Schmelztiegel am Mekong
Geisterglaube, Opium, Vertreibung und Buddhismus – das Goldene Dreieck ist geheimnisvoll und reich an Kontrasten. Der große Strom Mekong durchzieht die Region wie eine Lebensader im Grenzgebiet zwischen Thailand, Laos und Myanmar.
Eine Welt zwischen Tradition und Moderne, zwischen Beschaulichkeit und dem Wandel hin zum schnellen Leben. Bis in entfernte Täler und dicht bewachsene Höhenzüge durchzieht der Mekong die Region, wie eine Lebensader lässt er sie pulsieren.
Der Mekong
"Vor uns, in der Ferne, tauchte der Mekong auf, dessen Anblick ich schon seit Stunden bei jeder Krümmung erwartet hatte. Seit drei Tagen trug uns der Nam Kok diesem gewaltigen Strom entgegen", berichtete Auguste Pavie, französischer Forscher und späterer Vizekonsul des laotischen Königreichs von Luang Phabang, um 1887 an der Mündung des Nam Kok, der von Osten her durch den Norden von Thailand in den Mekong fließt.
"Beim Zusammenfluss der beiden Ströme bildeten seine kantigen, steilen Ufer den Rahmen eines Bildes, das vom fernen, am Horizont liegenden Ufer begrenzt wurde. Wie sehr ergriff mich der Anblick dieses so lange ersehnten Bildes. Wäre auf der Böschung ein Pfad gewesen, hätte ich ihn sofort bestiegen, um ganz allein die sich langsam vor meinen Augen entfaltende Landschaft als Gesamtbild und zugleich in allen Einzelheiten zu genießen."
Rein geographisch bildet der Zufluss des Nam Ruak in den Mekong das Dreieck zwischen dem Osten von Myanmar, dem Norden Thailands und dem nördlichen Teil von Laos, der sich darüber erstreckt. Das Adjektiv "golden" bezieht die Region vermutlich aus dem Gold, mit dem früher chinesische Händler Opium bezahlten. Genau weiß das niemand. Sicher ist nur, dass die Gegend bezaubert, mit dem Mekong in ihrer Mitte und den Tempeln an den Ufern.
Region der vielen Völker
Die vielen Völker des Goldenen Dreiecks versuchen sich ihre Lebensader, den Mekong, zu erhalten, die Ressourcen zu teilen. Auch, wenn nun wegen der Staudämme am oberen Flusslauf weniger Wasser durch die Ebenen fließt. Auch, wenn die Menschen immer mehr werden, die sich ihren angestammten Platz zu erhalten suchen – oder weiterziehen. Was sie schon seit Jahrhunderten getan haben, all die Völker, die sino-tibetischen, die Mon und Khmer, Khamen und Thai, die Birmanen und Chinesen. Sie alle haben im Goldenen Dreieck über die Zeiten gelernt, sich zurechtzufinden und, wenn nötig, auszuweichen.
In Sipsongpanna leben die Thai Lüü, Sipsongpanna bedeutet: Land der zwölf Gemeinden, eine fast durchweg bergige, subtropische Region. Sie erstreckt sich als Teil der chinesischen Provinz Yunnan im Norden des heutigen Laos den Mekong hinauf und grenzt im Westen an Myanmar. Nicht viel weiter im Norden siedeln bereits tibetische Völker in den Bergen. Die Thai Lüü aber waren über Jahrhunderte eine der größten Ethnien am Goldenen Dreieck.
Ihr Gebiet bestand aus so genannten Müang, kleinen Ansiedlungen. Die Menschen bewirtschafteten das Land, sie bauten hauptsächlich Reis an, und zur Feldarbeit holten sie sich die so genannten Kha, die Sklaven aus den Wäldern der Umgebung. Größere Müang waren befestigt und es bildeten sich zwischen den Anführern, die gemeinhin dem Thai Lüü-Adel zuzurechnen waren, es gab diverse Bündnisse, aber auch immer wieder Feindschaften. Eines hatten die Müang und ihre Fürsten gemeinsam. Sie waren abhängig von ihren 'Eltern', von zwei großen Mächten, erklärt der Ethnologe Volker Grabowsky.
"Es gab eine Metapher, die bedeutet: Der chinesische Kaiser ist wie unser Vater und der birmanische König wie unsere Mutter. Und wenn das Kind Probleme hat mit seinem Vater, wendet es sich zur Mutter und bittet die Mutter um Hilfe und umgekehrt ja auch. Und das hat dann auch entsprechende Gegenreaktionen provoziert und unter anderem dann auch die chinesische Intervention, also dann gab es bis zu drei verschiedene Mächte, die dann ja letztlich in diesen Bürgerkrieg in Sipsongpanna involviert waren, der ja über Jahrzehnte schwelte und immer wieder zu Fluchtbewegungen führte."
Die Thai Lüü taten sich bald mit anderen Thai-Völkern und einigen Bergstämmen zusammen und behaupteten sich mehr schlecht als recht beiderseits des Mekong gegen Birmanen, Chinesen und auch gegen das thailändische Königreich im Süden, bis schließlich andere Mächte am Horizont auftauchten. Die Briten hatten sich etwas später im Osten Burmas festgesetzt und die Franzosen in Indochina.
Khun Sa und das Opium
In der bergigen Grenzregion am Mekong wächst der Schlafmohn, aus dem das Opium gewonnen wird, besonders gut. Das Rauschmittel ist untrennbar mit der Region verbunden. Was amtlicherseits, egal auf welcher Seite des Mekong, so niemals unterschrieben würde. Vielleicht auch deshalb hat man ein Opium-Museum eingerichtet, um das Problem als weitestgehend gelöst der Vergangenheit anheimzugeben.
Mit Opium konnte man hervorragend Geld machen. Die CIA verdiente Millionen damit. Frankreich hat fast den gesamten Indochinakrieg mit dem Verkauf von Opium finanziert. Als aber der Krieg verloren wurde, brachen diese Einnahmen natürlich mit einem Mal weg. Andere hatten sich längst ins Spiel gebracht: Im Museum hängt neben der Wachsfigur im Käfig ein schwarz-weißes Foto, ein Porträt des Opiumfürsten schlechthin, Khun Sa: dunkles, volles Haar, ausdrucksvolles Gesicht.
Jahrzehntelang war Khun Sa Symbolfigur für den Opiumhandel im Goldenen Dreieck, ohne je dafür belangt zu werden. Ein Drogenbaron, der die Öffentlichkeit liebte, einer, der sich in einer Region durchsetzte, in der es darum ging, zu töten oder getötet zu werden, in einem Schmelztiegel aus ethnischen Rivalitäten und Armeen, die sich durch den Verkauf von Heroin finanzierten. Khun Sa war der Anführer einer Separatisten-Armee der Shan, einer ethnischen Gruppe, die mit den Thai verwandt ist und im Nordwesten von Myanmar siedelt. Auf der Höhe seiner Macht kontrollierte er 70 Prozent des Heroinhandels. Damit konnte er Zehntausende von Soldaten unterhalten und große Heroinlabore im Dschungel betreiben.
Der Opiumrausch
Erntezeit des Opiums ist am frühen Morgen. Wenn unten in den Tälern noch die Nebel wabern und die ovalförmigen Kapseln des Schlafmohns prallgefüllt und schwer auf den dünnen Pflanzenstengeln wippen. Glatthäutig, grün und unreif. Gerade recht, um die Haut mit einem Messer anzuritzen, so geschickt, dass der Saft nicht nach innen, sondern nach außen über die Narbenscheibe sickert und dort klebenbleibt. Schon im 19 Jahrhundert saugten Menschen der westlichen Welt an der Opiumpfeife. Dichter und Denker ließen sich in Trance fallen und griffen dann zur Feder, so als hätten sie sich im Rausch in die Gegend versetzt, in der die Mohnpflanze wächst. Charles Baudelaire:
"Im Zittern eines Blattes, im Summen einer Biene, in den vagen, dem Walde entsteigenden Düften entstand eine ganze Welt von Eingebungen, eine herrliche und bunte Prozession ungeordneter und rhapsodischer Gedanken. Du verleihst zunächst dem Baum deine Leidenschaften, deinen Wunsch oder deine Melancholie. Sein Seufzen und sein Zittern wird zu deinem. Ebenso stellt der Vogel, der in der Tiefe des Himmels schwebt, zunächst die unsterbliche Lust, über den menschlichen Dingen zu gleiten, dar; aber schon bald bist du der Vogel selbst."
Arthur Rimbaud hatte sich womöglich ein paar Züge mehr genehmigt:
"Ich habe Gift genommen, genug, um einen Elefanten zu fällen. Dreimal gesegnet sei der Gedanke, der mich zu dieser Tat trieb. Ich habe die Bekehrung zum Guten, zum Glück und zum Heil gesehen. Jesus schwebt über den sturmgepeitschten Wassern. Und der Mond zeigt ihn aufrecht, weiß und mit braunen Locken an der Seite einer Edelstein-hellen Welle. Ich will alle Geheimnisse entschleiern."
Buddhismus und Geisterglaube
Theravada ist die älteste Glaubensrichtung des Buddhismus. Sie wird in den Ländern rund um das Goldene Dreieck praktiziert, aber auch in Sri Lanka. Schon bald nach Buddhas Tod stritten sich die nachgeborenen Jünger darüber, wie mit Opfergaben umgegangen werden solle, ob man überhaupt ins Dorf gehen und Speisen einsammeln dürfe. Diese Opfergänge waren aber auch in der jüngeren Vergangenheit nicht selbstverständlich. Jedenfalls in Laos nicht.
1975 hatten die Kommunisten König Sawang Vattana zum Abdanken gezwungen und eine Volksrepublik ausgerufen. Die laotische Geistlichkeit stand massiv unter Druck: Viele Mönche flohen vor den Pathet Lao und ihren politischen Nachfolgern über den Mekong nach Thailand, andere wurden in Umerziehungslager gesteckt. Landesweit hielt man sie dazu an, gefälligst selbst Felder zu bestellen und sich von eigener Hände Arbeit zu ernähren, anstatt sich durch Opfergaben aushalten zu lassen. Doch bald nahm die Regierung das Verbot zurück, zu tief sitzt der Glaube der Menschen am Mekong.
Schließlich verbindet sich der Buddhismus auch mit jenem animistischen Glauben, der für viele Völker immer noch die Basis ihres spirituellen Lebens darstellt. Der Theravada-Buddhismus kennt neben dem Geist, der alljährlich im Sinne eines Neuanfangs entsteht, auch eine andere Art von Geistlichkeit. Sie kommt aus der Mystik, aus dem Magischen, etwas, das nicht von dieser Welt ist, dessen Kraft aber herüberreicht. Der Glaube an Phii, an Geister, wird als die wichtige Quelle der Spiritualität bezeichnet. Meist sind das Lokalgeister, die man durch das Einhalten buddhistischer Regeln zu besänftigen sucht. So ergeben sich aus dem Buddhismus und dem Geisterglauben Synergie-Effekte.
Eine Produktion von Deutschlandfunk/Deutschlandfunk Kultur 2020. Das Skript zur Sendung finden Sie hier