Eine "Liebeserklärung" an meinen Vater

20.12.2009
In dem neuen Film von Leander Haußmann kämpfen hochverdiente Altstars mit krimineller Energie gegen Bankengier. Für die Komödie hat Haußmann seinen Vater, den Theaterschauspieler Ezard Haußmann, seine Schwester und seinen Sohn ans Set geholt.
Moderatorin: Noemi Schneider über "Dinosaurier - Gegen uns seht Ihr alt aus!", den neuen Film von Leander Haußmann, den ich jetzt sehr herzlich bei uns begrüße.

Leander Haußmann: Guten Tag!

Moderatorin: Ist dieser Film eine Hommage, vielleicht sogar eine Liebeserklärung an den Schauspieler Ezard Haußmann, der zufällig Ihr Vater ist?

Haußmann: Ich würde die Frage bejahen, aber es ist natürlich auch eine Liebeserklärung an die vielen anderen Schauspieler, die mitspielen, aber in erster Linie ist der Charakter, den mein Vater da spielt, von vornherein schon festgelegt gewesen, weil ich diese Rolle gezielt auf ihn auch geschrieben habe.

Moderatorin: Was hatten Sie von Ihrem Vater im Kopf, um diese Rolle zu schreiben.

Haußmann: Alle seine negativen Eigenschaften. Man kann ja eine positive Hauptfigur nicht mit genug Schwächen versehen - Menschen lieben Schwächen bei anderen. Mein Vater hat sehr viele Schwächen, zu denen er sich auch bekennt. Das eine ist, dass er - ich sag es mal krass - gerne lügt und sehr gut, das auch sehr gut kann, und das andere ist sein Hang zur Hochstapelei und er ist auch nicht uneitel. Aber er ist sehr hilfsbereit und das ist ja unser Mann da in dem Film auch.

Moderatorin: Und Sie betrachten diese Schwächen mit Sympathie?

Haußmann: Ist mein Vater. Außerdem habe ich viel davon von ihm geerbt.

Moderatorin: Und er ist nicht das einzige Familienmitglied, das in dem Film mitspielt.

Haußmann: Nein.

Moderatorin: Sie haben alle mobilisiert, die Lust hatten, oder gezielt gefischt?

Haußmann: Nein, also wir haben den Film auch in Friedrichshagen gedreht, wo wir wohnen, und die Versicherung, die da reingelegt wird, heißt auch nicht umsonst "Große Friedrichshagener Versicherungsanstalt". Meine Schwester selbst ist Altenpflegerin und von ihr habe ich viele Geschichten und bin auch fachlich beraten worden, auch wie weit ich gehen kann.

Also auch die Komik sollte ja realistisch bleiben, sie sollte nicht denunzieren, aber sie sollte schon an den Rand - ich sag's mal salopp - des Erträglichen gehen, sollte aber nie denunzierend sein. Und dafür brauchte ich meine Schwester, die sich - wie gesagt ö da sehr gut auskennt und den alltäglichen Job der häuslichen Altenpflege ausübt. Und dann hat es sich ja ergeben auch, dass sie die Schwester Iris denn spielt unter ihrem richtigen Namen.

Moderatorin: Und was war das für ein Grenzbereich, den Sie mit ihr da ausgelotet haben, also wo haben Sie die Grenze festgelegt, was geht und was nicht geht? Hat das vielleicht auch jeder einzelne Schauspieler gezeigt?

Haußmann: Also ich gehe davon aus, dass man, wenn man Menschen porträtiert in einer Geschichte, in einem Plot, der sehr, ja, auch sehr haarsträubend ist und skurril und bis an die Grenze des Glaubwürdigen geht, dass man das immer charmant machen muss und mit einer gewissen Menschlichkeit, das ist ganz klar.

Aber es gab diese Geschichte mit dem Alzheimer-Kranken, der von Heinz Meier gespielt wird, den wir von diesen vielen Loriot-Sketchen her kennen. Und da wusste ich nicht genau, ob es zynisch ist, wenn man jemanden, ohne dass er es weiß, weil er ja eben Alzheimer hat, in den Plan mit einbezieht, indem man sozusagen seine Welt, in der er lebt, nutzt. Und da sagte meine Schwester, nein, das ist eigentlich, wenn man so will, ist das ideal, also für Alzheimer-Kranke, weil man soll sie ja in ihrer Welt lassen und in ihrer Welt bestärken, damit sie auch glücklich sind darin. Man soll sie da nicht rauszerren. Und insofern hat sie mir da Rückendeckung gegeben.

Sie war auch gleichzeitig immer mit einem Blutmessgerät vor Ort und hat dem Alten dort immer schön Blutdruck gemessen und wusste, wie man auf bestimmte Ereignisse, die das Altwerden halt so mit sich bringt, auch während des Drehens reagieren muss. Und ihre unkonventionelle Art, die Dinge zu bekämpfen, die hat auch allen sehr gut gefallen. Also mal ein Sektchen für zu niedrigen Blutdruck oder mal ein Schnäpschen für einen, der das gerne mal am Nachmittag tut und so, da war sie sehr gut dabei.

Dann ist natürlich noch mein Neffe dabei gewesen, der auch mein persönlicher Assistent war und der ein sehr gutes Verhältnis zu seinem Opa hat und der dann auch gleich mitgespielt hat, nämlich einen Zivi. Und wer hat denn noch mitgespielt, ja, mein Sohn ...

Moderatorin: Ja, Sie selbst.

Haußmann: Ja, ich selbst und mein Sohn.

Moderatorin: Sie selbst spielen den Sohn, der versucht, den Vater zu entmündigen.

Haußmann: Mein Sohn spielt meinen Sohn, also sein Enkel.

Moderatorin: Diese Entmündigung, dieses Entmündigungsthema, das ist ja auch nicht leicht, das ist ja auch ein Tabu im Grunde. Solange die Eltern noch fit sind, spricht man da nicht drüber.

Haußmann: Also es ist erst mal so, dass es das Wort Entmündigung tatsächlich nicht mehr gibt, jedenfalls nicht in Europa oder speziell auch nicht in Deutschland. Also das ist nicht mehr so einfach - wenn man einen verwirrten, ein verwirrtes Familienmitglied hat, dann ist es nicht mehr so einfach, einfach zu sagen, der ist jetzt entmündigt. Das muss man schon machen, wenn er bei klarem Verstand ist, also mit ihm zusammen. Und dann sollte man festlegen, wer sich um die Dinge kümmert, wenn es mal die Eltern nicht mehr können. Dazu gehört natürlich auch, sollen die Geräte abgestellt werden und solche Sachen, Problematiken, mit denen man sich nicht gerne beschäftigt, mit denen sich der Film auch nicht beschäftigt. Das ist ja auch eine Komödie und da soll man in erster Linie lachen. Aber wo wir schon mal dabei sind, kann ich nur sagen, man sollte es tun.

Moderatorin: Sie spielen darauf an, dass Sie die Familie, Ihr Vater allen voran, schwere Monate hinter sich haben. Er musste wegen eines bösartigen Hirntumors operiert werden und hat es dennoch geschafft, bei der Premiere auf dem roten Teppich zu sein. Wie geht es ihm?

Haußmann: Es geht ihm, wie man so schön sagt, den Umständen entsprechend gut. Er konnte also über den Teppich gehen, er hat durch diese Gehirn ... , das ist ja ein Eingriff ins Gehirn, dort sind einige Zentren berührt worden, die jetzt wieder anders verteilt werden müssen, also das heißt Bewegungen, linke Seite vor allem, und das Sprechen auch, aber das klappt schon ganz gut. Aber das Leben wird nie wieder so sein wie vorher, das muss uns schon mal klar sein.

Moderatorin: Der Regisseur und Schauspieler Leander Haußmann ist zu Gast im Deutschlandradio Kultur, bevor sein neuer Film "Dinosaurier - Gegen uns sehr Ihr alt aus!" Weihnachten ins Kino kommt. Herr Haußmann, welche Chance hat die Komödie, wenn es eigentlich um sehr ernste Fragen geht?

Haußmann: Ja, also die Komödie funktioniert ja nur, wenn es um ernste Fragen geht, sonst funktioniert ja das nicht als Komödie. Und die Leute, also die Zuschauer, müssen in einer Komödie mit ihren Figuren, vor allem mit den Hauptfiguren natürlich, Anteil, großes Anteil nehmen, damit sie auch dann mit ihnen vor allem lachen können. Und hier in der vorliegenden Komödie geht ja im Prinzip alles schief. Auf der einen Seite müssen wir erzittern, dass es irgendwie alles klappt, auf der anderen Seite müssen wir Angst haben eben um unsere arg lädierte Truppe, die da in den Kampf gegen die Bank zieht und man sich fragt, wie wollen die denn das schaffen, das ist auch nicht zu Ende gedacht vom Chef der Truppe und so weiter. Das ist nicht "Ocean's Eleven" oder "Der Clou".

Moderatorin: Großartiges Schauspielerkino auf jeden Fall, vor allem eben eine Hommage an die alten Stars - von Eva-Maria Hagen über Nadja Tiller und Walter Giller bis hin zu Ingrid van Bergen. Und es ist wirklich erstaunlich, mit welchem Selbstbewusstsein die Schauspieler die Schwächen des Alters zeigen - Diabetes, Alzheimer haben Sie schon angedeutet, bis hin zu Parkinson, aber auch Alltägliches, wie das im Apfel stecken gebliebene Gebiss. Das ist ja schon Klamauk. Da haben Sie auch keine Berührungsängste.

Haußmann: Warum wäre das Klamauk? Also das ist stark eingebunden in die Handlung, es ist ein Symbol - also Zähne haben ja heute einen großen Symbolwert. Also gucken Sie sich die Zähne von Stefan Raab an und von anderen, vor allem von den amerikanischen Schauspielern, also die haben ja alle die gleichen Zähne. Es ist ein Statussymbol. Zähne werden in der Regel nicht von der Krankenkasse oder von Staatlichen übernommen, das heißt also, wer sich nicht rechtzeitig darum kümmert, der hat eben ...

Moderatorin: ... nichts mehr im Mund.

Haußmann: Ja, der hat dann nichts mehr im Mund, und wenn er was im Mund hat, dann sieht das irgendwie nicht gut aus. Insofern zieht sich ja dieses Gebiss bis zu dem Punkt als Pointe hin, wo er mit einem neuen Gebiss das Büro betritt und praktisch seinem Gegenüber, dem Antagonisten sehr ähnlich sieht. Und am Ende durch diesen Zufall oder durch dieses Missgeschick funktioniert der Plan zunächst einmal, an das Geld zu kommen, sprich den Bürgen. Es ist mir letzten Endes auch scheißegal, ob man das Klamauk nennt oder so, Hauptsache die Leute lachen, und in diesem Fall brüllen sie. Also das ist nicht nur Lachen, sondern die liegen unterm Tisch oder unter ihren Stühlen.

Moderatorin: Das Lachen ist fürs Publikum ja auch befreiend.

Haußmann: Ja.

Moderatorin: Hatte es möglicherweise für einzelne der Stars auch etwas Befreiendes, jetzt nicht immer weiter jung, schön, fit sein zu müssen, sondern genau das Gegenteil auch mal abbilden zu können?

Haußmann: Ich weiß es nicht, weil ich bin ja erst 50, also das kann man in dem Zusammenhang ja sagen. Ich glaube, es ist ... Ich finde das Alter ... Also man kann es ... Es ist schwierig, alt zu werden, das ist ja ganz klar, aber man muss Strategien entwickeln und man muss eben auch mit dem Schicksal nicht hadern oder die Faust gegen den Himmel schütteln und rufen, Gott, warum hast du mir das angetan, sondern man muss auf seine Weise versuchen, Mut zum Leben zu bekommen, und wenn man um Hilfe bittet - das kann man ja auch machen.

Moderatorin: Das Leben ...

Haußmann: Aber es gibt zu wenig Menschen, die helfen auch, also die tätig helfen. Es gibt ja viele Quatscher und so weiter. Und Lachen ist eine durchaus sehr aktive Angelegenheit auch, und wenn man es herstellen kann, kann es auch Therapie sein.

Moderatorin: Ich habe gedacht, vielleicht hat auch jedes Lebensalter seine eigene Form von Humor, also vom Albern-Spielerischen der Kindheit über den vielleicht eher provokativen Humor in der Jugend bis hin dann zum Galgenhumor bei Krankheit und Alter?

Haußmann: Ja, ich mag also Galgenhumor nicht so gerne, das ist immer ... Galgenhumor ist immer zynisch und letzten Endes auch findet er sich ab, das ist ja immer Humor, der sich abfindet mit der Situation. Ich finde aber, man muss sich nicht abfinden mit einer Situation, sondern man muss für sich immer neue Möglichkeiten schaffen. Das ist auch etwas, was in der Persönlichkeit des Menschen ja selbst mit drin liegt. Also wer sich in der Jugend nicht bewegt hat, der wird sich wahrscheinlich im Alter auch nicht bewegen.

Moderatorin: Leander Haußmann, wie werden Sie Weihnachten feiern?

Haußmann: Also da gibt es bei uns ganz also in Marmor gemeißelte Rituale, die werden nicht umgeschmissen zu Hause. Das ist also die Gans, die muss sein, die Klöße, der Rotkohl, der Grünkohl. Der Grünkohl ist sehr süß bei uns. Und diesmal werden wir im kleinen Kreise feiern, also normalerweise, wir sind eine sehr große Familie, jetzt sind auch noch zwei Neugeborene dabei und so weiter. Mein Vater hat aber gebeten, das mal lieber ...

Moderatorin: ... bisschen kleiner zu halten.

Haußmann: ... in der alten Besetzung sozusagen, also meine Frau, mein Sohn, meine Tochter, meine Schwester, ihr Mann, meine Mutter und er selbst. Es war auch zu viel, wir waren ja teilweise dann 40 Familienmitglieder, da war kein Gans-Essen mehr, das war dann schon so Essensverteilung. Und ich habe nur gestanden und immer die Gans abgeschnitten und tranchiert.

Moderatorin: Die Gänse dann?

Haußmann: Ja, ja, die Gänse, genau. Meine Schwester hat dann auch eine mitgebracht und meine Mutter, und dann artete das in einem Gans-Wettbewerb aus, das wurde dann schon irgendwie fanatisch von mir, weil ich kann nicht verlieren. Also habe ich dann einen Monat vor Weihnachten angefangen mit Trainingsgänsen und so weiter und Leute einzuladen, dass ich der Sieger bin. Aber meine Familie hat mich dann immer sehr gerne damit geärgert, dass ich die schlechteste Gans mache. Weil, wie meine Schwester meint, ich zu viel an der Gans herumfummele, sondern sie sagt: Salz rauf, Beifuß rein, Ofen. Ich flambiere die Gans am Ende noch, das ist jetzt mein neuer, ich flambiere sie jetzt, indem ich die Haut auch noch kandiere.

Moderatorin: Boah, mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen, obwohl es noch so früh ist.

Haußmann: Aber Sie merken, das ist mein Lieblingsthema eigentlich.

Moderatorin: Andere werden Heiligabend ins Kino gehen, denn da startet "Dinosaurier - Gegen uns sehr Ihr alt aus!", der neue Film von Leander Haußmann. Danke, dass Sie bei uns waren und schöne Weihnachten!