Eine große Liebe zum Kleinen
Stofflich greifbar wie flämische Meister hat Anita Albus Pflanzen und Vögel gemalt und Texte dazu geschrieben. 2004 erhielt sie den Johann-Heinrich-Merck-Preis und im Dezember den Brandenburgischen Preis für Umwelt. Jetzt arbeitet die Künstlerin an einem Buch über Schmetterlinge.
Wer über ihre Türschwelle tritt, betritt die Stille. Nur der Parkettboden knarrt, als die zierliche 66-Jährige in ihrem dunkelblau und weiß karierten Kleid ihre Wohnung durchschreitet. Sie bittet ins Esszimmer, ein großzügiger, heller Raum mit antiken Möbeln. Durch das Fenster blickt man auf einen kleinen Park in München-Schwabing.
Es schneit. Drinnen an den Wänden hängen Stiche von Stadtansichten und ein Stillleben in Öl. Anita Albus mag es ruhig; sie hat kein Handy, kein Radio.
"Das hat keinen ideologischen Grund, aber ich habe eine gewisse Aversion, auch mir völlig unerklärlich, gegen die gesprochene Stimme. Und im Rundfunk ist auch Text dazwischen, was ich nicht gut ertragen kann. Es ist jetzt ein Widerspruch, dass ich selber einen solchen Text liefere, aber so ist es nun mal."
Wenn man Anita Albus' Buch "Von seltenen Vögeln” in die Hand nimmt, fühlt sich es an wie ein Stück Universalkunst; ein schwerer, in Leinen gebundener Band. Auf der ersten Seite ein Zitat Alexander von Humboldts. "Rastlos entfaltet ihre Knospen die zeugende Natur: unbekümmert, ob der frevelnde Mensch die reife Frucht zertritt", heißt es da. Anita Albus hat es ausgestorbenen und bedrohten Vögeln gewidmet.
"Es ist so, dass ich mich bemüht habe, das ganz genau zu schildern, wie wenn ich ein Vogel wäre. Wie wäre es, wenn Anita Albus ein Eisvogel wäre oder eine Schleiereule. Ich habe mich bemüht, das Leben festzuhalten. Im Bild und in der Schrift."
In Öl hat sie "Waldrappe in einer Weltlandschaft" gemalt, eine ausgestorbene Rabenart. Im Hintergrund des Bildes schlängelt sich ein Fluss durch eine Landschaft, vorbei an einer mittelalterlichen Stadtbefestigung.
Auf Felsen im Vordergrund sitzen die großen Vögel mit ihren roten, langgebogenen Schnäbeln. Blättert man weiter, zeigt sich eine Schleiereule; die Weichheit ihres weißbraunen Gefieders in Aquarell und Deckweiß eingefangen. Dann ein Stillleben mit einem Vogel, so lebensnah, als könne man die Federn berühren.
Gerade arbeitet Anita Albus an einem neuen Buch, eines über Nacht- und Tagfalter. Aber warum Schmetterlinge?
"Es ist doch ganz nahe liegend, denn Schmetterlinge sind zum Malen gemacht. Und dann ist Maria Sibylla Merian eine meiner großen Vorbilder…"
Im 17. Jahrhundert gehörte Maria Sibylla Merian zu den ersten Forschern, die Insekten systematisch beobachteten und malten. Sie entzog sich, wie sie selbst schrieb, "aller menschlichen Gesellschaft", um Raupen zu sammeln und ihre Verwandlung zu beobachten.
"Die Metamorphose der Schmetterlinge ist ein staunenswerter Prozess. Das ist noch gar nicht so lange her, dass wir verstehen, dass aus dieser Puppe, diesem harten Ding, in dem sich die Raupe vollkommen auflöst, sich ein Schmetterling entfalten kann. Früher hat man das nicht gewusst, man hat noch zur Zeit der Merian geglaubt, dass diese Tiere aus dem Schlamm entstehen."
Bevor Anita Albus auf eine Frage antwortet, macht sie eine lange Pause, manchmal lacht sie dann ein tiefes, offenes Lachen. Und wenn sie spricht, wirkt es, als würde sie von einem inneren Schriftzug ablesen.
So arbeitet sie auch, wenn sie schreibt oder malt: Sie nimmt sich Zeit. Ihre Bilder entstehen langsam, fast so langsam, wie die Natur wächst. Zuerst studiert Anita Albus den leblosen Körper eines Schmetterlings unter der Lupe.
"Um zu sehen, wie die Struktur der Schuppen ist, um den Flügel zu bilden, und wenn ich das sehr genau mit dem Auge erfasst habe, beginne ich zu malen."
Anita Albus hat für die Schmetterlinge Aquarellfarben gewählt. Damit sie nicht verlaufen, rührt sie Pigmente mit einem Bindemittel selbst an, denn die Farben, die man in einem Laden kaufen kann, sind dafür gemacht, mit viel Wasser zu malen.
"Meine Maltechnik ist eine ganz andere, eine Mischtechnik, die man eher Gouache nennen könnte. Ich kann, wenn ich selbst das Bindemittel dazugebe, bestimmen, wie leicht ich das wieder aufgelöst haben will. Ich male mit Geduld und Spucke."
Anita Albus lebt einen Teil des Jahres in Burgund, den anderen in ihrer Geburtsstadt München, wo auch ihre Tochter und zwei Enkel wohnen. Sie studierte an der Folkwangschule in Essen und begann, sehr detail-, sehr gegenstandsgetreu zu malen, eine Arbeitsweise, die sie dem Anthropologen Claude Lévi-Strauss nahe brachte.
1959 las sie ein Gespräch zwischen Strauss und Georges Charbonnier. Manche Sätze hat sich Anita Albus angestrichen; sie entsprechen ihrer Vorstellung von Malerei.
"Eine Malerei, die nicht versucht, der gegenständlichen Welt (...), vollständig zu entfliehen; die auch nicht versucht, sich mit der gegenständlichen Welt (…) zu begnügen, sondern die sich mit dem technischen Fleiß der traditionellsten Malerei bemüht, rund um uns ein erträglicheres Universum aufzubauen."
Daraufhin schickte sie Claude Lévi-Strauss einen Brief. Sie wurden Freunde.
"Ich habe mich vor allem bestätigt gefühlt in meiner Malweise, das ist ganz eindeutig so. Da habe ich das gefunden, wo ich dachte, wenn irgendjemand versteht, wie ich male und warum ich so male, dann müsste das er sein."
In ihren Büchern hält sie das Leben fest. Sie hält die Zeit an.
Es schneit. Drinnen an den Wänden hängen Stiche von Stadtansichten und ein Stillleben in Öl. Anita Albus mag es ruhig; sie hat kein Handy, kein Radio.
"Das hat keinen ideologischen Grund, aber ich habe eine gewisse Aversion, auch mir völlig unerklärlich, gegen die gesprochene Stimme. Und im Rundfunk ist auch Text dazwischen, was ich nicht gut ertragen kann. Es ist jetzt ein Widerspruch, dass ich selber einen solchen Text liefere, aber so ist es nun mal."
Wenn man Anita Albus' Buch "Von seltenen Vögeln” in die Hand nimmt, fühlt sich es an wie ein Stück Universalkunst; ein schwerer, in Leinen gebundener Band. Auf der ersten Seite ein Zitat Alexander von Humboldts. "Rastlos entfaltet ihre Knospen die zeugende Natur: unbekümmert, ob der frevelnde Mensch die reife Frucht zertritt", heißt es da. Anita Albus hat es ausgestorbenen und bedrohten Vögeln gewidmet.
"Es ist so, dass ich mich bemüht habe, das ganz genau zu schildern, wie wenn ich ein Vogel wäre. Wie wäre es, wenn Anita Albus ein Eisvogel wäre oder eine Schleiereule. Ich habe mich bemüht, das Leben festzuhalten. Im Bild und in der Schrift."
In Öl hat sie "Waldrappe in einer Weltlandschaft" gemalt, eine ausgestorbene Rabenart. Im Hintergrund des Bildes schlängelt sich ein Fluss durch eine Landschaft, vorbei an einer mittelalterlichen Stadtbefestigung.
Auf Felsen im Vordergrund sitzen die großen Vögel mit ihren roten, langgebogenen Schnäbeln. Blättert man weiter, zeigt sich eine Schleiereule; die Weichheit ihres weißbraunen Gefieders in Aquarell und Deckweiß eingefangen. Dann ein Stillleben mit einem Vogel, so lebensnah, als könne man die Federn berühren.
Gerade arbeitet Anita Albus an einem neuen Buch, eines über Nacht- und Tagfalter. Aber warum Schmetterlinge?
"Es ist doch ganz nahe liegend, denn Schmetterlinge sind zum Malen gemacht. Und dann ist Maria Sibylla Merian eine meiner großen Vorbilder…"
Im 17. Jahrhundert gehörte Maria Sibylla Merian zu den ersten Forschern, die Insekten systematisch beobachteten und malten. Sie entzog sich, wie sie selbst schrieb, "aller menschlichen Gesellschaft", um Raupen zu sammeln und ihre Verwandlung zu beobachten.
"Die Metamorphose der Schmetterlinge ist ein staunenswerter Prozess. Das ist noch gar nicht so lange her, dass wir verstehen, dass aus dieser Puppe, diesem harten Ding, in dem sich die Raupe vollkommen auflöst, sich ein Schmetterling entfalten kann. Früher hat man das nicht gewusst, man hat noch zur Zeit der Merian geglaubt, dass diese Tiere aus dem Schlamm entstehen."
Bevor Anita Albus auf eine Frage antwortet, macht sie eine lange Pause, manchmal lacht sie dann ein tiefes, offenes Lachen. Und wenn sie spricht, wirkt es, als würde sie von einem inneren Schriftzug ablesen.
So arbeitet sie auch, wenn sie schreibt oder malt: Sie nimmt sich Zeit. Ihre Bilder entstehen langsam, fast so langsam, wie die Natur wächst. Zuerst studiert Anita Albus den leblosen Körper eines Schmetterlings unter der Lupe.
"Um zu sehen, wie die Struktur der Schuppen ist, um den Flügel zu bilden, und wenn ich das sehr genau mit dem Auge erfasst habe, beginne ich zu malen."
Anita Albus hat für die Schmetterlinge Aquarellfarben gewählt. Damit sie nicht verlaufen, rührt sie Pigmente mit einem Bindemittel selbst an, denn die Farben, die man in einem Laden kaufen kann, sind dafür gemacht, mit viel Wasser zu malen.
"Meine Maltechnik ist eine ganz andere, eine Mischtechnik, die man eher Gouache nennen könnte. Ich kann, wenn ich selbst das Bindemittel dazugebe, bestimmen, wie leicht ich das wieder aufgelöst haben will. Ich male mit Geduld und Spucke."
Anita Albus lebt einen Teil des Jahres in Burgund, den anderen in ihrer Geburtsstadt München, wo auch ihre Tochter und zwei Enkel wohnen. Sie studierte an der Folkwangschule in Essen und begann, sehr detail-, sehr gegenstandsgetreu zu malen, eine Arbeitsweise, die sie dem Anthropologen Claude Lévi-Strauss nahe brachte.
1959 las sie ein Gespräch zwischen Strauss und Georges Charbonnier. Manche Sätze hat sich Anita Albus angestrichen; sie entsprechen ihrer Vorstellung von Malerei.
"Eine Malerei, die nicht versucht, der gegenständlichen Welt (...), vollständig zu entfliehen; die auch nicht versucht, sich mit der gegenständlichen Welt (…) zu begnügen, sondern die sich mit dem technischen Fleiß der traditionellsten Malerei bemüht, rund um uns ein erträglicheres Universum aufzubauen."
Daraufhin schickte sie Claude Lévi-Strauss einen Brief. Sie wurden Freunde.
"Ich habe mich vor allem bestätigt gefühlt in meiner Malweise, das ist ganz eindeutig so. Da habe ich das gefunden, wo ich dachte, wenn irgendjemand versteht, wie ich male und warum ich so male, dann müsste das er sein."
In ihren Büchern hält sie das Leben fest. Sie hält die Zeit an.