Eine Interessenvertretung für alle Menschen
Die Einteilung der Welt in Staaten hält Georg Zoche für längst überholt. Mit Freunden gründete er 2001 in München eine eigene Republik, die "Transnationale Republik". Ein Ideen-Gebiet ohne festes Territorium, aber mit eigenem, harten Geld und eigenem Pass. Ohne gemeinsame Sprache, aber mit gemeinsamem Kommunikationsmittel: dem Internet. Mitglied kann jeder werden, inzwischen gibt es 4177 in 100 Ländern.
Georg Zoche bezeichnet sich als Anarchist. Aber mit einem Steine werfenden Klischee-Chaoten in schwarzer Montur hat er nichts gemein.
"Anarchist wird ... häufig komplett falsch verstanden. Bei Anarchist denken viele Leute an Chaoten, Bombenleger. Anarchist ist ja eben eher ... über keinen anderen bestimmen zu wollen. Und die ersten politischen Bücher habe ich über den spanischen Bürgerkrieg gelesen. Über Anarcho-Syndikalisten. Da war ich 14 oder 15."
Der 39-Jährige sitzt barfuß auf einem Kissen in seiner Münchner Dachwohnung. Schlank, wuschelige blonde Haare, leichtes Sommerhemd, weiße Hose. Die grüngrauen Augen sind konzentriert, wach. Georg Zoche überprüft jeden Ausdruck, den er verwendet. Sich einer Ideologie zuordnen, das will er nicht. Ihm geht es eher um die Freiheit des Einzelnen. Die Freiheit, das Bestehende in Frage zu stellen.
Als Kind schon faszinierte ihn das Verhalten gegen die Konvention. Eine riesige Kinderzeichnung hängt an der Wohnzimmerwand: Ein roter Teufel mit freundlichem Lächeln und Mickey-Mouse-Ohren. Das Vorbild eines Sechsjährigen, der Held eines Kinderbuchs.
"Es handelt von dem kleinen Seeteufeljungen, der von der Seeteufelschule fliegt, weil er sich ganz arg daneben benimmt und in einer Seeteufelschule ist sich daneben benehmen Schiffbrüchige retten. Die lernen in der Schule, wie man mit Eisbergen Schiffe versenkt und lauter Unheil anrichtet. Und dieser eine Teufel rettet alle im letzten Augenblick und ... wird von der Schule geschmissen und lebt dann mit den Seepferdchen zusammen."
Georg Zoche ist mit vier Geschwistern in München aufgewachsen, alle sind Künstler geworden. Der Vater: ein Maler und Kunsterzieher, der aber als Ingenieur und Erfinder arbeitet. Die Mutter: eine Innenarchitektin, kunstinteressiert.
"Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, in dem möglich war, Fragen stellen und neugierig sein auch belohnt wurde, durch interessante neue Antworten. Für mich ist es spannend, nachzuforschen, wie könnte das anders sein, warum ist es denn wie es ist."
Georg Zoche ist Ingenieur, studierte Maschinenbau in München. Heute entwickelt er zusammen mit seinem Vater Dieselmotoren für Flugzeuge.
Fragen stellen, Lösungen suchen - das ist Georg Zoches Antriebskraft. Und daran erinnert ihn auch immer wieder seine siebenjährige Tochter Maja. Jede zweite Woche ist sie bei ihm. Das aufgeweckte, kleine Mädchen weiß genau, was ihr Vater macht: die "Transnational Republic" organisieren. Sie sagt es auf Englisch, "Transnational Republic". Englisch spricht sie fließend. Deutsch auch. Und nebenbei Russisch, sagt sie stolz. Kein Wunder: Ihre Mutter ist halb Russin, halb Amerikanerin.
Und Maja ist es, die ihrem Vater vorliest, nicht umgekehrt. Zum Beispiel die Geschichte vom kleinen Seeteufel Fidibus.
Am Anfang der "Transnationalen Republik" stand eine Frage: Was passiert, wenn ein Mensch staatenlos wird? Wer setzt sich für seine Rechte ein, beschützt sie? Freunde saßen bei Pasta und Rotwein zusammen und dachten weiter. Auf der Welt gibt es globale Probleme, aber lokale Regierungen. Ihre Lösung: Eine Interessenvertretung aller Menschen, eine Art Weltparlament müsste geschaffen werden, eine Erweiterung der föderalen Struktur auf globaler Ebene.
"Genau genommen sind die Nationalpolitiker nur durch die historische Entwicklung mit der Globalisierung in die Situation geraten, dass sie jetzt ständig über Dinge verhandeln, die außerhalb der Nation stattfinden. In Wahrheit sind die alle nicht legitimiert dazu."
Am 16. August 2001 riefen Zoche und seine Freunde im Münchner Club Atomic Café die erste "Transnationale Republik" aus. Man konnte sich eintragen, bekam einen Ausweis mit Passfoto.
Auch Geld gab es, selbst entworfene Geldscheine und geprägte Münzen. Schwer, Silber glänzend, die Peyola-Münze. Kurs: 1 zu 1 mit dem Euro.
Eine ernst gemeinte, hoch politische Initiative - dennoch erklärte Zoche die "Transnationale Republik" als Kunstprojekt.
"Wir schlagen eine neue demokratische Vertretung der Menschen vor auf dieser Welt, und wenn ich das ganz trocken als rein politisches Projekt in der Fußgängerzone vorstellen würde, würden mir die Leute einen Vogel zeigen und weggehen. Wenn ich es als Kunstprojekt proklamiere, dass man so etwas machen könnte, hören einem die Leute zu. Man braucht die Freiheit der Kunst um solche neuartigen Gedanken frei formulieren zu können."
Zoche und die Mitgründer stellten ihre Idee bereits bei der Unesco-Konferenz vor. Thema: Globalisierung und Demokratie.
50 Jahre könnte es dauern, schätzt Georg Zoche, bis die "Transnationale Republik" genügend Bürger hat, um handlungsfähig zu sein und erste reale Erfolge zu erzielen - in Fragen des Klimaschutzes bis hin zur Intervention bei Kriegen. Viele Menschen sind begeistert von der Idee - theoretisch.
"Mich ärgert es, wenn ich höre, ich schau mir das mal an, und wenn was draus wird, dann kann ich ja mitmachen. ... Wenn nur alle Leute, die das sagen, ihren Arsch hochkriegen würden und mitmachen, dann würden dann auch viele Dinge passieren. Trägheit finde ich enttäuschend."
Die Transnationale Republik - eine Lebensaufgabe, die viel Energie kostet. Aber für Hobbies wie Tennisspielen oder Romane lesen hat Georg Zoche sowieso nicht viel Muße.
"Hobby ist so etwas wie Zeitvertreib, und Zeitvertreiben ist so was wie eine Verschwendung. ... Da würde ich nervös werden und denken, ich könnte da andere Sachen in der Zeit machen, die mir wichtiger sind. Mich selber würde es nicht befriedigen."
"Anarchist wird ... häufig komplett falsch verstanden. Bei Anarchist denken viele Leute an Chaoten, Bombenleger. Anarchist ist ja eben eher ... über keinen anderen bestimmen zu wollen. Und die ersten politischen Bücher habe ich über den spanischen Bürgerkrieg gelesen. Über Anarcho-Syndikalisten. Da war ich 14 oder 15."
Der 39-Jährige sitzt barfuß auf einem Kissen in seiner Münchner Dachwohnung. Schlank, wuschelige blonde Haare, leichtes Sommerhemd, weiße Hose. Die grüngrauen Augen sind konzentriert, wach. Georg Zoche überprüft jeden Ausdruck, den er verwendet. Sich einer Ideologie zuordnen, das will er nicht. Ihm geht es eher um die Freiheit des Einzelnen. Die Freiheit, das Bestehende in Frage zu stellen.
Als Kind schon faszinierte ihn das Verhalten gegen die Konvention. Eine riesige Kinderzeichnung hängt an der Wohnzimmerwand: Ein roter Teufel mit freundlichem Lächeln und Mickey-Mouse-Ohren. Das Vorbild eines Sechsjährigen, der Held eines Kinderbuchs.
"Es handelt von dem kleinen Seeteufeljungen, der von der Seeteufelschule fliegt, weil er sich ganz arg daneben benimmt und in einer Seeteufelschule ist sich daneben benehmen Schiffbrüchige retten. Die lernen in der Schule, wie man mit Eisbergen Schiffe versenkt und lauter Unheil anrichtet. Und dieser eine Teufel rettet alle im letzten Augenblick und ... wird von der Schule geschmissen und lebt dann mit den Seepferdchen zusammen."
Georg Zoche ist mit vier Geschwistern in München aufgewachsen, alle sind Künstler geworden. Der Vater: ein Maler und Kunsterzieher, der aber als Ingenieur und Erfinder arbeitet. Die Mutter: eine Innenarchitektin, kunstinteressiert.
"Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, in dem möglich war, Fragen stellen und neugierig sein auch belohnt wurde, durch interessante neue Antworten. Für mich ist es spannend, nachzuforschen, wie könnte das anders sein, warum ist es denn wie es ist."
Georg Zoche ist Ingenieur, studierte Maschinenbau in München. Heute entwickelt er zusammen mit seinem Vater Dieselmotoren für Flugzeuge.
Fragen stellen, Lösungen suchen - das ist Georg Zoches Antriebskraft. Und daran erinnert ihn auch immer wieder seine siebenjährige Tochter Maja. Jede zweite Woche ist sie bei ihm. Das aufgeweckte, kleine Mädchen weiß genau, was ihr Vater macht: die "Transnational Republic" organisieren. Sie sagt es auf Englisch, "Transnational Republic". Englisch spricht sie fließend. Deutsch auch. Und nebenbei Russisch, sagt sie stolz. Kein Wunder: Ihre Mutter ist halb Russin, halb Amerikanerin.
Und Maja ist es, die ihrem Vater vorliest, nicht umgekehrt. Zum Beispiel die Geschichte vom kleinen Seeteufel Fidibus.
Am Anfang der "Transnationalen Republik" stand eine Frage: Was passiert, wenn ein Mensch staatenlos wird? Wer setzt sich für seine Rechte ein, beschützt sie? Freunde saßen bei Pasta und Rotwein zusammen und dachten weiter. Auf der Welt gibt es globale Probleme, aber lokale Regierungen. Ihre Lösung: Eine Interessenvertretung aller Menschen, eine Art Weltparlament müsste geschaffen werden, eine Erweiterung der föderalen Struktur auf globaler Ebene.
"Genau genommen sind die Nationalpolitiker nur durch die historische Entwicklung mit der Globalisierung in die Situation geraten, dass sie jetzt ständig über Dinge verhandeln, die außerhalb der Nation stattfinden. In Wahrheit sind die alle nicht legitimiert dazu."
Am 16. August 2001 riefen Zoche und seine Freunde im Münchner Club Atomic Café die erste "Transnationale Republik" aus. Man konnte sich eintragen, bekam einen Ausweis mit Passfoto.
Auch Geld gab es, selbst entworfene Geldscheine und geprägte Münzen. Schwer, Silber glänzend, die Peyola-Münze. Kurs: 1 zu 1 mit dem Euro.
Eine ernst gemeinte, hoch politische Initiative - dennoch erklärte Zoche die "Transnationale Republik" als Kunstprojekt.
"Wir schlagen eine neue demokratische Vertretung der Menschen vor auf dieser Welt, und wenn ich das ganz trocken als rein politisches Projekt in der Fußgängerzone vorstellen würde, würden mir die Leute einen Vogel zeigen und weggehen. Wenn ich es als Kunstprojekt proklamiere, dass man so etwas machen könnte, hören einem die Leute zu. Man braucht die Freiheit der Kunst um solche neuartigen Gedanken frei formulieren zu können."
Zoche und die Mitgründer stellten ihre Idee bereits bei der Unesco-Konferenz vor. Thema: Globalisierung und Demokratie.
50 Jahre könnte es dauern, schätzt Georg Zoche, bis die "Transnationale Republik" genügend Bürger hat, um handlungsfähig zu sein und erste reale Erfolge zu erzielen - in Fragen des Klimaschutzes bis hin zur Intervention bei Kriegen. Viele Menschen sind begeistert von der Idee - theoretisch.
"Mich ärgert es, wenn ich höre, ich schau mir das mal an, und wenn was draus wird, dann kann ich ja mitmachen. ... Wenn nur alle Leute, die das sagen, ihren Arsch hochkriegen würden und mitmachen, dann würden dann auch viele Dinge passieren. Trägheit finde ich enttäuschend."
Die Transnationale Republik - eine Lebensaufgabe, die viel Energie kostet. Aber für Hobbies wie Tennisspielen oder Romane lesen hat Georg Zoche sowieso nicht viel Muße.
"Hobby ist so etwas wie Zeitvertreib, und Zeitvertreiben ist so was wie eine Verschwendung. ... Da würde ich nervös werden und denken, ich könnte da andere Sachen in der Zeit machen, die mir wichtiger sind. Mich selber würde es nicht befriedigen."