"Eine Fülle von kleinen Erfolgen"
Er ist die höchste Rechtsinstanz der Vereinten Nationen: der Internationale Gerichtshof , auf Englisch International Court of Justice (ICJ), der 1946 gegründet wurde und im niederländischen Den Haag seinen Sitz hat. Er verkörpert die Verwirklichung eines Traumes: politische Konflikte zwischen Ländern nicht durch Kriege, sondern durch das internationale Recht zu entscheiden.
Deutschlandradio Kultur sprach anlässlich des Jubiläums mit Christian J. Tams, Völkerrechtler an der Kieler Christian-Albrechts-Universität. Lesen Sie hier einen Ausschnitt aus dem Gespräch:
Meyer: In Den Haag haben drei wichtige internationale Gerichtsinstanzen ihren Sitz. Können Sie eingangs noch einmal den Unterschied erklären?
Tams: Ja, selbst unter Juristen und Völkerwissenschaftlern sorgt das immer für Verwirrung. Es gibt drei Gerichte in Den Haag, die immer wieder verwechselt werden, weil sie auch ähnlich klingen. Der Internationale Gerichtshof ist das älteste dieser Gerichte. Er hat heute 60. Geburtstag und er ist zuständig zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten. Und davon zu unterscheiden sind zwei andere Gerichte, die zuständig sind für die Anklage gegen Personen: da gibt es einmal das Jugoslawien-Tribunal (…) und als drittes ein Gericht, das schon gegründet wurde, aber noch nicht voll aktiv ist: das ist der Internationale Strafgerichtshof, der in Rom 1998 gegründet wurde, aber seinen Sitz in Den Haag haben wird. Der ist zuständig allgemein für Anklagen gegen Personen wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.
(…)
Meyer: Gibt es denn in der jetzt 60-jährigen Geschichte des Gerichtshofs Glanzpunkte, wo man sagen könnte, da hat er tatsächlich einen Krieg verhindert?
Tams: Es gibt viele kleine Glanzpunkte. Man sucht immer die großen Glanzlichter, aber vielleicht ist das eigentliche Glanzlicht die Fülle der vielen kleinen Erfolge, also nicht der eine spektakuläre Fall. Aber die Tatsache, dass der Internationale Gerichtshof dazu beigetragen hat, dass eine Fülle von kleinen Kriegen, von denen wir gar nicht gehört haben, verhindert werden. Es gibt große Konflikte - etwa aus dem vergangenen Jahr im Fall Kongo gegen Uganda, in dem der Gerichtshof sich sehr, sehr klar dazu geäußert hat, dass Uganda die Besetzung des Kongo in einem der schlimmsten Bürgerkriege der letzten Jahrzehnte sich völkerrechtlich verantwortlich gemacht hat. Kongo wird nun Wiedergutmachung leisten müssen, das ist wahrscheinlich ein großes Glanzlicht. Wichtiger sind die vielen kleinen Konflikte zwischen afrikanischen, lateinamerikanischen Staaten, wo es um Grenzfragen geht, wo Truppen aufmarschiert waren und wo die Parteien letztendlich die Vernunft besessen haben, sich zum Internationalen Gerichtshof zu wenden und dieser hat dann den zugrunde liegenden Konflikt gelöst, so dass es dann eben nicht zu einem Krieg kam.
(…)
Meyer: Einige der großen Mächte dieser Welt stehen dem Gerichtshof zum Teil skeptisch gegenüber. Sie haben den Internationalen Strafgerichtshof angeführt, der bis heute von den USA nicht anerkannt wird. Wie stehen denn die großen Mächte zum Internationalen Gerichtshof?
Tams: Das ist unterschiedlich und hat sich über die Zeit entwickelt. Was die USA angeht, kann man feststellen, dass es eine negative Entwicklung gegeben hat. Die Vereinigten Staaten waren quasi Pate des Internationalen Gerichtshofs und Förderer für eine Internationale Gerichtsbarkeit für eine lange Zeit und haben sich seit den 80ern langsam, aber stetig vom Internationalen Gerichtshof zurückgezogen, indem sie seine Zuständigkeit nicht mehr allgemein anerkennen. Ähnliches gilt für Frankreich. Bei Russland ist es anders zu beurteilen. Da war es bis 1989 eisiges Schweigen und seitdem hat sich Russland dem Gerichtshof zugewandt, ähnlich wie viele Staaten des ehemaligen Ostblocks. Aber man kann schon sagen, der Gerichtshof hat mehr Schwierigkeiten seine Urteile gegen die großen Mächte durchzusetzen, als gegen kleine und mittlere Staaten.
Das vollständige Gespräch mit dem Völkerrechtler Christian Tams können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
Meyer: In Den Haag haben drei wichtige internationale Gerichtsinstanzen ihren Sitz. Können Sie eingangs noch einmal den Unterschied erklären?
Tams: Ja, selbst unter Juristen und Völkerwissenschaftlern sorgt das immer für Verwirrung. Es gibt drei Gerichte in Den Haag, die immer wieder verwechselt werden, weil sie auch ähnlich klingen. Der Internationale Gerichtshof ist das älteste dieser Gerichte. Er hat heute 60. Geburtstag und er ist zuständig zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten. Und davon zu unterscheiden sind zwei andere Gerichte, die zuständig sind für die Anklage gegen Personen: da gibt es einmal das Jugoslawien-Tribunal (…) und als drittes ein Gericht, das schon gegründet wurde, aber noch nicht voll aktiv ist: das ist der Internationale Strafgerichtshof, der in Rom 1998 gegründet wurde, aber seinen Sitz in Den Haag haben wird. Der ist zuständig allgemein für Anklagen gegen Personen wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.
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Meyer: Gibt es denn in der jetzt 60-jährigen Geschichte des Gerichtshofs Glanzpunkte, wo man sagen könnte, da hat er tatsächlich einen Krieg verhindert?
Tams: Es gibt viele kleine Glanzpunkte. Man sucht immer die großen Glanzlichter, aber vielleicht ist das eigentliche Glanzlicht die Fülle der vielen kleinen Erfolge, also nicht der eine spektakuläre Fall. Aber die Tatsache, dass der Internationale Gerichtshof dazu beigetragen hat, dass eine Fülle von kleinen Kriegen, von denen wir gar nicht gehört haben, verhindert werden. Es gibt große Konflikte - etwa aus dem vergangenen Jahr im Fall Kongo gegen Uganda, in dem der Gerichtshof sich sehr, sehr klar dazu geäußert hat, dass Uganda die Besetzung des Kongo in einem der schlimmsten Bürgerkriege der letzten Jahrzehnte sich völkerrechtlich verantwortlich gemacht hat. Kongo wird nun Wiedergutmachung leisten müssen, das ist wahrscheinlich ein großes Glanzlicht. Wichtiger sind die vielen kleinen Konflikte zwischen afrikanischen, lateinamerikanischen Staaten, wo es um Grenzfragen geht, wo Truppen aufmarschiert waren und wo die Parteien letztendlich die Vernunft besessen haben, sich zum Internationalen Gerichtshof zu wenden und dieser hat dann den zugrunde liegenden Konflikt gelöst, so dass es dann eben nicht zu einem Krieg kam.
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Meyer: Einige der großen Mächte dieser Welt stehen dem Gerichtshof zum Teil skeptisch gegenüber. Sie haben den Internationalen Strafgerichtshof angeführt, der bis heute von den USA nicht anerkannt wird. Wie stehen denn die großen Mächte zum Internationalen Gerichtshof?
Tams: Das ist unterschiedlich und hat sich über die Zeit entwickelt. Was die USA angeht, kann man feststellen, dass es eine negative Entwicklung gegeben hat. Die Vereinigten Staaten waren quasi Pate des Internationalen Gerichtshofs und Förderer für eine Internationale Gerichtsbarkeit für eine lange Zeit und haben sich seit den 80ern langsam, aber stetig vom Internationalen Gerichtshof zurückgezogen, indem sie seine Zuständigkeit nicht mehr allgemein anerkennen. Ähnliches gilt für Frankreich. Bei Russland ist es anders zu beurteilen. Da war es bis 1989 eisiges Schweigen und seitdem hat sich Russland dem Gerichtshof zugewandt, ähnlich wie viele Staaten des ehemaligen Ostblocks. Aber man kann schon sagen, der Gerichtshof hat mehr Schwierigkeiten seine Urteile gegen die großen Mächte durchzusetzen, als gegen kleine und mittlere Staaten.
Das vollständige Gespräch mit dem Völkerrechtler Christian Tams können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.