Eine Komödie zwischen den Kulturen

Der spanisch-argentinische Film "Un cuento chino" (auf spanisch ein "Lügenmärchen") erzählt mit schwarzem Humor, aber auch anrührend vom schwierigen Miteinanders eines jungen Chinesen und eines mürrischen Argentiniers.
Wenn eine Kuh vom Himmel fällt, bringt das selten Glück, und schon gar nicht auf dem chinesischen Fluss, wo ein junger Mann seiner Verlobten einen Heiratsantrag macht.

Die herabstürzende Kuh zerstört die romantische Idylle auf dem Fluss, zerschlägt das Boot und tötet die Verlobte. Nach diesem absurden Schicksalsschlag verlässt der junge Chinese seine Heimat und geht nach Argentinien, ohne ein Wort spanisch zu sprechen. Er wird gleich in der Nähe des Flughafens ausgeraubt und trifft auf den Argentinier Roberto, einen wortkargen Einzelgänger:

Roberto: "Ich versteh kein Wort, aber ich habe es gesehen. Die Scheißkerle aus dem Taxi haben dich ausgeraubt, aber... Sie haben dich geschlagen..."

Roberto ist Eisenwarenhändler, arbeitet alleine im väterlichen Laden und lebt in der Wohnung der längst verstorbenen Eltern. Er liebt skurrile Katastrophennachrichten aus aller Welt und klebt die Meldungen in ein Album. Er ist ein Sonderling mit hohem Gerechtigkeitssinn, der die Schrauben in den Großpackungen nachzählt und voller Zorn reklamiert:

"Jetzt hör mal gut zu. Sag deinem Chef: Ich hab die Schnauze voll, und wenn er mir die fehlenden nicht ersetzt, kaufe ich nie wieder bei ihm. Das war es! (legt den Hörer auf) Verdammte Betrüger! Schweine, das sind alles Schweine. Verfluchtes Diebesgesindel!"

Verkörpert wird Roberto von einem der ganz großen Darsteller des argentinischen Films, Ricardo Darín. In deutschen Kinos war er 2010 zu sehen als Hauptdarsteller des argentinischen "Oscar"-Preisträgers "In ihren Augen". Jetzt verkörpert der 54-Jährige wieder einen einsamen Mann auf der Suche nach der Gerechtigkeit, allerdings im blauen Arbeitskittel, fernab jeder männlichen Eitelkeit:

"Er hat kein Interesse an seinem Aussehen und wie er auf die anderen wirkt, er braucht sich nicht gut anzuziehen, sich irgendwie herauszuputzen. An seiner Art sich zu kleiden sehen wir auch, dass ihm die anderen egal sind. Er ist in seiner Gefühlswelt blockiert, irgendwo stehen geblieben und hat noch nicht einmal irgendein Interesse der einen oder anderen Frau zu gefallen."

Zu Robertos Leidwesen bringt die Begegnung mit dem jungen Chinesen seine gewohnte Routine durcheinander. Bei dem Versuch, den Onkel seines ungeliebten Gastes zu finden, bekommt er aber selbst wieder einen Blick für seine Umgebung, etwa für die Nachbarstochter. Für seinen Mitspieler, den aufgedrehten jungen Chinesen, den in Taiwan geborenen Schauspieler Ignacio Huang, handelt "El cuento chino" von der Annäherung zweier ganz unterschiedlicher Welten:

"Es gibt so eine fernöstliche Philosophie, nach der wir alle Blätter sind, die vom Baum fallen in den Fluss hinein und dann werden wir irgendwohin geschwemmt und müssen das akzeptieren. Da ergänzen sich die beiden Charaktere, die argentinische Streitsucht und die asiatische Demut."

Wie in vielen argentinischen Filmen gibt es aber auch hier einen Bezug zur traumatischen Vergangenheit des Landes, zu den dunklen Jahren der Militärdiktatur, von 1976 bis 1982. Auch Robertos Streitsucht und seine selbst gewählte Einsamkeit haben hier ihre Ursachen. Als junger Mann wurde Roberto wie viele andere seiner Generation 1982 in den Falkland-Krieg geschickt. Für den 48-jährigen Regisseur Sebastian Borensztein ist dieser letzte große Gewaltakt der argentinischen Militärdiktatur immer noch ein Tabu in der argentinischen Gesellschaft:

"Der Krieg war ein großes Trauma besonders für meine Generation. Das hat sich in meiner Erinnerung eingebrannt und jetzt konnte ich dieses Trauma im Film ansprechen. Das ist das Schöne am Filmemachen, diese Mischung, in der wir auch die Themen, die uns schmerzen, ansprechen können. Und der Krieg um die "Malvinas" ist für mich bis heute ein sehr sensibles Thema."

"Un cuento chino" ist eine sehr dynamische Komödie, ein Genrefilm, eine internationale Koproduktion, wie sie in Argentinien nach dem Ende der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise wieder verstärkt gedreht werden. Dabei erzählt Sebastian Borensztein im Einwanderungsland Argentinien sensibel und mit schwarzer Situationskomik wieder einmal neu die alte Geschichte vom Zusammentreffen völlig unterschiedlicher Kulturen und von den Veränderungen, die dadurch entstehen.