Eine Liebe am Roulettetisch
Nach ihrem vorangegangenen Roman "Mit der Geschwindigkeit des Sommers" erzählt Julia Schoch auch in "Selbstporträt mit Bonaparte" eine eigenwillige Liebesbeziehung. Die Leidenschaft des Paares gehört einander - und dem Kasino.
Julia Schoch bleibt sich treu. Sie schreibt keine umfangreichen Romane, keine generationenreichen Familiensagas, und sie legt großen Wert darauf, für das, was sie erzählen möchte, genau zugeschnittene Sprach- und Erzählformen zu finden. Wie in ihrem – viel gelobten – vorangegangenen Roman "Mit der Geschwindigkeit des Sommers" geht es auch in "Selbstporträt mit Bonaparte" um eine eigenwillige Liebesbeziehung, die ein jähes Ende findet, und wieder setzt Julia Schoch alle vermeintlich gesicherte Chronologie außer Kraft, lässt Daten und Zeiträume verschwimmen.
Die Ich-Erzählerin, in einem DDR-Ostseeort aufgewachsen und nun in P. (einer Stadt, die nicht nur Potsdamer vielleicht für Potsdam halten dürfen) lebend, arbeitet, nachdem sie eine Universitätsstelle aufgegeben hat, als Schriftstellerin und Katalogtexterin. Vor rund zehn Jahren lernte sie auf einem Historikerkongress einen Mann mit "herrlichen Schlüsselbeinen" kennen, der – ehe er promovierte – beim Bau einer Erdgastrasse sein Geld verdiente.
Wenige Worte genügen, und beide wissen, dass sie füreinander bestimmt sind, verbunden durch die Leidenschaft des Roulettespiels. Hunderte Male besuchen sie Kasinos, "die sichersten Orte der Welt", wo sie sich "gegen das Draußen" abgepolstert fühlen. Die Erzählerin und ihr Geliebter Bonaparte, so genannt wegen seiner Adlernase, haben ihre ideale Zufluchtsstätte gefunden.
Das Erzählen setzt ein, als sich Bonaparte aus dem Staub gemacht hat und die Erzählerin schreibend dem nachspürt, was die merkwürdige Liebe zu ihm ausgemacht hat. Sich von Beispielen der Weltliteratur abwendend, in der die Spielsucht nur als "Verirrung" dargestellt werde, und die Geschichte realer Roulettevirtuosen wie Benno Winkel oder Erich Puch zitierend, will sie verdeutlichen, dass Roulettespieler "Menschen der Möglichkeit" sind, die nicht mit moralischen oder therapeutischen Maßstäben zu fassen sind. Die Liebenden kommen nur im Ritual des Spiels zu sich und zueinander.
"Selbstporträt mit Bonaparte" – der Titel erinnert nicht zufällig an Stillleben – lässt seine Protagonisten aus der Zeit ausscheren. Der DDR wird zwar nicht nachgetrauert, aber die baulichen Veränderungen, die man P. aufzwingt, werden als Auslöschung der alten Stadt verstanden. Die Vergangenheit gibt es nicht mehr. Kein Wunder folglich, dass nur das Verweilen im Kasino, das "beständige Rauschen der Kessel" verbindliche Dauer verspricht, und kein Wunder, dass die Erzählerin nach Bonapartes Verschwinden nach Venedig flüchtet, wo keine Zukunft wartet: "Alles Wesentliche ist schon passiert, das Ende des Zeitstrahls erreicht."
Julia Schoch findet in ihrem für sie typischen mal spröden, mal poesiegeladenen Ton einen geschickten Weg, Themen und Motive miteinander zu verbinden und daraus ein unauflösbares Geflecht zu machen. Das hat großen, wenn auch manchmal etwas bemühten Reiz, und am Ende imaginiert sich die Erzählerin in eine Situation, wo die Ruhe nach dem Sturm waltet und nichts, noch nichts geschieht. Sie liegt in einem Hotelzimmer und wartet, worauf auch immer.
Besprochen von Rainer Moritz
Julia Schoch: Selbstporträt mit Bonaparte
Piper Verlag, München 2012
142 Seiten, 16,99 Euro
Die Ich-Erzählerin, in einem DDR-Ostseeort aufgewachsen und nun in P. (einer Stadt, die nicht nur Potsdamer vielleicht für Potsdam halten dürfen) lebend, arbeitet, nachdem sie eine Universitätsstelle aufgegeben hat, als Schriftstellerin und Katalogtexterin. Vor rund zehn Jahren lernte sie auf einem Historikerkongress einen Mann mit "herrlichen Schlüsselbeinen" kennen, der – ehe er promovierte – beim Bau einer Erdgastrasse sein Geld verdiente.
Wenige Worte genügen, und beide wissen, dass sie füreinander bestimmt sind, verbunden durch die Leidenschaft des Roulettespiels. Hunderte Male besuchen sie Kasinos, "die sichersten Orte der Welt", wo sie sich "gegen das Draußen" abgepolstert fühlen. Die Erzählerin und ihr Geliebter Bonaparte, so genannt wegen seiner Adlernase, haben ihre ideale Zufluchtsstätte gefunden.
Das Erzählen setzt ein, als sich Bonaparte aus dem Staub gemacht hat und die Erzählerin schreibend dem nachspürt, was die merkwürdige Liebe zu ihm ausgemacht hat. Sich von Beispielen der Weltliteratur abwendend, in der die Spielsucht nur als "Verirrung" dargestellt werde, und die Geschichte realer Roulettevirtuosen wie Benno Winkel oder Erich Puch zitierend, will sie verdeutlichen, dass Roulettespieler "Menschen der Möglichkeit" sind, die nicht mit moralischen oder therapeutischen Maßstäben zu fassen sind. Die Liebenden kommen nur im Ritual des Spiels zu sich und zueinander.
"Selbstporträt mit Bonaparte" – der Titel erinnert nicht zufällig an Stillleben – lässt seine Protagonisten aus der Zeit ausscheren. Der DDR wird zwar nicht nachgetrauert, aber die baulichen Veränderungen, die man P. aufzwingt, werden als Auslöschung der alten Stadt verstanden. Die Vergangenheit gibt es nicht mehr. Kein Wunder folglich, dass nur das Verweilen im Kasino, das "beständige Rauschen der Kessel" verbindliche Dauer verspricht, und kein Wunder, dass die Erzählerin nach Bonapartes Verschwinden nach Venedig flüchtet, wo keine Zukunft wartet: "Alles Wesentliche ist schon passiert, das Ende des Zeitstrahls erreicht."
Julia Schoch findet in ihrem für sie typischen mal spröden, mal poesiegeladenen Ton einen geschickten Weg, Themen und Motive miteinander zu verbinden und daraus ein unauflösbares Geflecht zu machen. Das hat großen, wenn auch manchmal etwas bemühten Reiz, und am Ende imaginiert sich die Erzählerin in eine Situation, wo die Ruhe nach dem Sturm waltet und nichts, noch nichts geschieht. Sie liegt in einem Hotelzimmer und wartet, worauf auch immer.
Besprochen von Rainer Moritz
Julia Schoch: Selbstporträt mit Bonaparte
Piper Verlag, München 2012
142 Seiten, 16,99 Euro