Eine Ikone kommt ins Wanken

Der Generalmajor der Wehrmacht Henning von Tresckow war einer der führenden Köpfe des Widerstands gegen Hitler, er hat das Attentat am 20. Juli 1944 maßgeblich vorbereitet. In Festreden wird er heute als der "moralische Mensch in der Wehrmacht" gewürdigt. Aber von Tresckows Rolle im Angriffskrieg gegen die Sowjetunion ist schon länger umstritten.
Der Historiker Johannes Hürter hat im vergangenen Jahr Dokumente vorgelegt, die seiner Meinung nach belegen, Henning von Tresckow war schon 1941 über Massenmorde an Juden informiert, und er hat "Verständnis" für diese Massenmorde gezeigt.

Im Deutschlandradio Kultur sagte Hürter, die von ihm gefundenen Dokumente zeigten, dass Henning von Tresckow frühzeitig sehr viel gewusst habe. Das habe man nach dem Krieg abgestritten. Denn die überlebenden Offiziers des 20. Juli hätten ausgesagt, die Wehrmacht habe zwar gut mit der SS zusammengearbeitet, aber lange nichts von den Judenmorden gewusst.

Da die Offiziere also bereits im Juli 1941 informiert gewesen seien, seien die Morde an Juden nicht das Motiv dafür gewesen, Widerstand gegen das NS-Regime zu leisten. Hürter stellte die These auf, dass im Jahr 1941 die Wehrmacht derart fixiert auf den Feldzug gegen die Sowjetunion gewesen sei, dass alles andere in die Hintergrund gestellt worden sei. Erst als sich der Erfolg des Blitzkrieges nicht eingestellt habe, seien die Offiziere ins Grübeln gekommen. Ausschlaggebend seien also nicht moralische, sondern militärisch-professionelle Motive gewesen. Erst später seien dann auch andere Motive für den Widerstand hinzugekommen.

Der Historiker sagte, er schließe zwar nicht aus, dass Henning von Tresckow angesichts der nationalsozialistischen Verbrechen bereits vor 1941 ein Unbehagen gegenüber der NS-Diktatur empfunden habe, aber diese Einstellung habe er zunächst zurückgestellt, weil die Wehrmacht den Krieg gegen die Sowjetunion möglichst schnell gewinnen wollte. Die sowjetische Bevölkerung sei da nicht so wichtig gewesen und die jüdische Bevölkerung sei mit Misstrauen betrachtet worden, weil in weiten Teilen der national-konservativen Elite Judentum und Bolschewismus gleichgesetzt wurden. Hierfür lägen zwar keine zeitgenössischen Dokumente vor, Nachkriegsaussagen legten aber nahe, dass auch von Tresckow auf einen schnellen Sieg gegen die Rote Armee konzentriert gewesen sei, sagte Hürter.


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