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Glühend verehrt, schmerzlich entzaubert
"Es gab in seinem Charakter Mängel"
Carolin Widmann, Geigerin: "Es gab einen richtigen Schlüsselmoment, wo ich wirklich dachte, ich hör einfach auf mit Geige, das war in Paris bei einem Meisterkurs. Mit meiner Lehrerin haben ganz viele andere Geiger dagesessen. Ich hatte fünf, sechs Stücke vorbereitet und sie sagte, sie möchte gerne Paganini fünfte Caprice hören. Ich habe die jetzt seit einem halben Jahr nicht gespielt, dann habe ich mich irgendwie durchgekämpft und sie hat sich totgelacht, sich eine Zigarette angesteckt und gesagt: Nee, also, dann kann es ja nichts werden."
Anna Lucia Richter, Sängerin: "Meine Eltern haben immer gesagt, dass es ihnen einfach darum geht, dass wir glücklich sind und ob das nun mit der Musik oder mit etwas anderem passiert, ist zweitrangig. Aber natürlich, wenn man das immer so mitbekommen hat, dann hat man einfach auch eine Freude daran."
Monika Henschel, Bratschistin: "Jemand muss uns tief berühren, damit er für uns zum Vorbild wird. Das sind keine bewussten Entscheidungen, die wir da treffen."
Carolin Widmann, Geigerin
"Davor war sie eine gestandene Solistin"
Carolin Widmann: "Ich ging direkt nach dem Abitur mit Achtzehn nach Paris um mit ihr zu studieren und dabei muss ich sagen, wenn sie in Sibirien gewesen, wäre ich auch dorthin gegangen. Das war eine unglaublich faszinierende Person, die wirklich gesagt hat, was sie denkt, ein unglaublich politischer Mensch. Sie war verheiratet mit einem Widerstandskämpfer im dritten Reich in Frankreich und sie war eine Interpretin, die großartig war. Sie musste mit 34 aufhören zu spielen, weil sie sich die Schulter gebrochen hatte bei einem Autounfall. Aber davor war sie eine gestandene Solistin. Sie hatte in ihrem Unterrichtsstil eine unglaubliche unerbittlicher Strenge und Härte, die mich aber wirklich angetrieben hat zu Höchstleistungen.
Michèle Auclair bei Wikipedia
Website von Carolin Widmann
Literaturtipp:
Midori Goto. Einfach Midori – eine Autobiografie. Henschel-Verlag 2004
Gerade 31 Jahre alt war die japanische Geigerin Midori, als sie am Sylvesteraend 2002 ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum feierte: Auf Einladung von Zubin Mehta hatte die damals 11-jährige ihr glanzvolles Debüt mit dem New York Philharmonic Orchestra gegeben. In ihrer außergewöhnlich offenen Autobiografie lässt sie die Zeit zwischen diesen beiden Polen Revue passieren.
Anna Lucia Richter, Sopranistin
Anna Lucia Richter. Geboren 1990 in Köln. Die Mutter: Sängerin. Der Vater: Geiger im Gürzenich-Orchester Köln. Der Großvater: ein musikalischer Allrounder, der außer Klavier hervorragend Trompete spielte und als Tenor in Bach-Passionen sang. Die Großmutter: Bratschistin. Der Onkel: Cellist. Die Tante: Flötistin. Der Bruder: Kontrabassist. Der Urgroßvater: Generalmusikdirektor in Bonn und Gründer der Bonner Bach-Gemeinschaft.
Anna Lucia Richter: "Es war nie ein Zwang dahinter, sondern einfach ganz viel Freude. Wenn mein Vater sich sonntags ans Klavier gesetzt hat, war mein Lieblingsort unter dem Flügel auf dem weichen Teppich zu liegen mit Blick nach oben und quasi den Resonanzboden zu betrachten oder seine Füße, wie die Pedale sich bewegen. Das sind ganz, ganz frühe Erinnerungen. Mein Großvater war immer so ein Spielkind, der hat einfach sich oft ans Klavier gesetzt und los gespielt, was ihm gerade in den Kopf kam. Er hat einfach Lieder, die ich ihm vorgesungen habe, ad hoc begleitet oder plötzlich in ganz andere Epochen bewegt. Dann war ein Lied plötzlich Mozart-begleitet oder schuberthaft oder was auch immer."
"Zwei wichtige Bezugspersonen in einer Zeit"
Anna Lucia Richter: "Eine der größten Sopranistinnen, Konzert- und Opernsängerinnen, die es gab, finde ich. Sie war, ich glaube, sieben Jahre fest an der Wiener Staatsoper und hat sich dann verabschiedet von der Oper, weil sie gesagt hat, dass sie nur dann Oper singen möchte, wenn die richtigen Sänger die richtigen Partien singen können, und wenn genügend Proben da sind, dass das Orchester eben auch die Sänger tragen kann und das hat sie damals in Wien offenbar nicht genügend gefunden. Das ist ein irrsinniger Mut, der dazugehört, ein wahnsinniger Sprung in die Freiberuflichkeit.
Arleen Augér bei Wikipedia
Website von Anna Lucia Richter
Literaturtipps:
Margriet de Moor. Der Virtuose. Hanser Verlag 2017
Die junge verheiratete Contessa Carlotta reist für eine Opernsaison nach Neapel und verliebt sich leidenschaftlich in den Sänger Gasparo Conti. Sie gewinnt die Zuneigung des hinreißend schönen Kastraten, der mit seiner Sopranstimme die Zuhörer vollkommen verzaubert. Einen Sommer lang begleitet sie ihn und erlebt rauschhafte Wochen der Musik, der Verführung und des erotischen Raffinements.
Wolf Wondratschek. Mara. Hanser Verlag 2003
Die abenteuerliche Geschichte eines Cellos, von ihm selbst erzählt: Es ist mehrmals um die Welt gereist, hat für Könige und Bürger gespielt, in Kathedralen, Schlössern und modernen Philharmonien. Es hat 300 Jahre auf dem Buckel, klingt wie am ersten Tag und hat seinen Namen von dem berüchtigten Virtuosen Mara, dessen Eskapaden im 18. Jahrhundert für Gesprächsstoff sorgten. Die spannende Zeitreise des 1711 von Antonio Stradivari hergestellten Mara-Cellos.
Tanja Tetzlaff, Cellistin
Geboren Anfang 1970 in Hamburg. Die ältere Schwester: Flötistin. Ein älterer Bruder: Dirigent. Ein weiterer Bruder: der Geiger Christian Tetzlaff. Von ihm wird noch die Rede sein. Tanja Tetzlaff ist 17 Jahre alt, als sie die Möglichkeit bekommt, Heinrich Schiff vorzuspielen. Den großen Cellovirtuosen, der auf dem sagenumwobenen "Mara" von Stradivari und "Sleeping Beauty" von Montagnana spielte, kannte sie aus seiner Zusammenarbeit mit ihrem Bruder Christian. In den 1980er und 1990er Jahren gehörte Heinrich Schiff zu den wenigen Stars am Cello, die Konzerthallen füllten. Noch vor dem Boom zur Jahrtausendwende, als der Markt mit herausragenden Cellisten geradezu geflutet wurde. Mit seinen roten Cellokästen, dem weißen Porsche und einem exzentrischen Lebensstil umgab Heinrich Schiff ein gewisser Starkult. Mit größter Ernsthaftigkeit fühlte er sich Werk und Willen der Komponisten verpflichtet und engagierte sich intensiv als Lehrer und Mentor für seine Schüler.
Eine eingeschworene Gemeinschaft
Intensiver Unterricht, intensives Üben in der übrigen Zeit des Tages und abends Kulinarisches, persönlich zubereitet von Heinrich Schiff. Sieben Schüler und ein passionierter Lehrer. Eine eingeschworene Gemeinschaft. Tanja Tetzlaff erinnert sich gut an die Faszination, die von Heinrich Schiff ausging als Lehrer, Musiker, Mensch.
Tanja Tetzlaff: "Die unglaubliche Energie, die er in das Cello spielen und in das Unterrichten und in das Kochen und Billardspielen und alles reingesteckt hat und ich war immer so ein bisschen mit niedrigen Blutdruck unterwegs im Leben und habe da glaube ich eine ganze Menge abgucken können und gelernt, dass das mal einfach in dem Moment, wo man was rüberbringen möchte, muss man einfach unendlich dabei sein und voller Energie sein. Er hat unterrichtet, also zugehört, dann sehr viel vorgemacht, er hat verschiedene Möglichkeiten angeboten und er hat auch durchaus mal nachgemacht, wenn was blöd war, das ist natürlich immer fies, aber er hat dann auch immer dazu gesagt, okay, das ist jetzt übertrieben und für mich ist er so ein Feuer gewesen wirklich."
Heinrich Schiff bei Wikipedia
Website von Tatjana Tetzlaff
Monika Henschel, Bratschistin
Monika Henschel. Bratschistin. Aufgewachsen mit zwei Geige spielenden Brüdern. Studien unter anderem in London und bei internationalen Meisterkursen. 1994 gründeten Monika Henschel und ihre Brüder zusammen mit dem Cellisten Mathias Beyer-Karlshoj das Henschel Quartett. Neben den Eltern, die beide Berufsmusiker waren, erinnert sich Monika Henschel an bedeutende Lehrer, wie die Mitglieder des Amadeus Quartetts. Sie gaben wichtige Impulse und beeinflussten die Klangkultur und Spielweise des jungen Streichquartetts. Prägendes Vorbild ihrer Kindheit war jedoch der Dirigent Sergiu Celibidache.
Monika Henschel: "Unser Vater war Mitglied im Orchester und Maestro wollte nicht in einem Hotel wohnen, sondern privat und man wusste, dass wir Platz haben und so guckte das Orchester unseren Vater an und unsere Mutter wurde dann überrascht und keiner wusste, dass es zwei Jahre sein würden, aber es war natürlich eine unendliche Bereicherung. So kam plötzlich ein Vorbild in unser Leben um es mal so ganz konkret zu schildern, dem man sich gar nicht entziehen konnte. Es wäre gelogen, wenn sich irgendjemand diesem Geist hätte entziehen können, so streitbar er war. Da sind wir ja alle völlig einig. Das war eben ein starker Einfluss, ein starkes Vorbild."
Sergiu Celebidachi - Eine Annäherung
Website des Henschel Quartetts
Markus Stockhausen, Trompeter
Wichtiges Vorbild und Lehrer im Jazz war in frühen Jahren für Markus Stockhausen einer der prägenden deutschen Jazztrompeter im 20. Jahrhundert: Manfred Schoof. Beide interpretierten daneben auch zeitgenössische Musik und hatten zwei bedeutende Avantgardisten der Nachkriegszeit zum Vorbild. Markus Stockhausen seinen Vater Karlheinz Stockhausen. Manfred Schoof seinen Kompositionslehrer an der Kölner Musikhochschule und Antipode Stockhausens, Bernd Alois Zimmermann.
"Heute kann ich das gelassener sehen"
Markus Stockhausen, geboren 1957 in Köln. Sohn von Karlheinz Stockhausen und Doris Andreae. Drei Schwestern, zwei Halbgeschwister aus der Ehe seines Vaters mit der Künstlerin Mary Bauermeister. Mit 12 beginnt Markus Stockhausen Trompete zu spielen. Das Instrument wird ihm schnell zur zweiten Natur. Von Tanzmusik bis Kirchen- und Hochzeitsmusik nutzt er jede Gelegenheit, sich an dem Instrument zu erproben. Größte Inspirationsquelle dieser Jahre des Lernens sind Konzertreisen mit seinem Vater, nachzulesen in der Biografie Markus Stockhausens.
Markus Stockhausen ist 16 Jahre alt, als er die ersten Partien in Stücken seines Vaters übernimmt, "Sirius" und "Sternklang". Er ist 20, als sein Vater das erste Trompetenkonzert für ihn schreibt: "Michaels Reise". Eine intensive Zeit. Musikalisch und in der persönlichen Beziehung zu seinem Vater, dem Markus Stockhausen nach der Trennung der Eltern, als er sieben war, vor allem durchs gemeinsame Musizieren nahe sein kann.
Für Markus Stockhausen sein Vater als Künstler großes Vorbild geblieben.
Markus Stockhausen: "Sagen wir mal so, jemand der für mich ein Vorbild ist, dass er seine Ideen seine Visionen umgesetzt hat in der Welt, er war immer zehn Schritte voraus. Ich glaube, dass er einfach ein absolut kreativer Geist war. Er hat ja auch selber gesagt, er kommt vom Sirius, wer weiß, was die da für eine Musik machen. Und dann ist er hier vielleicht auf eine Etappe hergekommen auf die Erde und hat hier versucht, seine musikalischen Visionen zu verwirklichen. Er ist ein genuiner Geist, ein Genie sagt man zu so jemandem, der zumindest in einem Gebiet, der Musik, so weit voraus war, viel zu viele Türen aufgemacht hat, wo nachher ganz viele Komponisten die Teilaspekte dann weiter ausgearbeitet haben."
Ausgleich zur strengen Arbeit mit seinem Vater
Markus Stockhausen: "Manfred Schoof spielte wie kein anderer Trompeter, der hatte eine Technik, der konnte in den höchsten Höhen spielen damals, hat aber die Finger immer so bewegt wie ich das überhaupt nicht verstand auf der Trompete. Ich dachte, was spielt der für Skalen, was für Läufe und da habe ich mich mal getraut zu fragen bei irgendeinem Jazzkonzert damals in Köln 73 oder 74. Ja, wie machst du das eigentlich, welche Fingersätze nimmt man und der hat das im Grunde genommen sehr, sehr frei gemacht und bei der Geschwindigkeit kommen dann irgendwelche zufälligen Läufe raus.
Website Karlheinz Stockhausen
Website von Markus Stockhausen
Literaturtipp
Ekkehard Jost. Europas Jazz. Fischer Verlag 2015
Jazz in Europa – das hieß lange Zeit so viel wie amerikanischer Jazz, unabhängig davon, ob er von amerikanischen oder europäischen Musikern dargeboten wurde. Erst mit dem Aufkommen des Free Jazz in den USA und der damit verbundenen Befreiung von den traditionellen jazzmusikalischen Ordnungsprinzipien begannen sich jüngere europäische Musiker vom Einfluß ihrer amerikanischen Leitbilder zu lösen. Dies führte in den sechziger und siebziger Jahren dazu, daß sich eine eigenständige europäische Jazzsprache entwickelte, deren bedeutendste Vertreter Ekkehard Jost hier vorstellt.
Manfred Schoof, Trompeter
Manfred Schoof: "Ja, ich glaube, dass mein erstes Vorbild Harry James war und zwar nicht durch sein Spiel, sondern vor allem durch diesen Film "Badende Venus", wo er aufgetreten ist, mit so einem glänzenden weißen Anzug und die Musiker aus seinem Orchester mit ebenfalls weißen Anzügen und goldenen Instrumenten und die Trompete sowieso als dieses Symbol für Signal, für Aufbruch und da glaube ich war der wirklich erste Eindruck, der erste Impuls, der mich bestärkt hat in meinem Ziel Musiker zu werden."
Talent wurde von den Eltern früh erkannt
Und doch war es ein Komponist der zeitgenössischen Musik, der für den Jazztrompeter Manfred Schoof als Vorbild wegweisend wurde: Bernd Alois Zimmermann. Bei ihm studierte Manfred Schoof während seines Studiums von 1958 bis 1963 an der Hochschule für Musik in Köln Komposition. "Der war sehr interessiert an der Jazzmusik", erinnert sich Manfred Schoof. "Er hat erkannt, dass die Jazzmusik eine Bereicherung ist mit ihrer Improvisationsgabe. Bernd Alois Zimmermann war ein ganz wichtiger Mensch für mich, meine Arbeit und überhaupt für die Jazzmusik." Bernd Alois Zimmermann wurde Vorbild und Inspirationsquelle in einer Zeit, als sich im Jazz und in der neuen Musik gleichermaßen die Grenzen auflösten und sich beide Genres in Ausdruck und Gestik annäherten.
Website über Bernd Alois Zimmermann
Harry James bei Wikipedia
Chat Baker bei Wikipedia
Website von Manfred Schoof
Literaturtipp
Miles Davis. Die Autobiografie". Hoffmann und Campe Verlag
Als Miles Davis am 28. September 1991 in Santa Monica verstarb, verlor die Welt ihren wohl bedeutendsten Jazzmusiker. Egal, ob im Bebop der 40er, beim Cool Jazz in den 50ern oder beim Jazz-Rock in den 70ern - Miles Davis war immer ganz vorn dabei. Kurz vor seinem Tod schrieb er diese beeindruckende Autobiographie.