"Eine große Figur der deutschen Geschichte"
Luise von Preußen habe einen neuen Stil geprägt, indem sie aktuelle Zeitströmungen "sehr gut gespürt, aufgegriffen und in einer fast unintellektuellen Weise auch in die Tat, ins Bild umgesetzt" habe, sagt Daniel Schönpflug, Historiker und Autor des kürzlich erschienenen Buches "Luise von Preußen. Königin der Herzen".
Matthias Hanselmann: Königin der Herzen, Miss Preußen oder populärste Frau der preußischen Geschichte, so wird sie unter anderem genannt: Luise von Preußen wird als Luise Prinzessin zu Mecklenburg 1776 geboren, wird später als Gemahlin König Friedrich Wilhelms III. Königin von Preußen und stirbt im Jahre 1810 im Alter von nur 34 Jahren. Zahlreiche Kulturprogramme in ganz Deutschland werden sich aus Anlass ihres 200. Todestages Königin Luise widmen. Übermorgen eröffnet im Schloss Charlottenburg in Berlin die Ausstellung "Luise. Leben und Mythos der Königin", die bis zum 30. Mai zu erleben ist. Was genau aber machte Luise von Preußen zur Königin der Herzen, was machte sie zu einem besonderen Menschen? Darüber sprechen wir mit dem Historiker Daniel Schönpflug, Autor des gerade erschienenen Buches "Luise von Preußen. Königin der Herzen". Guten Tag, Herr Schönpflug, schön, dass Sie gekommen sind!
Daniel Schönpflug: Guten Morgen!
Hanselmann: Herr Schönpflug, Ihr Buch beginnt mit dem Tod der Königin, mit ihrer letzten Reise von Mecklenburg über Brandenburg nach Berlin. Sie schildern dies eindrucksvoll und auch ergreifend, wie ich finde, den Leichenzug über Land im Sommer 1810, Luises Ankunft in Berlin, als zigtausend Menschen die Straßen säumten, allerdings schweigend. Warum beginnt Ihr Buch ausgerechnet mit dem Tod der Königin?
Schönpflug: Ja, Sie müssen sich vorstellen, dass Königin Luise heutzutage ja gar nicht mehr so vielen Menschen bekannt ist. Und wenn ich dann angefangen hätte mit einer kleinen unbedeutenden Prinzessin irgendwo in der Provinz, dann hätten die Leute das Buch angefangen und hätten sich gefragt, ja, was will er uns denn eigentlich mit dieser Frau. Am Tod ist sie schon eine ganz bedeutende Persönlichkeit, das ist schon einer der Höhepunkte ihres Mythos, und wenn man damit anfängt, dann wird gleich klar, das ist eine große Figur der deutschen Geschichte. Außerdem kann ich dann während des ganzen Buches auch immer wieder Elemente genau dieses Mythos aufgreifen und dahinterschauen und gucken, was es damit wirklich auf sich hat.
Hanselmann: Man spürt wirklich etwas davon sofort, was für eine große Bedeutung sie hatte. Das ist nicht nur die Anzahl der vielen Menschen, die die Straßen säumten, sondern auch der große Prunk – und auch Pomp würde man heute vielleicht sogar heute sagen –, mit dem ihre letzte Fahrt sich ereignet hat. Was für ein Mensch war Königin Luise, diese Königin der Herzen, was hat sie verkörpert, wofür stand sie?
Schönpflug: Ja, dieses Wort Herz und Herzen kommt ganz häufig im Zusammenhang mit ihr, und das kann man, glaube ich, aus den vielen Zeugnissen, die wir über sie haben, auch wirklich bestätigen. Sie muss ein besonders warmherziger, besonders offener Mensch gewesen sein, der auch mit anderen sehr gut umgehen konnte, auf sie zugehen konnte, sie verzaubern, sie gewinnen konnte. Und diese persönliche Seite war sicherlich ein ganz wichtiges Element auch ihres Mythos.
Hanselmann: Aber die Königinnenrolle hat sie doch offenbar perfekt gespielt?
Schönpflug: Ja, sie hat sozusagen ausgehend von dieser Persönlichkeit auch die Rolle angenommen, die ihr dann das Königreich Preußen auferlegt hat, nämlich die Rolle einer Zentralfigur, die Rolle einer ja auch politischen Figur an der Seite ihres Mannes, an der Seite von Friedrich Wilhelm III. Und auch dort hat sie nach einigen Anlaufschwierigkeiten dann immer oder sehr oft den richtigen Ton, den richtigen Schritt, den richtigen Blick, die richtige Geste gefunden, um diese öffentliche Rolle auch auszufüllen.
Hanselmann: An einigen Stellen heißt es, sie sei eine für damalige Verhältnisse sehr moderne Frau gewesen. Was hat sie denn zu einer modernen Frau gemacht?
Schönpflug: Ja, das ist eine schwierige Kategorie, denn wir gucken ja sozusagen jetzt von 200 Jahren zurück, und dann erscheint uns Manches modern oder nicht modern. Ich würde eher sagen, sie war eine Frau, die Strömungen ihrer Zeit, zum Beispiel die Romantik, zum Beispiel diese politischen Impulse, die von der Revolution ausgingen, den Klassizismus und andere aktuelle Zeitströmungen sehr gut gespürt hat, aufgegriffen hat und in einer ja fast unintellektuellen Weise auch in die Tat, ins Bild umgesetzt hat. Und das hat sie auch ausgemacht, einen Stil hat sie geprägt.
Hanselmann: Die Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten veranstaltet zu ihrem 200. Todestag nicht nur die eben erwähnte Ausstellung im Schloss Charlottenburg, weitere Ausstellungen folgen auf der Pfaueninsel in Berlin und im Brandenburgischen Paretz. Dargestellt werden soll Luise als die herausragende Persönlichkeit der Hohenzollerndynastie und als ein Glücksfall für die reformbedürftige Monarchie. Jetzt mal vielleicht auf diese Ebene: Was machte Luise zur wichtigsten Frau der Hohenzollernmonarchie oder -dynastie?
Schönpflug: Also sie ist eine Frau gewesen, eine Monarchin, der es gelungen ist, in einer Zeit extremer Herausforderungen – wir müssen uns klarmachen, 1793, das Jahr, wo Luise preußische Kronprinzessin wird, ist das Jahr, wo in Paris Ludwig XVI. der Kopf abgeschlagen wird und wenige Monate später dann seiner Frau. Und das ist so eine Schockwelle für die gesamte europäische Monarchie, und diese Schockwelle setzt sich fort, als Napoleon an die Macht kommt und ein Königreich nach dem anderen eben fällt, weil seine militärische Macht als unbezwingbar gilt. In dieser Zeit extremer Herausforderungen hat sie Antworten formuliert, zunächst vor allen Dingen durch diesen neuen Stil, der andeutete, Preußen ist zwar Monarchie, aber eine Monarchie, die sich entwickelt, die sich verändert, die auch auf die Untertanen zugehen kann, und später dann auch für ihre Rolle in der Niederlage. Und durch diese beiden Rollen konnte sie dieser extremen Herausforderung etwas entgegensetzen. Und das hat sie so bedeutend gemacht.
Hanselmann: Vor dem Hintergrund der Ereignisse in Frankreich, die Sie gerade beschrieben haben, war da sicherlich auch eine Menge Angst im Spiel, große Befürchtungen, die Rolle zu verlieren als Monarch, Monarchin?
Schönpflug: Das war eine Angst, und die erwies sich ja als ganz und gar begründet. Als Napoleon dann bei Jena und Auerstedt Preußen besiegt hatte, da stand zumindest auf der Tagesordnung der Friedensverhandlungen eine Absetzung der Hohenzollern vom Thron. Preußen aufzulösen, das hat Napoleon nie, gewollt, aber er hat sich ernsthaft überlegt, ob die Hohenzollern nicht ihren Thron verlieren sollten und durch eine andere Dynastie eventuell ersetzt werden könnten. Und insofern war diese Angst ganz und gar berechtigt, und es musste etwas geschehen.
Hanselmann: Wie ich gelesen habe, hat sie Napoleon schon im Vorfeld als ein moralisches Ungeheuer bezeichnet.
Schönpflug: Ja, sie hatte viele Begriffe, den Teufel hat sie ihn genannt, ein Ungeheuer, ein Wesen, das sich aus dem Kot emporgeschwungen hat, also sie hat viele schöne Begriffe. Umgekehrt war er auch nicht zimperlich mit ihr, hat sie als Amazone bezeichnet und hat ihr eine Liebelei mit dem Zaren vorgeworfen, sie sei sozusagen sein Liebchen und würde seine Interessen in Europa vertreten. Also das war ein heftiger Konflikt, auch über die Öffentlichkeit, über die Medien ausgetragen.
Hanselmann: Man kann in Ihrem Buch wunderbare Faksimiles sehen von Karikaturen, wo zum Beispiel Luise als Amazone dargestellt wird. Sie hat sich ja dann sogar mit Napoleon getroffen, um ihn davon zu überzeugen, Preußen zu verschonen, was nicht gelang. Das Treffen soll mit einer Art Wutausbruch von Miss Preußen geendet haben?
Schönpflug: Ein Wutausbruch nicht, aber die ganze Stimmung der Königin rund um dieses Treffen war ausgesprochen negativ. Also sie hat sich gesträubt, dort hinzugehen, zu diesem Mann, der sie so beleidigt hatte, der Preußen geschlagen hatte, der sie so beleidigt hatte, der ihren Mann erniedrigte, wo er nur konnte. Und sie hat es dann getan aus Pflichtgefühl, weil man Hoffnung hatte, dass sie etwas bewirken konnte. Aber spätestens, als sie dann spüren musste, dass all diese Bestrebungen auch nutzlos waren und dass sich Napoleon von ihrem Charme eben nicht hat bezirzen lassen, da war die Enttäuschung bodenlos und die Wut kam zurück.
Hanselmann: Und ich sag mal ganz bewusst in Anführungsstrichen war sie ganz nebenbei auch mehrfache Mutter und sehr oft schwanger in ihrem Leben und musste diese Rolle ja auch meistern.
Schönpflug: Also da darf man wirklich nicht von nebenher sprechen, weil man muss sich klarmachen, dass diese arme Frau seit der Hochzeit im Jahr 1793 und bis zu ihrem Tod, also 1810, in nicht mal 17 Jahren zehn Geburten hinter sich gebracht hat, davon drei Kinder, die nicht lange gelebt haben, aber sieben Kinder immerhin, die überlebt haben. Also man muss sich eine Königin als eine Frau vorstellen, die eigentlich permanent in anderen Umständen lebt, und die körperliche Leistung von so einer, ja, von so einem Dauerzustand, die ist nicht zu unterschätzen.
Hanselmann: Woran ist Luise eigentlich letztlich gestorben?
Schönpflug: Ja, also das ist wohl eine Verbindung von zwei Dingen gewesen. Einerseits hatte sie, wie es hieß, ein Gewächs, das vom Herzen in die Lunge wuchs, zum anderen akut scheint es aber eine heftige Lungenentzündung zu sein, aber nur das Zusammenwirken der beiden Krankheiten scheint den Tod dann wirklich ausgelöst zu haben.
Hanselmann: Herr Schönpflug, vielleicht zum Schluss noch, als Mensch unserer Zeit denkt man bei all der kultischen Verehrung für Königin Luise und auch bei der Nähe der Königin zu ihrem Volk schnell an die Prinzessin der Herzen, Lady Diana. Kann man da Vergleiche ziehen nach fast zwei Jahrhunderten Geschichte, die die beiden trennen?
Schönpflug: Na immerhin war auch Lady Diana ja ein Mitglied einer Königsfamilie, die viel getan hat für das Ansehen der Dynastie bei den Untertanen, sie war populär. Aber man muss eben auch die Unterschiede sehen. Nicht nur, dass wir eben nicht mehr in der Zeit um 1800 leben, sondern in einer modernen Mediendemokratie, das gilt auch für Großbritannien, die die Krone ja noch nicht abgeschafft haben. Und was ich vor allen Dingen einen großen Unterschied finde, was an der Diana so spannend war, war ja, dass sie auch mit dieser Rolle so enorme Schwierigkeiten hatte. Sie war ein zerrissener, ein gequälter Mensch, und auch das hat sie für die Untertanen spannend gemacht. Luise war kein gequälter Mensch, sie war ein glücklicher Mensch und die Rolle, die war ihr praktisch auf den Leib geschneidert. Insofern Ähnlichkeiten und Unterschiede.
Hanselmann: Luise, Königin der Herzen. Daniel Schönpflug, Autor der Biografie "Luise von Preußen" und stellvertretender Direktor übrigens des deutsch-französischen Forschungszentrums für Sozial- und Kulturwissenschaften Centre Marc Bloch, Berlin, vielen Dank! Das Buch ist erschienen bei C. H. Beck. Danke schön!
Schönpflug: Vielen Dank!
Daniel Schönpflug: Guten Morgen!
Hanselmann: Herr Schönpflug, Ihr Buch beginnt mit dem Tod der Königin, mit ihrer letzten Reise von Mecklenburg über Brandenburg nach Berlin. Sie schildern dies eindrucksvoll und auch ergreifend, wie ich finde, den Leichenzug über Land im Sommer 1810, Luises Ankunft in Berlin, als zigtausend Menschen die Straßen säumten, allerdings schweigend. Warum beginnt Ihr Buch ausgerechnet mit dem Tod der Königin?
Schönpflug: Ja, Sie müssen sich vorstellen, dass Königin Luise heutzutage ja gar nicht mehr so vielen Menschen bekannt ist. Und wenn ich dann angefangen hätte mit einer kleinen unbedeutenden Prinzessin irgendwo in der Provinz, dann hätten die Leute das Buch angefangen und hätten sich gefragt, ja, was will er uns denn eigentlich mit dieser Frau. Am Tod ist sie schon eine ganz bedeutende Persönlichkeit, das ist schon einer der Höhepunkte ihres Mythos, und wenn man damit anfängt, dann wird gleich klar, das ist eine große Figur der deutschen Geschichte. Außerdem kann ich dann während des ganzen Buches auch immer wieder Elemente genau dieses Mythos aufgreifen und dahinterschauen und gucken, was es damit wirklich auf sich hat.
Hanselmann: Man spürt wirklich etwas davon sofort, was für eine große Bedeutung sie hatte. Das ist nicht nur die Anzahl der vielen Menschen, die die Straßen säumten, sondern auch der große Prunk – und auch Pomp würde man heute vielleicht sogar heute sagen –, mit dem ihre letzte Fahrt sich ereignet hat. Was für ein Mensch war Königin Luise, diese Königin der Herzen, was hat sie verkörpert, wofür stand sie?
Schönpflug: Ja, dieses Wort Herz und Herzen kommt ganz häufig im Zusammenhang mit ihr, und das kann man, glaube ich, aus den vielen Zeugnissen, die wir über sie haben, auch wirklich bestätigen. Sie muss ein besonders warmherziger, besonders offener Mensch gewesen sein, der auch mit anderen sehr gut umgehen konnte, auf sie zugehen konnte, sie verzaubern, sie gewinnen konnte. Und diese persönliche Seite war sicherlich ein ganz wichtiges Element auch ihres Mythos.
Hanselmann: Aber die Königinnenrolle hat sie doch offenbar perfekt gespielt?
Schönpflug: Ja, sie hat sozusagen ausgehend von dieser Persönlichkeit auch die Rolle angenommen, die ihr dann das Königreich Preußen auferlegt hat, nämlich die Rolle einer Zentralfigur, die Rolle einer ja auch politischen Figur an der Seite ihres Mannes, an der Seite von Friedrich Wilhelm III. Und auch dort hat sie nach einigen Anlaufschwierigkeiten dann immer oder sehr oft den richtigen Ton, den richtigen Schritt, den richtigen Blick, die richtige Geste gefunden, um diese öffentliche Rolle auch auszufüllen.
Hanselmann: An einigen Stellen heißt es, sie sei eine für damalige Verhältnisse sehr moderne Frau gewesen. Was hat sie denn zu einer modernen Frau gemacht?
Schönpflug: Ja, das ist eine schwierige Kategorie, denn wir gucken ja sozusagen jetzt von 200 Jahren zurück, und dann erscheint uns Manches modern oder nicht modern. Ich würde eher sagen, sie war eine Frau, die Strömungen ihrer Zeit, zum Beispiel die Romantik, zum Beispiel diese politischen Impulse, die von der Revolution ausgingen, den Klassizismus und andere aktuelle Zeitströmungen sehr gut gespürt hat, aufgegriffen hat und in einer ja fast unintellektuellen Weise auch in die Tat, ins Bild umgesetzt hat. Und das hat sie auch ausgemacht, einen Stil hat sie geprägt.
Hanselmann: Die Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten veranstaltet zu ihrem 200. Todestag nicht nur die eben erwähnte Ausstellung im Schloss Charlottenburg, weitere Ausstellungen folgen auf der Pfaueninsel in Berlin und im Brandenburgischen Paretz. Dargestellt werden soll Luise als die herausragende Persönlichkeit der Hohenzollerndynastie und als ein Glücksfall für die reformbedürftige Monarchie. Jetzt mal vielleicht auf diese Ebene: Was machte Luise zur wichtigsten Frau der Hohenzollernmonarchie oder -dynastie?
Schönpflug: Also sie ist eine Frau gewesen, eine Monarchin, der es gelungen ist, in einer Zeit extremer Herausforderungen – wir müssen uns klarmachen, 1793, das Jahr, wo Luise preußische Kronprinzessin wird, ist das Jahr, wo in Paris Ludwig XVI. der Kopf abgeschlagen wird und wenige Monate später dann seiner Frau. Und das ist so eine Schockwelle für die gesamte europäische Monarchie, und diese Schockwelle setzt sich fort, als Napoleon an die Macht kommt und ein Königreich nach dem anderen eben fällt, weil seine militärische Macht als unbezwingbar gilt. In dieser Zeit extremer Herausforderungen hat sie Antworten formuliert, zunächst vor allen Dingen durch diesen neuen Stil, der andeutete, Preußen ist zwar Monarchie, aber eine Monarchie, die sich entwickelt, die sich verändert, die auch auf die Untertanen zugehen kann, und später dann auch für ihre Rolle in der Niederlage. Und durch diese beiden Rollen konnte sie dieser extremen Herausforderung etwas entgegensetzen. Und das hat sie so bedeutend gemacht.
Hanselmann: Vor dem Hintergrund der Ereignisse in Frankreich, die Sie gerade beschrieben haben, war da sicherlich auch eine Menge Angst im Spiel, große Befürchtungen, die Rolle zu verlieren als Monarch, Monarchin?
Schönpflug: Das war eine Angst, und die erwies sich ja als ganz und gar begründet. Als Napoleon dann bei Jena und Auerstedt Preußen besiegt hatte, da stand zumindest auf der Tagesordnung der Friedensverhandlungen eine Absetzung der Hohenzollern vom Thron. Preußen aufzulösen, das hat Napoleon nie, gewollt, aber er hat sich ernsthaft überlegt, ob die Hohenzollern nicht ihren Thron verlieren sollten und durch eine andere Dynastie eventuell ersetzt werden könnten. Und insofern war diese Angst ganz und gar berechtigt, und es musste etwas geschehen.
Hanselmann: Wie ich gelesen habe, hat sie Napoleon schon im Vorfeld als ein moralisches Ungeheuer bezeichnet.
Schönpflug: Ja, sie hatte viele Begriffe, den Teufel hat sie ihn genannt, ein Ungeheuer, ein Wesen, das sich aus dem Kot emporgeschwungen hat, also sie hat viele schöne Begriffe. Umgekehrt war er auch nicht zimperlich mit ihr, hat sie als Amazone bezeichnet und hat ihr eine Liebelei mit dem Zaren vorgeworfen, sie sei sozusagen sein Liebchen und würde seine Interessen in Europa vertreten. Also das war ein heftiger Konflikt, auch über die Öffentlichkeit, über die Medien ausgetragen.
Hanselmann: Man kann in Ihrem Buch wunderbare Faksimiles sehen von Karikaturen, wo zum Beispiel Luise als Amazone dargestellt wird. Sie hat sich ja dann sogar mit Napoleon getroffen, um ihn davon zu überzeugen, Preußen zu verschonen, was nicht gelang. Das Treffen soll mit einer Art Wutausbruch von Miss Preußen geendet haben?
Schönpflug: Ein Wutausbruch nicht, aber die ganze Stimmung der Königin rund um dieses Treffen war ausgesprochen negativ. Also sie hat sich gesträubt, dort hinzugehen, zu diesem Mann, der sie so beleidigt hatte, der Preußen geschlagen hatte, der sie so beleidigt hatte, der ihren Mann erniedrigte, wo er nur konnte. Und sie hat es dann getan aus Pflichtgefühl, weil man Hoffnung hatte, dass sie etwas bewirken konnte. Aber spätestens, als sie dann spüren musste, dass all diese Bestrebungen auch nutzlos waren und dass sich Napoleon von ihrem Charme eben nicht hat bezirzen lassen, da war die Enttäuschung bodenlos und die Wut kam zurück.
Hanselmann: Und ich sag mal ganz bewusst in Anführungsstrichen war sie ganz nebenbei auch mehrfache Mutter und sehr oft schwanger in ihrem Leben und musste diese Rolle ja auch meistern.
Schönpflug: Also da darf man wirklich nicht von nebenher sprechen, weil man muss sich klarmachen, dass diese arme Frau seit der Hochzeit im Jahr 1793 und bis zu ihrem Tod, also 1810, in nicht mal 17 Jahren zehn Geburten hinter sich gebracht hat, davon drei Kinder, die nicht lange gelebt haben, aber sieben Kinder immerhin, die überlebt haben. Also man muss sich eine Königin als eine Frau vorstellen, die eigentlich permanent in anderen Umständen lebt, und die körperliche Leistung von so einer, ja, von so einem Dauerzustand, die ist nicht zu unterschätzen.
Hanselmann: Woran ist Luise eigentlich letztlich gestorben?
Schönpflug: Ja, also das ist wohl eine Verbindung von zwei Dingen gewesen. Einerseits hatte sie, wie es hieß, ein Gewächs, das vom Herzen in die Lunge wuchs, zum anderen akut scheint es aber eine heftige Lungenentzündung zu sein, aber nur das Zusammenwirken der beiden Krankheiten scheint den Tod dann wirklich ausgelöst zu haben.
Hanselmann: Herr Schönpflug, vielleicht zum Schluss noch, als Mensch unserer Zeit denkt man bei all der kultischen Verehrung für Königin Luise und auch bei der Nähe der Königin zu ihrem Volk schnell an die Prinzessin der Herzen, Lady Diana. Kann man da Vergleiche ziehen nach fast zwei Jahrhunderten Geschichte, die die beiden trennen?
Schönpflug: Na immerhin war auch Lady Diana ja ein Mitglied einer Königsfamilie, die viel getan hat für das Ansehen der Dynastie bei den Untertanen, sie war populär. Aber man muss eben auch die Unterschiede sehen. Nicht nur, dass wir eben nicht mehr in der Zeit um 1800 leben, sondern in einer modernen Mediendemokratie, das gilt auch für Großbritannien, die die Krone ja noch nicht abgeschafft haben. Und was ich vor allen Dingen einen großen Unterschied finde, was an der Diana so spannend war, war ja, dass sie auch mit dieser Rolle so enorme Schwierigkeiten hatte. Sie war ein zerrissener, ein gequälter Mensch, und auch das hat sie für die Untertanen spannend gemacht. Luise war kein gequälter Mensch, sie war ein glücklicher Mensch und die Rolle, die war ihr praktisch auf den Leib geschneidert. Insofern Ähnlichkeiten und Unterschiede.
Hanselmann: Luise, Königin der Herzen. Daniel Schönpflug, Autor der Biografie "Luise von Preußen" und stellvertretender Direktor übrigens des deutsch-französischen Forschungszentrums für Sozial- und Kulturwissenschaften Centre Marc Bloch, Berlin, vielen Dank! Das Buch ist erschienen bei C. H. Beck. Danke schön!
Schönpflug: Vielen Dank!