Eine Geschichte der vier Jahreszeiten
Frühere Generation haben sich danach gesehnt, dass der Winter nicht gar so hart ausfallen möge. © imago images / imageBroker / Robert Seitz
Der Winter
28:56 Minuten
Früher galt der Winter als entbehrungsreiche Zeit: Die Menschen zehrten von ihren Vorräten, froren, warteten auf den Frühling. Heute schwinden die Unterschiede zwischen den Jahreszeiten, auch dank Heizung und immer voller Supermarktregalen.
Als Antonio Vivaldi im frühen 18. Jahrhundert seine berühmten "Vier Jahreszeiten“ komponierte, war der Winter eine andere Jahreszeit als heute. Die Natur kam auf eine für uns fremd gewordene Weise zur Ruhe. Die Menschen froren und zehrten von den Vorräten, die sie im Laufe des Jahres angelegt hatten.
Heute halten selbst in den Bergen Frostperioden nicht mehr lange an. Anstelle einer malerischen Schneelandschaft beschert der Winter oftmals graubraune Ödnis unter trübem Himmel. „Beschreibungen von Eiskristallen an den Fenstern, die ich noch von meinen Eltern kenne, habe ich selber auch noch nicht erlebt“, berichtet die Umwelthistorikerin Katrin Kleemann.
Von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhundert dauerte die sogenannte "Kleine Eiszeit". Sie prägte unseren klassischen Kulturkanon in der Literatur, der bildenden Kunst und der Musik. „Bei Vivaldis Winter braucht man nicht viel Einbildung, um zu erkennen, das ist Frost, und dass die Zähne klappern“, sagt der Musikwissenschaftler Bernhard Wulff.
Die Einebnung der Jahreszeiten
Die Großmutter des Autors Ulrich Land erzählte gern vom Winter 1929, als der Rhein bei Köln zugefroren war und man zu Fuß von der Altstadt nach Deutz gehen konnte. Bei minus 25 Grad Celsius. Zu Füßen der Loreley türmten sich die Eisschollen meterhoch. Seither wächst der Eindruck, dass die Jahreszeiten unscharf werden und sich nicht mehr so dezidiert voneinander abgrenzen. Ihre Charakterunterschiede verschwimmen.
Im Grunde ist die Einebnung der Jahreszeiten eine Folge unseres Wirtschaftens und ein Spiegelbild der Supermarktregale, aus denen wir uns tagtäglich bedienen: Fast alle Lebensmittel sind ganzjährig zu bekommen – mögen sie noch so exotisch sein. Erdbeeren im Winter, Weintrauben im Frühling.
Neue Herausforderung: der Klimawandel
Ironie der Geschichte: Frühere Generation haben sich danach gesehnt, dass der jeweils anstehende Winter nicht gar so hart ausfallen möge. Heute haben wir den Winter besiegt, er ist er keine existenzielle Herausforderung mehr.
Und da sehen wir: Der Sieg hat seinen Preis, er hat uns in eine neue existenzielle Gefahr gebracht. Nicht der Winter bedroht uns, sondern die Erwärmung des Globus.