Eine Entdeckung als Autor

Über 100 Bücher hat Herbert Schlüter aus dem Italienischen, Französischen, Englischen übertragen. "Ich kann halt gut Deutsch", kommentierte der 94-Jährige im Jahr 2000 lapidar. Dass Schlüter in seiner Jugend aber zurecht auch als begabter Autor galt, davon kann man sich jetzt überzeugen. Sein Roman "Nach fünf Jahren" wurde wieder aufgelegt - und ist eine Entdeckung.
1927 war sein Debütband mit Erzählungen erschienen, 1932 sein erster Roman, für den er sehr gelobt wurde, er galt als besonderes Talent. Sein zweiter Roman "Nach fünf Jahren" wurde 1933 - trotz Empfehlung des Lektors Oskar Loerke - im Fischer Verlag mit der Begründung abgelehnt, er passe nicht mehr in die Zeit.

Herbert Schlüter verließ Nazi-Deutschland mit "Abscheu, vor dem, was da aufkam", er ging freiwillig ins Exil, lebte in den folgenden Jahren in Spanien, Griechenland, Italien. Dort wurde er 1941 als Dolmetscher zur Luftwaffe eingezogen. Dass er nach dem Krieg in Deutschland blieb, war der überraschenden Veröffentlichung seines Romans "Nach fünf Jahren" zu danken.

Die damit verbundene Hoffnung auf eine neue Beachtung als Autor erfüllte sich jedoch nicht. Schlüter zog nach München, war Redakteur, später ein vielbeschäftigter und renommierter Übersetzer, konnte aber nie mehr anknüpfen an den frühen literarischen Erfolg. Wahrscheinlich passte er wieder nicht in die neue Zeit.

Der kleine Düsseldorfer Lilienfeld Verlag hat nun eine Neuausgabe dieses wunderbaren Romans herausgebracht. Und man liest da begeistert eine wehmütige und kluge Geschichte über erste Liebe und verwirrende Enttäuschungen, über die Zeit, die die Menschen verändert und das Staunen eines jungen Mannes, der sich erinnert, wie alles begann.

13-jährig besucht der Ich-Erzähler seine ungewöhnliche, alleinlebende Cousine auf deren märkischem Landgut. Er beobachtet, was um ihn herum passiert, welche Wirkung die erfüllte und auch die unerfüllte Liebe hat. Fünf Jahre später kehrt er zurück, sieht, was aus einem einst scheuen Liebespaar geworden ist und was aus seiner liebeskranken Verwandten. Er begreift, warum und wie die Eifersucht funktioniert und konstatiert angesichts der Reaktionen auf den Tod der Cousine, wie fragwürdig doch die Rührungen der Menschen sind. Fast nebenbei verliebt er sich auch selber.

Herbert Schlüter konnte in der Tat nicht nur "gut Deutsch", vor allem verfügte er über einen wunderbar melancholischen Ton und einen genauen Blick auf Menschen, die eben noch jung, offen und wandelbar scheinen und ein paar Jahre später schon zu unverrückbaren Stützen der Gesellschaft geworden sind.

Rezensiert von Manuela Reichart

Herbert Schlüter: Nach fünf Jahren
Roman, Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2008,
192 Seiten, 19,90 Euro