"Eine im Kern verrottete Justiz"
Die Affäre um den Offizier Alfred Dreyfus löste Ende des 19. Jahrhunderts in Frankreich eine Staatskrise aus. In Robert Harris' Roman steht der Mann im Zentrum, der die wahren Hintergründe aufdeckte. "Er war das, was wir heute den ersten Whistleblower nennen könnten", sagt Harris.
Joachim Scholl: Ein französischer Offizier wird des Geheimnisverrats beschuldigt. Die Beweise sind dürftig, aber alle - Militär, Justiz, Politik - wollen die Verurteilung und erreichen zunächst ihr Ziel. Das ist der Kern der sogenannten Dreyfus-Affäre, die ab 1894 ganz Frankreich in Atem hielt und schließlich zu einer Staatskrise führte. Denn Alfred Dreyfus war unschuldig, und das hat vor allem ein weiterer Offizier bewiesen, der nicht locker ließ. Und diesen Mann stellt der britische Schriftsteller Robert Harris in den Mittelpunkt seines neuen Romans "Intrige". Robert Harris ist einer der prominentesten Thriller-Autoren weltweit und ein guter Freund von Deutschlandradio Kultur inzwischen. Wir freuen uns, dass er uns wieder beehrt, willkommen, welcome back, Robert Harris!
Robert Harris: A great pleasure to be back. Thank you for having me again!
Scholl: Wie Sie im Nachwort des Buches schreiben, Herr Harris, hat der Regisseur Roman Polanski Sie bei einem Mittagessen in Paris auf die Idee mit Alfred Dreyfus gebracht. Wie denn?
Harris: Ursprünglich kam die Idee, als wir einmal zusammen saßen bei der Fertigstellung des Films "The Ghostwriter", den Roman Polanski verfilmt hatte, und er sagte, ich möchte eigentlich schon lange mit dir auch einen Krimi gemeinsam drehen, gibt es da eine Idee? Und er schlug eine Idee vor, und während wir dann beim Mittagessen zusammensaßen, erwähnte ich, ich habe da in deiner Bibliothek viele Bücher über die Dreyfus-Affäre gelesen – hattest du schon einmal den Gedanken, darüber einen Film zu drehen?
Und er antwortete sofort, ja, ich wollte eigentlich immer schon einmal etwas über die Dreyfus-Affäre drehen. Und ich fand das ebenfalls sehr interessant, ich war immer interessiert an diesem Stoff. Ich sagte ihm aber, es wäre besser, zunächst mal einen Roman zu schreiben und erst dann ein Drehbuch. Und er sagte, gut, das ist in Ordnung. Ich habe ja schon oft nach Romanen Filme gedreht und nicht nach Drehbüchern. Und so machte ich mich dann ans Werk.
Scholl: Es ist ja eine enorm verwickelte, komplexe Geschichte, diese Dreyfus-Affäre, und definitiv nicht einfach, sie auch als Roman zu erzählen. Was hat Sie daran besonders gereizt?
Harris: Sie haben völlig recht. Diese gesamte Affäre entspann sich ja über zwölf Jahre und umfasste Hunderte von Gestalten. Je mehr ich mich aber in meine Lektüre hinein vertiefte, desto deutlicher merkte ich, dass im Zentrum der Geschichte ein Mann stand, der den meisten unbekannt sein dürfte, nämlich Oberst Picquart.
Er war der jüngste Oberst in der französischen Armee der damaligen Zeit. Er war das, was wir heute den ersten Whistleblower nennen könnten. Er war derjenige, der entdeckte, dass Dreyfus unschuldig war. Er hat auch den wirklichen Verräter entdeckt. Er hat sich dann für die Rehabilitierung Dreyfus' eingesetzt. Er wurde selbst verfolgt und angeklagt durch die französische Armee. Die Geschichte ist also in diesem Falle die Geschichte von Oberst Picquart.
Robert Harris: A great pleasure to be back. Thank you for having me again!
Scholl: Wie Sie im Nachwort des Buches schreiben, Herr Harris, hat der Regisseur Roman Polanski Sie bei einem Mittagessen in Paris auf die Idee mit Alfred Dreyfus gebracht. Wie denn?
Harris: Ursprünglich kam die Idee, als wir einmal zusammen saßen bei der Fertigstellung des Films "The Ghostwriter", den Roman Polanski verfilmt hatte, und er sagte, ich möchte eigentlich schon lange mit dir auch einen Krimi gemeinsam drehen, gibt es da eine Idee? Und er schlug eine Idee vor, und während wir dann beim Mittagessen zusammensaßen, erwähnte ich, ich habe da in deiner Bibliothek viele Bücher über die Dreyfus-Affäre gelesen – hattest du schon einmal den Gedanken, darüber einen Film zu drehen?
Und er antwortete sofort, ja, ich wollte eigentlich immer schon einmal etwas über die Dreyfus-Affäre drehen. Und ich fand das ebenfalls sehr interessant, ich war immer interessiert an diesem Stoff. Ich sagte ihm aber, es wäre besser, zunächst mal einen Roman zu schreiben und erst dann ein Drehbuch. Und er sagte, gut, das ist in Ordnung. Ich habe ja schon oft nach Romanen Filme gedreht und nicht nach Drehbüchern. Und so machte ich mich dann ans Werk.
Scholl: Es ist ja eine enorm verwickelte, komplexe Geschichte, diese Dreyfus-Affäre, und definitiv nicht einfach, sie auch als Roman zu erzählen. Was hat Sie daran besonders gereizt?
Harris: Sie haben völlig recht. Diese gesamte Affäre entspann sich ja über zwölf Jahre und umfasste Hunderte von Gestalten. Je mehr ich mich aber in meine Lektüre hinein vertiefte, desto deutlicher merkte ich, dass im Zentrum der Geschichte ein Mann stand, der den meisten unbekannt sein dürfte, nämlich Oberst Picquart.
Er war der jüngste Oberst in der französischen Armee der damaligen Zeit. Er war das, was wir heute den ersten Whistleblower nennen könnten. Er war derjenige, der entdeckte, dass Dreyfus unschuldig war. Er hat auch den wirklichen Verräter entdeckt. Er hat sich dann für die Rehabilitierung Dreyfus' eingesetzt. Er wurde selbst verfolgt und angeklagt durch die französische Armee. Die Geschichte ist also in diesem Falle die Geschichte von Oberst Picquart.
"Wir haben einen Geheimdienst, der völlig außer Kontrolle gerät"
Scholl: Die Dreyfus-Affäre ist auch eine Geschichte des europäischen Antisemitismus. Eine wesentliche Rolle in der Öffentlichkeit hat gespielt, dass Dreyfus Jude war und ein reicher noch dazu. Wie wichtig war dieser Aspekt für Sie jetzt bei der Nacherzählung im Roman?
Harris: Ich glaube, man kann diese ganze Affäre nicht verstehen, ohne zu bemerken, dass Dreyfus im Grunde als ein Sündenbock für dieses umfassende Versagen der französischen Armee im Jahr 1870 hergenommen wurde, als Frankreich durch Deutschland besiegt wurde. Er war die Gestalt, die dann als eine Art Inbegriff des zersetzenden Einflusses der Juden in der französischen Gesellschaft hergenommen wurde, also ein Kernbestand des antisemitischen Denkens.
Nur aus diesem Grund konnte die ganze Affäre so enorm aufgebläht werden. Vieles von dem, was wir mit den Nazis in Verbindung bringen, wurde damals in Paris im Grunde angelegt, in den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts, zum Beispiel diese Drohungen, "Tod den Juden", oder auch das Zerstören von Firmen, das Verbrennen von Büchern. Alles das nahm seinen Ausgang im Paris des späten 19. Jahrhunderts.
Scholl: Es gibt viele Passagen und Sätze in Ihrem Roman, Mister Harris, bei denen man unwillkürlich an die Ereignisse unserer Tage denkt. Da schreibt der Oberst Picquart etwa: "Das ist meine erste Lektion hinsichtlich der kabbalistischen Macht sogenannter Geheimdienstinformationen. Sie können sonst vernünftige Männer dazu bringen, ihren Verstand zu vergessen und wie Idioten herumzuhüpfen." Oder, an einer anderen Stelle, da bezieht er sich auf die technischen Neuerungen wie Fotografie und Telegrafie: "Es gibt keine Geheimnisse mehr, es kommt alles ans Licht." Ist dieser Roman, Mister Harris, Ihr Kommentar zu den aktuellen Abhörskandalen?
Harris: Ja, sicher. Es war zwar nicht meine Absicht, hier ein Gleichnis oder eine Allegorie aktueller Ereignisse zu schreiben, aber es ist einfach eine Tatsache, dass viele der technischen Errungenschaften, die heute wieder verwendet werden, weiterhin verwendet werden, damals, zu den Zeiten von Dreyfus entdeckt worden sind. Und wir sehen, wie sie seither beständig erneut Anwendung finden.
Wir haben hier alle Zutaten, die wir auch heute noch oft wiederfinden, also einen Sonderprozess, einen ohne Öffentlichkeit stattfindenden Prozess. Wir haben eine im Kern verrottete Justiz, wir haben fadenscheinige Gerichtsunterlagen, wir haben die Einzelhaft auf einer einsamen Insel, ohne Zugang zu Rechtsanwälten. Wir haben einen Geheimdienst, der völlig außer Kontrolle gerät. Und wir haben dann noch die Vertuschungsversuche der Regierung.
Alles das tritt zusammen, um Picquart im Grunde zu einem Muster dessen zu machen, was wir heute im 20., 21. Jahrhundert als den Helden der Aufklärung von Geheimdienstskandalen betrachten können. Und das war es auch, was mich an diesem Stoff so fesselte. Das wollte ich ausführlicher darstellen.
Scholl: Als Sie an diesem Roman arbeiteten, kamen die ganzen Details ans Licht – in den letzten zwei Jahren, schätze ich, haben Sie an diesem Buch intensiv gearbeitet –, also auch die Rolle des britischen Geheimdienstes in dem großen Abhörskandal. Was haben Sie dabei gedacht, an Ihrem Schreibtisch, an Ihrem Computer, als Sie den "Guardian" und die diversen Nachrichten lasen und hörten?
Harris: Es war schon wirklich seltsam, hier an einem Roman zu sitzen, der die Themen Spionage behandelt und genau dasselbe dann auch in den Medien zu sehen. Das, was die NSA zum Beispiel macht, erkannte ich wieder, wenngleich mit veränderter Technik.
Während die NSA Telefongespräche abhörte, senkte Picquart Hörrohre in die Wohnungen der deutschen Offiziere hinab, oberhalb derer er sich selbst eingemietet hatte. Statt E-Mails abzufangen, fing der französische Geheimdienst zerschnipselte Briefe oder Dokumente aus dem Abfall des deutschen Militärattachés ab und setzte sie wieder zusammen. Was eben als allgemeine Wahrheit ans Licht trat, dass Regierungen immer einander hinterherspionieren und dass sie auch unablässig lügen. Das ist im Grunde das Kennzeichen eines Spionagestaates.
Und es war seltsam, festzustellen, dass eben auch in unserer Zeit mit den Gestalten eines Snowden oder eines Manning ganz ähnliche Dinge geschehen, mit dem wesentlichen Unterschied, dass andere Technik zum Einsatz kommt und dass Picquart, dieser Oberstleutnant, tatsächlich an der Spitze des französischen Geheimdienstes stand, während Manning und Snowden ja kleine Rädchen im Betrieb sind. Ansonsten aber verändert sich das Bild überhaupt nicht.
Harris: Ich glaube, man kann diese ganze Affäre nicht verstehen, ohne zu bemerken, dass Dreyfus im Grunde als ein Sündenbock für dieses umfassende Versagen der französischen Armee im Jahr 1870 hergenommen wurde, als Frankreich durch Deutschland besiegt wurde. Er war die Gestalt, die dann als eine Art Inbegriff des zersetzenden Einflusses der Juden in der französischen Gesellschaft hergenommen wurde, also ein Kernbestand des antisemitischen Denkens.
Nur aus diesem Grund konnte die ganze Affäre so enorm aufgebläht werden. Vieles von dem, was wir mit den Nazis in Verbindung bringen, wurde damals in Paris im Grunde angelegt, in den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts, zum Beispiel diese Drohungen, "Tod den Juden", oder auch das Zerstören von Firmen, das Verbrennen von Büchern. Alles das nahm seinen Ausgang im Paris des späten 19. Jahrhunderts.
Scholl: Es gibt viele Passagen und Sätze in Ihrem Roman, Mister Harris, bei denen man unwillkürlich an die Ereignisse unserer Tage denkt. Da schreibt der Oberst Picquart etwa: "Das ist meine erste Lektion hinsichtlich der kabbalistischen Macht sogenannter Geheimdienstinformationen. Sie können sonst vernünftige Männer dazu bringen, ihren Verstand zu vergessen und wie Idioten herumzuhüpfen." Oder, an einer anderen Stelle, da bezieht er sich auf die technischen Neuerungen wie Fotografie und Telegrafie: "Es gibt keine Geheimnisse mehr, es kommt alles ans Licht." Ist dieser Roman, Mister Harris, Ihr Kommentar zu den aktuellen Abhörskandalen?
Harris: Ja, sicher. Es war zwar nicht meine Absicht, hier ein Gleichnis oder eine Allegorie aktueller Ereignisse zu schreiben, aber es ist einfach eine Tatsache, dass viele der technischen Errungenschaften, die heute wieder verwendet werden, weiterhin verwendet werden, damals, zu den Zeiten von Dreyfus entdeckt worden sind. Und wir sehen, wie sie seither beständig erneut Anwendung finden.
Wir haben hier alle Zutaten, die wir auch heute noch oft wiederfinden, also einen Sonderprozess, einen ohne Öffentlichkeit stattfindenden Prozess. Wir haben eine im Kern verrottete Justiz, wir haben fadenscheinige Gerichtsunterlagen, wir haben die Einzelhaft auf einer einsamen Insel, ohne Zugang zu Rechtsanwälten. Wir haben einen Geheimdienst, der völlig außer Kontrolle gerät. Und wir haben dann noch die Vertuschungsversuche der Regierung.
Alles das tritt zusammen, um Picquart im Grunde zu einem Muster dessen zu machen, was wir heute im 20., 21. Jahrhundert als den Helden der Aufklärung von Geheimdienstskandalen betrachten können. Und das war es auch, was mich an diesem Stoff so fesselte. Das wollte ich ausführlicher darstellen.
Scholl: Als Sie an diesem Roman arbeiteten, kamen die ganzen Details ans Licht – in den letzten zwei Jahren, schätze ich, haben Sie an diesem Buch intensiv gearbeitet –, also auch die Rolle des britischen Geheimdienstes in dem großen Abhörskandal. Was haben Sie dabei gedacht, an Ihrem Schreibtisch, an Ihrem Computer, als Sie den "Guardian" und die diversen Nachrichten lasen und hörten?
Harris: Es war schon wirklich seltsam, hier an einem Roman zu sitzen, der die Themen Spionage behandelt und genau dasselbe dann auch in den Medien zu sehen. Das, was die NSA zum Beispiel macht, erkannte ich wieder, wenngleich mit veränderter Technik.
Während die NSA Telefongespräche abhörte, senkte Picquart Hörrohre in die Wohnungen der deutschen Offiziere hinab, oberhalb derer er sich selbst eingemietet hatte. Statt E-Mails abzufangen, fing der französische Geheimdienst zerschnipselte Briefe oder Dokumente aus dem Abfall des deutschen Militärattachés ab und setzte sie wieder zusammen. Was eben als allgemeine Wahrheit ans Licht trat, dass Regierungen immer einander hinterherspionieren und dass sie auch unablässig lügen. Das ist im Grunde das Kennzeichen eines Spionagestaates.
Und es war seltsam, festzustellen, dass eben auch in unserer Zeit mit den Gestalten eines Snowden oder eines Manning ganz ähnliche Dinge geschehen, mit dem wesentlichen Unterschied, dass andere Technik zum Einsatz kommt und dass Picquart, dieser Oberstleutnant, tatsächlich an der Spitze des französischen Geheimdienstes stand, während Manning und Snowden ja kleine Rädchen im Betrieb sind. Ansonsten aber verändert sich das Bild überhaupt nicht.
"Umso schroffer tritt hier der Gegensatz mit Dreyfus ins Auge"
Scholl: Was an Ihren historischen Romanen, Mister Harris, immer wieder großen Spaß macht, sind die vielen überraschenden Details, die Sie aufstöbern. Am Tag der Verurteilung von Dreyfus wird in Paris zum Beispiel zum ersten Mal Claude Debussys "Nachmittag eines Fauns" aufgeführt und Picquart sitzt in dieser Premiere. Er hetzt förmlich dahin nach diesem Gerichtstag, und man denkt unwillkürlich, oh, stimmt das? War das tatsächlich so?
Harris: Was daran stimmt, dass die Uraufführung des "Après-midi d'un faune" tatsächlich an diesem Abend stattfand, eine Stunde, nachdem Dreyfus schuldig gesprochen worden war. Und Picquart war in der Tat ein begeisterter Musikliebhaber, er schätzte und liebte Gustav Mahler. Er war hochgebildet, er korrespondierte mit Dostojewski, er kannte Zola, kannte auch Proust. Er war ein attraktiver, ansehnlicher Junggeselle, der viele Affären mit verheirateten Frauen hatte, und das machte die ganze Geschichte für mich so attraktiv.
Er gehörte im Grunde in diese Proust'sche Welt hinein, in die Welt der erlesenen Salons, der gehobenen Gesellschaft, in diese prachtvolle Welt voller Ballett und schönen Menschen. Und umso schroffer tritt hier der Gegensatz mit Dreyfus ins Auge, der einsam und elend auf der Teufelsinsel sein Leben darben muss – das ist ein echter Affront für das Gewissen der guten Gesellschaft.
Scholl: Robert Harris, herzlichen Dank für Ihren Besuch. Alles Gute für Sie, thank you for coming!
Harris: Thank you! It has been a pleasure talking to you.
Scholl: Und der Roman "Intrige" von Robert Harris ist jetzt auf Deutsch im Heyne Verlag erschienen in der Übersetzung von Wolfgang Müller. 622 Seiten hat das Buch, es kostet 22,99 Euro. Und bei der Übertragung dieses Gesprächs hat uns Johannes Hampel geholfen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Harris: Was daran stimmt, dass die Uraufführung des "Après-midi d'un faune" tatsächlich an diesem Abend stattfand, eine Stunde, nachdem Dreyfus schuldig gesprochen worden war. Und Picquart war in der Tat ein begeisterter Musikliebhaber, er schätzte und liebte Gustav Mahler. Er war hochgebildet, er korrespondierte mit Dostojewski, er kannte Zola, kannte auch Proust. Er war ein attraktiver, ansehnlicher Junggeselle, der viele Affären mit verheirateten Frauen hatte, und das machte die ganze Geschichte für mich so attraktiv.
Er gehörte im Grunde in diese Proust'sche Welt hinein, in die Welt der erlesenen Salons, der gehobenen Gesellschaft, in diese prachtvolle Welt voller Ballett und schönen Menschen. Und umso schroffer tritt hier der Gegensatz mit Dreyfus ins Auge, der einsam und elend auf der Teufelsinsel sein Leben darben muss – das ist ein echter Affront für das Gewissen der guten Gesellschaft.
Scholl: Robert Harris, herzlichen Dank für Ihren Besuch. Alles Gute für Sie, thank you for coming!
Harris: Thank you! It has been a pleasure talking to you.
Scholl: Und der Roman "Intrige" von Robert Harris ist jetzt auf Deutsch im Heyne Verlag erschienen in der Übersetzung von Wolfgang Müller. 622 Seiten hat das Buch, es kostet 22,99 Euro. Und bei der Übertragung dieses Gesprächs hat uns Johannes Hampel geholfen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.