in Kapital verwandeln kann, ist das ein Widerspruch, und der ist, glaube ich, ganz wichtig, für diese Plattform.
Karkowsky: Die Gesetze zwingen ihn natürlich dazu. Wenn er zugeben würde, dass er wüsste, dass auf seinen Servern raubkopierte Daten liegen, die von anderen wiederum kopiert werden, dann würde er sofort ins Gefängnis kommen. Glauben Sie denn, er kommt mit dieser Masche durch, mit dieser Verschlüsselungsmethode?
Distelmeyer: Ich weiß es nicht. Es gibt eine inoffizielle Suchplattform jetzt zu Mega, und die erlaubt, mit einem Klick zu schauen, was für Videos darauf liegen oder was für Musik da drauf liegt. Und man fragt sich, wie kommen diese Informationen auf diese Suchplattform? Kim Schmitz weist natürlich jegliche Beteiligung von sich, aber die zeigt schon ziemlich deutlich, dass, wenn man daran Interesse hat, nachzuweisen, dass da Dateien drauf liegen, die auf der kulturellen Ebene eine Verletzung des Urheberrechts darstellen – das wird, glaube ich, nicht so schwer, das nachzuweisen.
Karkowsky: Die Dienste, wie Megaupload jetzt auch Mega, geraten schnell in Verdacht, dass sie vor allen Dingen dazu da sind, um geschützte Inhalte illegal zu kopieren. Wie ist das eigentlich mit den Cloud-Diensten, die überall aus den Wolken sprießen, wie zum Beispiel iCloud von Apple? Ist das eigentlich was ganz anderes?
Distelmeyer: Es ist was anderes insofern als – bei der Präsentation von Steve Jobs, einer der letzten Auftritte, in der er die iCloud präsentiert hat, gab es einen Moment, wo er sagte: "Now some people think the iCloud is just another Harddisk in the sky", also eine Festplatte im Himmel. Und dann gab es ein Symbol dieser Apple-Festplatte und alle lachten, und dann gab es eine Rückverwandlung in die Wolke, und das zeigte eigentlich an, dass – einerseits stimmt das natürlich, es ist eine Art Server irgendwo, nicht in den Wolken, sondern in irgendwelchen Wüsten in Nevada, aber die iCloud ist noch ein anderer Service, und zwar geht es da um das automatische Synchronisieren von Daten auf verschiedenen Apparaten, die man besitzt, also zwischen zum Beispiel dem Rechner zu Hause und dem iPhone in der Hosentasche. Und diese Synchronisierung beruft sich natürlich auch auf das Synchronisieren von Daten, die halt Bilder sind oder eben Musik, und das wissen muss, dass es das ist, damit die mit den Programmen operieren können. Und all das will natürlich die Mega-Plattform gar nicht wissen wollen, denn dann müsste man ja überprüfen, ob das rechtmäßige Dateien sind, oder ob die in irgendeiner Weise gegen Urheberrecht verstoßen.
Karkowsky: Wer nun theoretisch alle Inhalte jederzeit kostenlos illegal zur Verfügung hat, ist der dann überhaupt noch bereit, Geld auszugeben für legale Angebote, also für iTunes, für Lovefilm, Maxdome und diese ganzen Videodownloadportale, oder sind die Portale dann nur noch für die Ehrlichen und die Doofen, die einfach nicht wissen, wo man Sachen kostenlos kriegt?
Distelmeyer: Ich glaube, das kann niemand beantworten. Das Argument von Kim Schmitz war ja, wenn man es günstig macht und jederzeit verfügbar und automatisch für alle weltweit verfügbar, dann würde man Piraterie eindämmen können. Ich bin da insofern skeptisch, weil es eben um Daten geht, die von Programmen prozessiert und interpretiert werden können, es eigentlich überhaupt keine Möglichkeit gibt, auf der Programmierebene das komplett zu verhindern. Weil alles, was im Rechner passiert, unterwirft sich Programmen, und da hat am Ende der oder die die Oberhand, der oder die am besten programmieren kann. Und für mich ist das Rennen innerhalb der rechnerbasierten Medien immer ein Rennen um Macht, und das ist auch seit der ersten Hackerideen und der ersten Möglichkeiten der Industrie, damit Geld zu verdienen, wo es immer um das Versprechen von Kontrolle geht und Verfügbarkeit – es geht immer um Macht und um Machtfragen und um Machtspiele in diesem digitalen Bereich.
Karkowsky: Sie reden natürlich von den technischen Möglichkeiten, aber es gibt ja auch eine Ethik und Moral von Usern, und da hat Kim Schmitz ja schon einen Punkt getroffen, als er seine fünf Schritte zur Abschaffung der Piraterie getwittert hat, ich kann es ja noch mal zitieren. Er schreibt, man müsse erstens großartige Inhalte schaffen, zweitens den Kauf dieser Inhalte so einfach wie möglich machen, drittens fordert er eine weltweite Veröffentlichung am gleichen Tag, viertens einen fairen Preis und fünftens ein Format, das auf jedem Gerät abspielbar ist. Damit trifft er natürlich viele, die sagen, ich würde gar keine Inhalte downloaden, wenn diese Inhalte zu einem fairen Preis zu dem Zeitpunkt, wo ich sie haben möchte, verfügbar wären.
Distelmeyer: Das stimmt natürlich. Die Frage ist natürlich, wer bestimmt "fair" in dem Zusammenhang, und auch, was heißt "Inhalte" und was heißt "Verfügbarkeit". Ich glaube, wir müssen auch unterscheiden zwischen genau dieser Rechnerebene, in der die Daten Daten sind und die kulturelle Ebene egal, und der kulturellen Ebene, in dem es auch eventuell einen Unterschied macht, ob ich einen Film im Kino sehe oder zu Hause auf DVD oder auf dem Smartphone. Und Kim Schmitz wehrt sich vor allen Dingen gegen die Industrie der Filmlandschaft und den Versuch, dass man Filme zunächst im Kino aufführt und dann erst als Dateien veröffentlicht. Wenn man allerdings ein Interesse daran hat, dass das Kino als Dispositiv weiter existiert, hat man ein Problem in dem Augenblick, in dem man sagt, wir veröffentlichen alles zur gleichen Zeit und ermöglichen damit natürlich auch, dass der erste Schritt eben nicht mehr ins Kino geht, sondern woanders hin. Das ist vielleicht nicht schlimm, dann stirbt das Kino vielleicht auch, aber das ist nicht im Sinne der amerikanischen Filmindustrie.
Karkowsky: Was halten Sie denn eigentlich davon, was immer wieder angeführt wird, dass Menschen, die viel raubkopieren, auch diejenigen sind, die am meisten Geld ausgeben für die Musik- und Filmindustrie, also am meisten CDs und DVDs kaufen?
Distelmeyer: Es gibt Studien, die sagen das, es gibt wiederum andererseits in Userforen Kommentare, die sagen, warum soll ich überhaupt für irgendwas Geld ausgeben, ich habe das noch nie getan und ich würde das auch nicht tun wollen. Und da gibt es verschiedene Fraktionen. Ich bin nicht sicher, wie die verteilt sind, und in welcher Weise da wer die Oberhand hat. Mir ist nur eines klar: Solange wir auf der Logik der Rechner operieren, gibt es keinen wirklichen Schutz vor dem, was man Piraterie nennt.
Karkowsky: Die Guten, die Bösen und Kim Schmitz. Zum Start des Datentauschdienstes Mega hörten Sie Jan Distelmeyer. Er ist Professor für Geschichte und Theorie der technischen Medien an der Fachhochschule Potsdam. Danke, dass Sie bei uns waren!
Distelmeyer: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Egal, wie das Kind nun heißt, ob RapidShare, Mediafire oder Mega, vielen Usern, vielen Nutzern geht es darum, für möglichst wenig Geld möglichst viele aktuelle Inhalte aus dem Netz zu saugen. Und die Industrie kämpft dagegen an, die will das verhindern. Ob das nicht eigentlich immer schon so war, frage ich Jan Distelmeyer, Professor für Geschichte und Theorie der technischen Medien an der Fachhochschule Potsdam. Herr Distelmeyer, guten Morgen!
Jan Distelmeyer: Guten Morgen!
Karkowsky: Lässt sich diese Situation heute vergleichen mit der Einführung der Kassettenrekorder in den 60er-Jahren?
Distelmeyer: Nein, das kann man, glaube ich, nicht vergleichen, und das liegt daran, dass die Arbeit mit Computern immer auf zwei Ebenen funktioniert. Die eine Ebene ist die Rechnerebene, dass Daten berechenbar werden, prozessierbar werden. Und die kulturelle Ebene ist für den Rechner erstmal egal. Also, ob das Bilder, Filme oder Töne sind, sie werden erst dann wichtig, wenn wir dazu Zugang haben sollen über die Ausgabemedien, und dann wird es wieder analog. Und so lange es digital bleibt, also berechenbar bleibt, ist das dem Rechner egal. Das heißt aber auch, dass mit diesen Dateien alles gemacht werden kann, was Rechner tun können damit, und da gibt es einen großen Unterschied.
Karkowsky: Der Unterschied ist ja auch der, dass in Zeiten von Tonband, Kassette und DAT jemand noch monatelang die Aufnahmetaste hätte drücken müssen, um die komplette Plattensammlung des Bruders zu kopieren. Heute reicht dafür ein Knopfdruck. Hat das auch die Lage verändert?
Distelmeyer: Genau. Die Prozessierbarkeit dieser Daten und das damit einhergehende – oder der Mythos des Digitalen, der auch bedeutet, dass es ein verlustfreies Kopieren gäbe, all das mit dem Tempo und der Möglichkeit, es zu verbreiten, über Rechner und über Server, ist der große Unterschied.
Karkowsky: Megaupload ist tot, es lebe Mega – was zeigt Ihnen dieses Beispiel?
Distelmeyer: Das zeigt mir vor allen Dingen, dass es eine enorme Provokation ist, die von Kim Schmitz oder von Kim Dotcom ausgeht, wenn er einerseits sagt, er hätte einen Vorschlag, wie man Piraterie bekämpfen könnte und gleichzeitig vorgibt, dass auf seiner Plattform Mega diese kulturelle Ebene, also ob es Filme sind oder Musik oder Bilder oder Bücher, überhaupt keine Rolle spiele. Und das ist dieser Trick mit der userkontrollierten Verschlüsselung, die die Seite anbietet, weil damit Mega sagen kann, wir wissen gar nicht, was für Daten auf unseren Servern liegen und es kommt uns nur auf die Daten an, also nur auf die Rechnerebene, die kulturelle Ebene ist uns eigentlich wurscht, und darf uns auch gar nicht interessieren, weil wir dürfen gar nicht wissen, was das kulturell bedeutet. Und wenn man gleichzeitig aber über den Versuch spricht, wie man Kulturelles in Kapital verwandeln kann, ist das ein Widerspruch, und der ist, glaube ich, ganz wichtig, für diese Plattform.
Karkowsky: Die Gesetze zwingen ihn natürlich dazu. Wenn er zugeben würde, dass er wüsste, dass auf seinen Servern raubkopierte Daten liegen, die von anderen wiederum kopiert werden, dann würde er sofort ins Gefängnis kommen. Glauben Sie denn, er kommt mit dieser Masche durch, mit dieser Verschlüsselungsmethode?
Distelmeyer: Ich weiß es nicht. Es gibt eine inoffizielle Suchplattform jetzt zu Mega, und die erlaubt, mit einem Klick zu schauen, was für Videos darauf liegen oder was für Musik da drauf liegt. Und man fragt sich, wie kommen diese Informationen auf diese Suchplattform? Kim Schmitz weist natürlich jegliche Beteiligung von sich, aber die zeigt schon ziemlich deutlich, dass, wenn man daran Interesse hat, nachzuweisen, dass da Dateien drauf liegen, die auf der kulturellen Ebene eine Verletzung des Urheberrechts darstellen – das wird, glaube ich, nicht so schwer, das nachzuweisen.
Karkowsky: Die Dienste, wie Megaupload jetzt auch Mega, geraten schnell in Verdacht, dass sie vor allen Dingen dazu da sind, um geschützte Inhalte illegal zu kopieren. Wie ist das eigentlich mit den Cloud-Diensten, die überall aus den Wolken sprießen, wie zum Beispiel iCloud von Apple? Ist das eigentlich was ganz anderes?
Distelmeyer: Es ist was anderes insofern als – bei der Präsentation von Steve Jobs, einer der letzten Auftritte, in der er die iCloud präsentiert hat, gab es einen Moment, wo er sagte: "Now some people think the iCloud is just another Harddisk in the sky", also eine Festplatte im Himmel. Und dann gab es ein Symbol dieser Apple-Festplatte und alle lachten, und dann gab es eine Rückverwandlung in die Wolke, und das zeigte eigentlich an, dass – einerseits stimmt das natürlich, es ist eine Art Server irgendwo, nicht in den Wolken, sondern in irgendwelchen Wüsten in Nevada, aber die iCloud ist noch ein anderer Service, und zwar geht es da um das automatische Synchronisieren von Daten auf verschiedenen Apparaten, die man besitzt, also zwischen zum Beispiel dem Rechner zu Hause und dem iPhone in der Hosentasche. Und diese Synchronisierung beruft sich natürlich auch auf das Synchronisieren von Daten, die halt Bilder sind oder eben Musik, und das wissen muss, dass es das ist, damit die mit den Programmen operieren können. Und all das will natürlich die Mega-Plattform gar nicht wissen wollen, denn dann müsste man ja überprüfen, ob das rechtmäßige Dateien sind, oder ob die in irgendeiner Weise gegen Urheberrecht verstoßen.
Karkowsky: Wer nun theoretisch alle Inhalte jederzeit kostenlos illegal zur Verfügung hat, ist der dann überhaupt noch bereit, Geld auszugeben für legale Angebote, also für iTunes, für Lovefilm, Maxdome und diese ganzen Videodownloadportale, oder sind die Portale dann nur noch für die Ehrlichen und die Doofen, die einfach nicht wissen, wo man Sachen kostenlos kriegt?
Distelmeyer: Ich glaube, das kann niemand beantworten. Das Argument von Kim Schmitz war ja, wenn man es günstig macht und jederzeit verfügbar und automatisch für alle weltweit verfügbar, dann würde man Piraterie eindämmen können. Ich bin da insofern skeptisch, weil es eben um Daten geht, die von Programmen prozessiert und interpretiert werden können, es eigentlich überhaupt keine Möglichkeit gibt, auf der Programmierebene das komplett zu verhindern. Weil alles, was im Rechner passiert, unterwirft sich Programmen, und da hat am Ende der oder die die Oberhand, der oder die am besten programmieren kann. Und für mich ist das Rennen innerhalb der rechnerbasierten Medien immer ein Rennen um Macht, und das ist auch seit der ersten Hackerideen und der ersten Möglichkeiten der Industrie, damit Geld zu verdienen, wo es immer um das Versprechen von Kontrolle geht und Verfügbarkeit – es geht immer um Macht und um Machtfragen und um Machtspiele in diesem digitalen Bereich.
Karkowsky: Sie reden natürlich von den technischen Möglichkeiten, aber es gibt ja auch eine Ethik und Moral von Usern, und da hat Kim Schmitz ja schon einen Punkt getroffen, als er seine fünf Schritte zur Abschaffung der Piraterie getwittert hat, ich kann es ja noch mal zitieren. Er schreibt, man müsse erstens großartige Inhalte schaffen, zweitens den Kauf dieser Inhalte so einfach wie möglich machen, drittens fordert er eine weltweite Veröffentlichung am gleichen Tag, viertens einen fairen Preis und fünftens ein Format, das auf jedem Gerät abspielbar ist. Damit trifft er natürlich viele, die sagen, ich würde gar keine Inhalte downloaden, wenn diese Inhalte zu einem fairen Preis zu dem Zeitpunkt, wo ich sie haben möchte, verfügbar wären.
Distelmeyer: Das stimmt natürlich. Die Frage ist natürlich, wer bestimmt "fair" in dem Zusammenhang, und auch, was heißt "Inhalte" und was heißt "Verfügbarkeit". Ich glaube, wir müssen auch unterscheiden zwischen genau dieser Rechnerebene, in der die Daten Daten sind und die kulturelle Ebene egal, und der kulturellen Ebene, in dem es auch eventuell einen Unterschied macht, ob ich einen Film im Kino sehe oder zu Hause auf DVD oder auf dem Smartphone. Und Kim Schmitz wehrt sich vor allen Dingen gegen die Industrie der Filmlandschaft und den Versuch, dass man Filme zunächst im Kino aufführt und dann erst als Dateien veröffentlicht. Wenn man allerdings ein Interesse daran hat, dass das Kino als Dispositiv weiter existiert, hat man ein Problem in dem Augenblick, in dem man sagt, wir veröffentlichen alles zur gleichen Zeit und ermöglichen damit natürlich auch, dass der erste Schritt eben nicht mehr ins Kino geht, sondern woanders hin. Das ist vielleicht nicht schlimm, dann stirbt das Kino vielleicht auch, aber das ist nicht im Sinne der amerikanischen Filmindustrie.
Karkowsky: Was halten Sie denn eigentlich davon, was immer wieder angeführt wird, dass Menschen, die viel raubkopieren, auch diejenigen sind, die am meisten Geld ausgeben für die Musik- und Filmindustrie, also am meisten CDs und DVDs kaufen?
Distelmeyer: Es gibt Studien, die sagen das, es gibt wiederum andererseits in Userforen Kommentare, die sagen, warum soll ich überhaupt für irgendwas Geld ausgeben, ich habe das noch nie getan und ich würde das auch nicht tun wollen. Und da gibt es verschiedene Fraktionen. Ich bin nicht sicher, wie die verteilt sind, und in welcher Weise da wer die Oberhand hat. Mir ist nur eines klar: Solange wir auf der Logik der Rechner operieren, gibt es keinen wirklichen Schutz vor dem, was man Piraterie nennt.
Karkowsky: Die Guten, die Bösen und Kim Schmitz. Zum Start des Datentauschdienstes Mega hörten Sie Jan Distelmeyer. Er ist Professor für Geschichte und Theorie der technischen Medien an der Fachhochschule Potsdam. Danke, dass Sie bei uns waren!
Distelmeyer: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.