Drum prüfe, wer sich ewig schindet
Arbeit macht stark. Wer im Beruf Erfolg hat, tankt Selbstvertrauen. Arbeit macht krank - kann sie zumindest machen. Und irgendwo zwischen den Extremen liegt die Arbeitssucht. Arbeitssüchtige, so willkommen sie in Betrieben mitunter auch sind, machen Fehler - oft mit gravierenden Folgen für Kapitalstock, Standort und Arbeitsplätzen.
Arbeitssucht zerstört die Arbeitsfähigkeit. Schätzungen sprechen von rund 200.000 Arbeitssüchtigen in Deutschland. Individualisierte Arbeitsbeziehungen, Vertrauensarbeitszeiten oder Dezentralisierung von Verantwortung bieten im Arbeitsleben nicht nur ein höheres Maß an Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung, sie sind auch hinterhältig wie ein Trojanisches Pferd. Arbeitswütige oder die, denen ihre Arbeit über den Kopf wächst, greifen schon einmal schnell zu Alkohol, Tabletten, Kokain.
Der Weg in die Abhängigkeit ist kurz, nur wenige finden aus der Sackgasse ohne die Hilfe von Fachleuten wieder heraus. Die Rückfallquote ist hoch. Arbeitssüchtige müssten lernen, kontrolliert zu arbeiten. Aber welcher Alkoholiker kann schon kontrolliert trinken?
Gesprächsgäste:
Dr. Helene Klaar, Rechtsanwältin aus Wien
Professor Joachim Bauer, Psychotherapeut und Buchautor
Professor Joachim Bauer, Psychotherapeut und Buchautor
Moderation:
Elke Durak, Deutschlandradio Kultur
Linktipps:
Dr. Helene Klaar
Prof. Joachim Bauer
Joachim Bauer
Arbeit
Warum sie uns glücklich oder krank macht.
2015 Heyne
Schaffen wir die Arbeit - oder schafft sie uns? Der Mediziner, Neurobiologe und Bestsellerautor Joachim Bauer nimmt unsere Art zu arbeiten unter die Lupe. Wie können wir angesichts der beispiellosen Zunahme von Stress, Depression und Burn-out mit den immer umfassenderen Erwartungen an ständige Verfügbarkeit umgehen? Was sollten Unternehmen tun, um ihre Mitarbeiter nicht zu verschleißen? - Ein aufrüttelndes, streitbares Manifest für die Rückkehr des Menschlichen in die Arbeitswelt. Bauer zeigt, wie Arbeit wieder Raum bietet für unsere Energie, schöpferische Lust und Selbstverwirklichung: eine Quelle großen Glücks!
Weiterer Buchtipp:
Svenja Flaßpöhler
Wir GENUSS-arbeiter
Über Freiheit und Zwang in der Leistungsgesellschaft
DVA 2011
Für uns Menschen von heute ist Arbeit nicht mehr nur Mühsal. Wir tun unsere Arbeit gern, verstehen uns gar als Genussarbeiter. Das Genießen im engeren Sinn hingegen, der Müßiggang, gelingt uns immer seltener und wird regelrecht zur Anstrengung. Warum aber sind wir als moderne Leistungsträger hyperaktiv bis zum Burn-out und halten das Nichtstun kaum mehr aus? Genießen nur, wenn wir arbeiten, oder höchstens noch beim Sport? Die Philosophin Svenja Flaßpöhler geht den kulturellen und psychischen Ursachen von Arbeitssucht, Körperkult und Versagensangst auf den Grund und fragt nach dem prekären Verhältnis von Freiheit und Zwang in der heutigen Gesellschaft. Ihre eindringliche Analyse zeigt: Nur wenn wir inmitten des Optimierungswahns nicht ausschließlich tun, sondern auch lassen, sind wir imstande, wirklich zu genießen.
Links:
Dr. Helene Klaar
Prof. Joachim Bauer
Joachim Bauer
Arbeit
Warum sie uns glücklich oder krank macht.
2015 Heyne
Schaffen wir die Arbeit - oder schafft sie uns? Der Mediziner, Neurobiologe und Bestsellerautor Joachim Bauer nimmt unsere Art zu arbeiten unter die Lupe. Wie können wir angesichts der beispiellosen Zunahme von Stress, Depression und Burn-out mit den immer umfassenderen Erwartungen an ständige Verfügbarkeit umgehen? Was sollten Unternehmen tun, um ihre Mitarbeiter nicht zu verschleißen? - Ein aufrüttelndes, streitbares Manifest für die Rückkehr des Menschlichen in die Arbeitswelt. Bauer zeigt, wie Arbeit wieder Raum bietet für unsere Energie, schöpferische Lust und Selbstverwirklichung: eine Quelle großen Glücks!
Weiterer Buchtipp:
Svenja Flaßpöhler
Wir GENUSS-arbeiter
Über Freiheit und Zwang in der Leistungsgesellschaft
DVA 2011
Für uns Menschen von heute ist Arbeit nicht mehr nur Mühsal. Wir tun unsere Arbeit gern, verstehen uns gar als Genussarbeiter. Das Genießen im engeren Sinn hingegen, der Müßiggang, gelingt uns immer seltener und wird regelrecht zur Anstrengung. Warum aber sind wir als moderne Leistungsträger hyperaktiv bis zum Burn-out und halten das Nichtstun kaum mehr aus? Genießen nur, wenn wir arbeiten, oder höchstens noch beim Sport? Die Philosophin Svenja Flaßpöhler geht den kulturellen und psychischen Ursachen von Arbeitssucht, Körperkult und Versagensangst auf den Grund und fragt nach dem prekären Verhältnis von Freiheit und Zwang in der heutigen Gesellschaft. Ihre eindringliche Analyse zeigt: Nur wenn wir inmitten des Optimierungswahns nicht ausschließlich tun, sondern auch lassen, sind wir imstande, wirklich zu genießen.
Links:
Tage der Arbeit
Symptome der Arbeitssucht: Gehören Sie zu den Betroffenen??
Massenphänomen oder Psychoexotik?
Internetauftritt der Selbsthilfegruppe Anonyme Arbeitssüchtige
Konfliktorientierung als erstes therapeutisches Grundkonzept bei Arbeitssucht
Zur Theorie, Empirie und Therapie arbeitssüchtigen Verhaltens
Arbeitssucht - Die unterschätzte Gefahr
Schadet Arbeitssucht dem Unternehmen?
Ungesunder Ehrgeiz
Weitere Bücher:
Michaela Städele
Arbeitssucht und die zwanghafte Persönlichkeitsstörung:
Eine theoretische und empirische Auseinandersetzung
2008 VDM Verlag Dr. Müller
Rainer Schwochow
Workaholics: Wenn Arbeit zur Sucht wird
Kindle Edition
E-Book
2013 Ch. Links Verlag
Reinhold Ruthe
Wege aus der Burnout-Spirale
Strategien gegen Stress, Leistungsdenken, Selbstausbeutung und Arbeitssucht.
2011 Brendow
Holger Heide (hg.):
Massenphänomen Arbeitssucht.
Historische Hintergründe und aktuelle Entwicklung einer neuen Volkskrankheit
Atlantik-Verlag Bremen, 2002
Symptome der Arbeitssucht: Gehören Sie zu den Betroffenen??
Massenphänomen oder Psychoexotik?
Internetauftritt der Selbsthilfegruppe Anonyme Arbeitssüchtige
Konfliktorientierung als erstes therapeutisches Grundkonzept bei Arbeitssucht
Zur Theorie, Empirie und Therapie arbeitssüchtigen Verhaltens
Arbeitssucht - Die unterschätzte Gefahr
Schadet Arbeitssucht dem Unternehmen?
Ungesunder Ehrgeiz
Weitere Bücher:
Michaela Städele
Arbeitssucht und die zwanghafte Persönlichkeitsstörung:
Eine theoretische und empirische Auseinandersetzung
2008 VDM Verlag Dr. Müller
Rainer Schwochow
Workaholics: Wenn Arbeit zur Sucht wird
Kindle Edition
E-Book
2013 Ch. Links Verlag
Reinhold Ruthe
Wege aus der Burnout-Spirale
Strategien gegen Stress, Leistungsdenken, Selbstausbeutung und Arbeitssucht.
2011 Brendow
Holger Heide (hg.):
Massenphänomen Arbeitssucht.
Historische Hintergründe und aktuelle Entwicklung einer neuen Volkskrankheit
Atlantik-Verlag Bremen, 2002
Wer süchtig ist, macht sich etwas vor, belügt sich und andere
Wer süchtig ist, flieht aus der Gegenwart, die als nicht befriedigend, als bedrohlich erlebt wird. Wer sich im Hier und Jetzt unsicher und nicht geborgen fühlt, hat Angst vor dem, was auf ihn zukommt. Angst ist der Wegbereiter zur Sucht. Im Rauschzustand verflüchtigt sich das Gefühl der Bedrohung kurzzeitig. Die einen koksen, andere greifen zur Flasche oder nehmen Medikamente. Elke, Peter und Susanne suchten ihr Heil in der Arbeit.
Eine Sucht in den Griff zu bekommen, setzt voraus, die Ursachen zu erkennen und zu verstehen. Heute weiß Elke, die Suchtstrukturen wurden in ihrer frühen Kindheit gelegt. Der Mutter wollte sie es recht machen. Und hatte sich im Gegenzug Geborgenheit und mütterliche Fürsorge gewünscht. Vergeblich. Später in ihrer Studienzeit versuchte sie täglich, ihr Verhalten zu verändern. Klappte aber auch nicht. Eine Sucht in den Griff zu bekommen, setzt voraus, die Ursachen zu erkennen und zu verstehen. Der Blick in die eigene Vergangenheit ist unentbehrlich. Manche lassen sich auf eine Psychotherapie ein, Elke beließ es bei der Selbsthilfegruppe.
Arbeitssucht ist
… - wie alle Süchte - ein Versuch, individuelle Konflikte zu lösen. Wobei die Konflikte dem Betroffenen zumeist nicht bewusst sind. Der Süchtige versucht unangenehme Gefühle wie Depressionen, Kontaktängste, Selbstverunsicherungen, Entwurzelungsgefühle, Gefühle der Minderwertigkeit, abgewehrte Geborgenheitswünsche usw. abzuwehren, erklärt Peter Berger, Psychotherapeut in der Hardtwaldklinik im hessischen Bad Zwesten.
Peter Berger: Mir fällt jemand ein, ein Mann- sehr, sehr erfolgreich im Vorstand eines großen Unternehmens. Geboren 1944 im Osten, Mutter war allein, Vater gefallen, die Rote Armee kam, die Mutter musste flüchten mit all den Gewaltexzessen der Roten Armee, durch die Oder geschwommen mit dem Baby. Mutter erzählte ihrem Sohn später, ich hätte mich eigentlich umgebracht, wenn du nicht gewesen wärest. Junge versuchte, seiner Mutter den Ehemann zu ersetzen. Immer einen Anzug getragen, der ihm zu groß war. Hat sich aus kleinsten Verhältnissen hochgearbeitet in den Vorstand eines großen Unternehmens. Ganz bestimmt arbeitssüchtig.
Als äußerst selbstbeherrscht erlebt Peter Berger diese Leute. Aus Angst, die Kontrolle zu verlieren, meiden sie alles Spontane und Impulsive. Zwanghafte Strukturen entstehen meistens früh, wenn Kinder ihre Umwelt erobern. Mit Krach und Schmutz und Durcheinander. Reagieren ordnungsfanatische Eltern darauf mit Ärger und Bestrafung, zieht sich das Kind zurück, verliert seine Neugier und Unbekümmertheit, wird ängstlich und kontrolliert - was sich in allen Lebenslagen fortsetzt. Auch in der Arbeit. Peter Berger spricht von einem kontrolliert-zwanghaften Arbeitsstil.
Die mit einem bestimmten Arbeitsstil einen ansehnlichen Erfolg schaffen, jetzt aber völlig überfordert sind und dann es arbeitssüchtig aufzufangen, weil sie was anderes nicht können. Die Frau läuft dann weg, dann sitzen sie alleine in ihrer Villa und merken, dass sie einsam sind. In diesem Zusammenbruch kommen die zu uns, nicht vorher, nicht weil sie zu viel arbeiten.
Eine stationäre Behandlung:
Sechs bis acht Wochen dauert in der Regel eine stationäre Behandlung in der Hardtwald-Klinik. Am Anfang steht der psychoanalytische Blick in die Vergangenheit. Therapeut Peter Berger erzählt von einem Patienten, der sich in jungen Jahren der Kirchenjungend anschloss; seine Eltern hatten ihn vernachlässigt. Mit dem Pfarrer, den er kennenlernte und der ihm zuhörte, identifizierte er sich und wurde selbst Pfarrer.
Das Versorgungsdefizit, das der vorgestellte Pfarrer erfahren hat, ist nicht reparierbar, das gilt es nun zu betrauern. Was der Pfarrer macht, in dem er sich für die Gemeinde verausgabt, ist ja, dass er diese Trauerarbeit für sich verhindert. Er ist ja dauernd engagiert, übernimmt noch die Jugendarbeit und vernachlässigt so seine Familie. Dieses unangenehme Gefühl verhindert er durch Geschäftigkeit. Wenn er diese Geschäftigkeit reduziert, kommt die Trauer hoch.
Im zweiten Schritt wird nach einer Lösung gesucht – ein verhaltens-therapeutischer Blick in die Zukunft. Der Pfarrer soll sich einen Anrufbeantworter zulegen, sodass er bestimmt, wann und wen er zurückruft, nicht aber rund um die Tür für jeden ansprechbar ist. Oder dem Gewerkschaftssekretär, der im Betriebsrat sitzt und obendrein Stadtrat ist, wird nahegelegt, den Vorsitz der Sozialausschüsse und sein ehrenamtliches Engagement in der gewerkschaftlichen Altenpflege abzugeben. Ist Arbeitssucht heilbar? Die Rückfallquote ist hoch. Arbeitssüchtige müssten lernen, kontrolliert zu arbeiten. Aber welcher Alkoholiker kann schon kontrolliert trinken?
"Historischer Exkurs"
"Einszweidrei, im Sauseschritt läuft die Zeit; wir laufen mit". Wilhelm Busch, der Meister knapper Texte und bitterer Zeitkritik, sah das Unheil kommen. Zum Besseren hat sich seither nichts gewendet. Im Gegenteil. Man schuftet und schuftet und je mehr gearbeitet wird, desto unzufriedener und schwermütiger scheinen wir zu werden. Das Gespür für das Wesentliche bleibt auf der Strecke. Für Freundschaften, fürs Zuhören, für einen Ausflug oder ein gemütliches Essen, für die Arbeit, an der man Spaß hat, für ein Zusammenleben in Toleranz und Freiheit - kurzum für alles, was das Leben lebenswert macht.
Die Geschichte der menschlichen Evolution ist eine Beschleunigungsgeschichte. Kein Fortschritt ohne Temposteigerung. Stillstand heißt Rückschritt. Was zählt, sind Rekorde. Immer höher, immer weiter, immer schneller. Das Risiko fasziniert, und das Verlangen nach mehr Tempo scheint den Menschen um seinen gesunden Menschenverstand zu bringen.
Wie lässt sich anders erklären, dass die fortschrittstrunkenen Zeitgenossen um 1835 ein zischendes, dampfendes, unförmiges und träges Ungetüm, das ein paar Waggons von Nürnberg nach Fürth zog, ausgerechnet nach dem König der Lüfte benannten? Andere, denen das alles suspekt erschien, waren wiederum felsenfest überzeugt, die enorme Geschwindigkeit, mit der der "ADLER" den ersten Eisenbahnzug durch Deutschlands Landschaft zog, würde die Reisenden notgedrungen in den Irrsinn treiben.
Der Einzug der dampfgetriebenen Maschinen veränderte die Arbeitswelt in den Fabriken wie nie zuvor. Die neumodischen Maschinen, die man aus England importierte, waren teuer, sehr teuer. Sie müssten laufen, rund um die Uhr, der Mensch hechelte hinterher. Mit fortdauernder Übermüdung häuften sich die Unfälle.
"Und Adrian streckte die Arme aus, streifte mit dem Haupthaar die metallenen Schaufeln der eisernen Welle, die unmittelbar von der Dampfmaschine in Bewegung gesetzt ward, und war im nächsten Augenblick - skalpiert! Ein entsetzlicher, aller Mauern durchdringender Schmerzensschrei entschlüpfte ihm - seine Hände erfassten die blitzende, schwingende Welle, und zerrissen wie eine blutige Girlande hing der Unglückliche an dem dampfenden Eisenschaft. Wenige Minuten später stand die Maschine von selber still. Es war, als habe sie ihre Bestimmung erfüllt."
Es verstummten alsbald auch die, die die Erfindung der Dampfmaschine als größtes Unglück der Menschheit geißelten. Die menschlichen Sinne gewöhnten sich nun einmal an Geschwindigkeit. Der Sättigung folgte stets das Verlangen nach mehr. Geschwindigkeit wurde zur Sucht. Und mit ihr eine Arbeitsweise, die die Gesundheit der Menschen aufs Spiel setzte.
Deutschland, 1926. Die Rationalisierung steckte noch in den Anfängen. "Die Rote Fahne", die Zeitung der Kommunistischen Partei, berichtet über eine Arbeiterin aus dem AEG-Konzern, die Sicherungsstücke fertigt:
"Das Band fängt an zu laufen auf die Sekunde genau um 7 Uhr. Und nun heißt es, acht Stunden lang mit der Bewegung sich mitzubewegen. Und stockst du, so muss auch ein Nachbar stocken, und das setzt sich dann fort bis zum Ende des Bandes. Dieses wirft dann die unbearbeiteten Rohstücke wieder aus. Der Meister kommt. Er stellt die schuldige Person fest. Aber auch deine nachbarlichen Arbeitskollegen werden darüber erregt, wenn du versagst. Denn es wird Gruppenakkordlohn gezahlt."
Das Tempo des Fließbandes treibt jeden gleichmäßig zur Arbeit an, hält alle in Atem. Als in den Detroiter Fahrzeugwerken von Henry Ford die ersten Fließbänder anfingen zu laufen, ahnte man noch nicht, wie schnell und ausdauernd der Mensch zu arbeiten vermag. Und ohne es so recht zu ahnen dabei Gefahr läuft, immer noch mehr leisten zu wollen.
Neben Henry Ford steht für den beschleunigten Arbeitsplatz noch ein zweiter Name: Der von Frederick W. Taylor, einem amerikanischen Ingenieur, der die Arbeitsvorgänge in ihre Einzelteile zerlegte und überflüssige Bewegungen und versteckte Pausen durch eine optimierte Organisation des Arbeitsprozesses eliminierte. Die "Roten Fahne” schrieb dazu:
"Mit Hilfe der Stoppuhr werden die geschwindesten Bewegungen bei den geschicktesten und geschmeidigsten Kollegen auf den Bruchteil einer Sekunde genau bemessen. Danach stellt man das Tempo des Bandes ein. Die meisten kommen nicht mit. Diejenigen, welche Forderungen zu stellen wagen, die verlangen, dass das Fließband sich ihrer Arbeitsfähigkeit, ihren abgearbeiteten Knochen anpassen müsse, nicht aber umgekehrt, sie werden an andere Arbeitsstellen versetzt und sind bald überflüssig und arbeitslos. Einige aber versuchen sich anzustrengen. Sie werden herausgenommen, zu Gruppen zusammengestellt und nun aus ihnen "Musterbänder" hergestellt. Auf jene "Musterbänder" mit den besonders gefügigen Arbeitern kann der Meister nun stets verweisen, wenn andere Arbeitsgruppen an den übrigen Bändern gegen das Tempo und aufbegehren”.
Frederick Taylor, dieser Menscheningenieur, betrachtete sein Material nur als Kostenfaktor, und so entstand jenes Taylor-System, das die Menschenwürde des Arbeitenden außer Acht ließ. Georg Glaser, proletarischer Schriftsteller in jener Zeit, packte sein ganzes Unverständnis in den Roman, der er 1932 schrieb und nach "Schluckebier”, dem Protagonisten, benannte.
"Es war im Februar 1927. Das Jahr der Einführung des Fließbandes in den Betrieb der Fahrzeugwerke, in denen der kleine Schluckebier arbeitete. Er stand mit dem Gesicht gegen den Schleifer. Er stand, denn er bediente moderne Maschinen, bei denen man nicht sitzen konnte oder musste wie bei den Handschleifböcken. Acht Stunden am Fließband – das ist anstrengender als zehn Stunden an der Werkbank. Denn hier kann man verschiedene Bewegungen machen, bisweilen einige Minuten aussetzen. Jede Steigerung des Tempos des Fließbandes muss aber automatisch die Schnelligkeit der Arbeitsbewegungen steigern, somit mehr Kraft aus unseren Knochen herausziehen. Es war die selbe Hölle wie an tausend anderen Tagen. Der alte Ronker hatte den gemeinsten Akkord und den größten Mut, wenn es galt, die Meinung zu sagen. Das erste hatte er, weil er das zweite hatte. Der dicke Zilonka war ruhig und sicher in seiner Arbeit; er war halb taub ...
"Auf das Arbeitserlebnis der breiten Arbeitsmassen konnten diese Wandlungen im Arbeitsprozess nicht ohne Rückwirkungen bleiben”, schreibt Ludwig Preller, seit 1926 Regierungsrat im Reichsarbeitsministerium und Chronist der Sozialpolitik in der Weimarer Republik.
Und fährt fort: "Immer weitere Arbeitskreise wurden zu einer Arbeitsweise gedrängt, in der die Möglichkeit individueller Werk- oder Arbeitsfreude mehr und mehr eingeschränkt wurde”.
Musik:
Choro for Lulo
Interpret und Komponist: Itamar Erez
Label: D M G GERMANY
Plattentitel: Hommage
Hommage
Interpret und Komponist: Itamar Erez
Label: D M G GERMANY
Plattentitel: Hommage
Dann heirat doch dein Büro
Interpret: Katja Ebstein
Komponist: Ralph Siegel
Label: Ariola
Plattentitel: Theater, Theater - Die größten Erfolge, die schönsten Melodien
Woncho come on home
Interpret und Komponist: Joan Armatrading
Label: A&M
Plattentitel: Love and affection: Joan Armatrading classics (1975-1983)
Armellodie
Interpret und Komponist: Gonzales, Chilly
Label: Emarcy Records
Plattentitel: Solo piano
aus: Sonneries de la Rose et Croix für Klavier (Rosenkreuz-Läuten)
Komponist: Erik Satie
Label: Philips
Child in time
Interpret: Deep Purple
Komponist: Ritchie Blackmore, Ian Gillan, Roger Glover, Jon Lord, Ian Paice
Label: Emi
Die Geschichte der menschlichen Evolution ist eine Beschleunigungsgeschichte. Kein Fortschritt ohne Temposteigerung. Stillstand heißt Rückschritt. Was zählt, sind Rekorde. Immer höher, immer weiter, immer schneller. Das Risiko fasziniert, und das Verlangen nach mehr Tempo scheint den Menschen um seinen gesunden Menschenverstand zu bringen.
Wie lässt sich anders erklären, dass die fortschrittstrunkenen Zeitgenossen um 1835 ein zischendes, dampfendes, unförmiges und träges Ungetüm, das ein paar Waggons von Nürnberg nach Fürth zog, ausgerechnet nach dem König der Lüfte benannten? Andere, denen das alles suspekt erschien, waren wiederum felsenfest überzeugt, die enorme Geschwindigkeit, mit der der "ADLER" den ersten Eisenbahnzug durch Deutschlands Landschaft zog, würde die Reisenden notgedrungen in den Irrsinn treiben.
Der Einzug der dampfgetriebenen Maschinen veränderte die Arbeitswelt in den Fabriken wie nie zuvor. Die neumodischen Maschinen, die man aus England importierte, waren teuer, sehr teuer. Sie müssten laufen, rund um die Uhr, der Mensch hechelte hinterher. Mit fortdauernder Übermüdung häuften sich die Unfälle.
"Und Adrian streckte die Arme aus, streifte mit dem Haupthaar die metallenen Schaufeln der eisernen Welle, die unmittelbar von der Dampfmaschine in Bewegung gesetzt ward, und war im nächsten Augenblick - skalpiert! Ein entsetzlicher, aller Mauern durchdringender Schmerzensschrei entschlüpfte ihm - seine Hände erfassten die blitzende, schwingende Welle, und zerrissen wie eine blutige Girlande hing der Unglückliche an dem dampfenden Eisenschaft. Wenige Minuten später stand die Maschine von selber still. Es war, als habe sie ihre Bestimmung erfüllt."
Es verstummten alsbald auch die, die die Erfindung der Dampfmaschine als größtes Unglück der Menschheit geißelten. Die menschlichen Sinne gewöhnten sich nun einmal an Geschwindigkeit. Der Sättigung folgte stets das Verlangen nach mehr. Geschwindigkeit wurde zur Sucht. Und mit ihr eine Arbeitsweise, die die Gesundheit der Menschen aufs Spiel setzte.
Deutschland, 1926. Die Rationalisierung steckte noch in den Anfängen. "Die Rote Fahne", die Zeitung der Kommunistischen Partei, berichtet über eine Arbeiterin aus dem AEG-Konzern, die Sicherungsstücke fertigt:
"Das Band fängt an zu laufen auf die Sekunde genau um 7 Uhr. Und nun heißt es, acht Stunden lang mit der Bewegung sich mitzubewegen. Und stockst du, so muss auch ein Nachbar stocken, und das setzt sich dann fort bis zum Ende des Bandes. Dieses wirft dann die unbearbeiteten Rohstücke wieder aus. Der Meister kommt. Er stellt die schuldige Person fest. Aber auch deine nachbarlichen Arbeitskollegen werden darüber erregt, wenn du versagst. Denn es wird Gruppenakkordlohn gezahlt."
Das Tempo des Fließbandes treibt jeden gleichmäßig zur Arbeit an, hält alle in Atem. Als in den Detroiter Fahrzeugwerken von Henry Ford die ersten Fließbänder anfingen zu laufen, ahnte man noch nicht, wie schnell und ausdauernd der Mensch zu arbeiten vermag. Und ohne es so recht zu ahnen dabei Gefahr läuft, immer noch mehr leisten zu wollen.
Neben Henry Ford steht für den beschleunigten Arbeitsplatz noch ein zweiter Name: Der von Frederick W. Taylor, einem amerikanischen Ingenieur, der die Arbeitsvorgänge in ihre Einzelteile zerlegte und überflüssige Bewegungen und versteckte Pausen durch eine optimierte Organisation des Arbeitsprozesses eliminierte. Die "Roten Fahne” schrieb dazu:
"Mit Hilfe der Stoppuhr werden die geschwindesten Bewegungen bei den geschicktesten und geschmeidigsten Kollegen auf den Bruchteil einer Sekunde genau bemessen. Danach stellt man das Tempo des Bandes ein. Die meisten kommen nicht mit. Diejenigen, welche Forderungen zu stellen wagen, die verlangen, dass das Fließband sich ihrer Arbeitsfähigkeit, ihren abgearbeiteten Knochen anpassen müsse, nicht aber umgekehrt, sie werden an andere Arbeitsstellen versetzt und sind bald überflüssig und arbeitslos. Einige aber versuchen sich anzustrengen. Sie werden herausgenommen, zu Gruppen zusammengestellt und nun aus ihnen "Musterbänder" hergestellt. Auf jene "Musterbänder" mit den besonders gefügigen Arbeitern kann der Meister nun stets verweisen, wenn andere Arbeitsgruppen an den übrigen Bändern gegen das Tempo und aufbegehren”.
Frederick Taylor, dieser Menscheningenieur, betrachtete sein Material nur als Kostenfaktor, und so entstand jenes Taylor-System, das die Menschenwürde des Arbeitenden außer Acht ließ. Georg Glaser, proletarischer Schriftsteller in jener Zeit, packte sein ganzes Unverständnis in den Roman, der er 1932 schrieb und nach "Schluckebier”, dem Protagonisten, benannte.
"Es war im Februar 1927. Das Jahr der Einführung des Fließbandes in den Betrieb der Fahrzeugwerke, in denen der kleine Schluckebier arbeitete. Er stand mit dem Gesicht gegen den Schleifer. Er stand, denn er bediente moderne Maschinen, bei denen man nicht sitzen konnte oder musste wie bei den Handschleifböcken. Acht Stunden am Fließband – das ist anstrengender als zehn Stunden an der Werkbank. Denn hier kann man verschiedene Bewegungen machen, bisweilen einige Minuten aussetzen. Jede Steigerung des Tempos des Fließbandes muss aber automatisch die Schnelligkeit der Arbeitsbewegungen steigern, somit mehr Kraft aus unseren Knochen herausziehen. Es war die selbe Hölle wie an tausend anderen Tagen. Der alte Ronker hatte den gemeinsten Akkord und den größten Mut, wenn es galt, die Meinung zu sagen. Das erste hatte er, weil er das zweite hatte. Der dicke Zilonka war ruhig und sicher in seiner Arbeit; er war halb taub ...
"Auf das Arbeitserlebnis der breiten Arbeitsmassen konnten diese Wandlungen im Arbeitsprozess nicht ohne Rückwirkungen bleiben”, schreibt Ludwig Preller, seit 1926 Regierungsrat im Reichsarbeitsministerium und Chronist der Sozialpolitik in der Weimarer Republik.
Und fährt fort: "Immer weitere Arbeitskreise wurden zu einer Arbeitsweise gedrängt, in der die Möglichkeit individueller Werk- oder Arbeitsfreude mehr und mehr eingeschränkt wurde”.
Musik:
Choro for Lulo
Interpret und Komponist: Itamar Erez
Label: D M G GERMANY
Plattentitel: Hommage
Hommage
Interpret und Komponist: Itamar Erez
Label: D M G GERMANY
Plattentitel: Hommage
Dann heirat doch dein Büro
Interpret: Katja Ebstein
Komponist: Ralph Siegel
Label: Ariola
Plattentitel: Theater, Theater - Die größten Erfolge, die schönsten Melodien
Woncho come on home
Interpret und Komponist: Joan Armatrading
Label: A&M
Plattentitel: Love and affection: Joan Armatrading classics (1975-1983)
Armellodie
Interpret und Komponist: Gonzales, Chilly
Label: Emarcy Records
Plattentitel: Solo piano
aus: Sonneries de la Rose et Croix für Klavier (Rosenkreuz-Läuten)
Komponist: Erik Satie
Label: Philips
Child in time
Interpret: Deep Purple
Komponist: Ritchie Blackmore, Ian Gillan, Roger Glover, Jon Lord, Ian Paice
Label: Emi
Plattentitel: Black night