"Eine fruchtbare Zeit"

Patrick Findeis im Gespräch mit Joachim Scholl |
Der Berliner Schriftsteller Patrick Findeis wurde mit "Kein schöner Land" bekannt. Im Künstlerhaus Lukas in Ahrenshoop residiert er derzeit mit sechs anderen Künstlern. Bei einem gemeinsam Essen konnte er mit einer schmackhaften Joghurtsoße glänzen.
Joachim Scholl: Patrick Findeis ist zurzeit ganz real auf dem Land, nämlich im
Künstlerhaus Ahrenshoop an der Ostsee, und jetzt am Telefon, guten Tag, Herr Findeis!

Patrick Findeis: Guten Tag, Herr Scholl!

Scholl: So, Ihre Joghurtsoße, die hat also schon mal eingeschlagen. Was ist denn da Ihr besonderer Kniff?

Findeis: Ach, das ist gar kein Kniff, das ist nur, dass man den richtigen Joghurt kauft, griechischen, und ein bisschen Knoblauch und Salz ranmacht. Das war’s schon.

Scholl: War es denn dann auch genauso, wie wir gerade gehört haben, Herbergsmutter Gerlinde Creutzburg lädt zu Kaffee und Kuchen und man plaudert nett?

Findeis: Das kommt schon mal vor, ja, und es gibt einen sehr guten Kuchen hier mit, glaube ich, sogar selbstgepflückten Beeren, ganz sicher bin ich mir nicht, aber so schmeckten sie zumindest.

Scholl: "Kein schöner Land" heißt Ihr preisgekrönter Debütroman, im letzten Jahr erschienen, darin verarbeiten Sie Erfahrungen, die Sie selbst gemacht haben. Sie kommen von der Schwäbischen Alb. Wie steht denn die Mecklenburgische Provinz, in der Sie sich gerade aufhalten, im Vergleich da?

Findeis: Ich denke mal, hinter dem Deckmäntelchen wahrscheinlich sehr ähnlich. Es ist eben eine sehr schöne Provinz, sehr malerisch, aber ich glaube, die Abgründe und die … oder auch alles andere, die Freuden und Leiden sind wahrscheinlich dieselben wie auf der Schwäbischen Ostalb.

Scholl: Und wie gefällt Ihnen nun das Meer?

Findeis: Ach, das Meer ist wunderbar, ich bin ja zum ersten Mal an der Ostsee und das ist schon auf jeden Fall eine Reise wert. Und wenn man dann noch einen Monat hier sein kann, ist es natürlich doppelt so schön.

Scholl: Nun sind Sie schon länger ein Berliner, Patrick Findeis, es gibt ja, wenn man auf dem Land geboren ist, im Grunde zwei Mentalitäten: Die einen finden es schön und bleiben dann auch da, die anderen wollen möglichst schnell weg. Wenn man Ihren Roman liest, hat man den Eindruck, dass Sie eher zum zweiten Typus hin tendieren. Welches Verhältnis haben Sie denn zur Provinz?

Findeis: Ach, das Verhältnis – das stimmt schon, was Sie sagen, dass ich eher zum zweiten Typus hin tendiere und relativ schnell wegging, sobald ich meine Ausbildung abgeschlossen hatte. Aber mittlerweile, mit zunehmendem Alter, wenn man davon sprechen kann, so ab 30 änderte sich das schon, dass ich Gefallen finde am Landleben. Natürlich sind diese dörflichen Strukturen und alles mögliche, da bin ich schon froh, in Berlin zu leben, aber so hin und wieder ist das, finde ich, eine schöne Sache ganz einfach.

Scholl: Der Mecklenburger, den hat Uwe Johnson ja literarisch verewigt in seinen Büchern, vor allem den "Jahrestagen". Sie sind nun vergleichsweise kurz in Ahrenshoop, aber vielleicht haben Sie doch schon ein bisschen Kontakt geknüpft oder ein bisschen auch Mentalität geschnuppert. Wie würden Sie denn den Typus des Mecklenburgers beschreiben, so wie er Ihnen begegnet ist?

Findeis: Ja, das ist momentan relativ schwierig, weil man schwer unterscheiden kann, ob man gerade einem Mecklenburger begegnet oder einem Touristen, der von anderswo herkommt. Aber ich würde ihn relativ ähnlich wie ich Uwe Johnson einschätzen würde, so ein bisschen ein eigensinniger, bisschen halsstarrig mit einem großen Kopf.

Scholl: Bisschen knurrig und still.

Findeis: Knurrig, genau, ja.

Scholl: Was haben Sie sich denn vorgenommen in Ahrenshoop? Kommen Sie zum arbeiten?

Findeis: Ich komme dazu, ja, ich wollte mit meinem zweiten Roman beginnen, mit dem ich eigentlich schon begonnen hatte, aber dann kamen noch die letzten Überarbeitungen an meinem jetzt gerade erschienenen Buch dazwischen, und dazu wollte ich natürlich hier, ein wenig zumindest, in Klausur gehen und natürlich auch Eindrücke sammeln.

Scholl: Und, hat es geklappt?

Findeis: Es hat bisher ganz gut geklappt, ja, jetzt ist ja natürlich der Urlaub oder das Stipendium auch bald vorbei, aber es war, würde ich schon sagen, eine fruchtbare Zeit.

Scholl: Am Stipendium Ahrenshoop ist ja der besondere Reiz, dass man als Gruppe residiert gewissermaßen. Sie sind mit weiteren sechs Künstlern im Künstlerhaus in diesem Monat. Da sind meistens alle Künste vertreten Musik, Malerei, Dichtung. Wie gestaltet sich denn dieser Kontakt?

Findeis: Das ist sehr, sehr gut, sehr fruchtbar, das ist eben, weil man sich als Schriftsteller natürlich – oder auch als Künstler – oft mit Leuten umgibt, die eine ähnliche Herangehensweise, eine ähnliche Sichtweise haben. Und das ist das Schöne dann, wenn man hier quasi zu siebt angespült wird sprichwörtlich und auch auf gegenseitige Aspekte trifft von wie Kunst machen oder was Kunst ist oder was sie aussagen soll, was Literatur sein soll, was bildende Kunst sein soll, und das ist sehr schön, sehr fruchtbar auch.

Scholl: Wen haben Sie denn da Interessantes getroffen?

Findeis: Ach, alle möglichen, ich will jetzt gar nicht mal jemanden herausheben, es sind eben … Ich bin neben einer isländischen Autorin der einzige Autor, was auch ganz schön ist, mit fremdsprachigen Autoren über Literatur zu sprechen, und natürlich dann die bildenden und Konzeptkünstler, die hier … Der bekannteste ist wahrscheinlich der Maler Dieter Goltzsche, der hier momentan ist. Eigentlich ist das eine sehr fruchtbare Sache, wenn man sich ganz neue Eindrücke und Sichtweisen von Darstellungen, von Kunst, von allem möglichen eben holen kann.

Scholl: Ihr Aufenthalt geht in dieser Woche zu Ende, was werden Sie denn aus Ahrenshoop mitnehmen, Herr Findeis, so an Atmosphäre, Anregungen oder Ideen?

Findeis: Das ist eine schwierige Frage, das kann ich wahrscheinlich beantworten, wenn ich dann wieder in Berlin bin, aber was ich auf jeden Fall mitnehme, ist, wie schnell das Wetter hier wechseln kann. Ja, diese ganze Geschichte, die dieser Ort hat, auch von Schriftstellern, Brecht und Heiner Müller und wer alles hier war, dass man das auch spürt, finde ich. Es ist ein sehr kulturträchtiger Ort, auch von der Landschaft und von der ganzen Aura, möchte ich jetzt nicht sagen, aber von der Stimmung.

Scholl: Dann wünschen wir Ihnen noch schöne, produktive Tage, vielen Dank, Patrick Findeis!

Findeis: Sehr gerne!
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