"Eine Mischung aus Charisma und Verwalter"
Welche Eigenschaften sollte der künftige Papst besitzen? Und was genau passiert beim Konklave? Ein Gespräch mit dem Theologen Rainer Kampling über deutsche Benedikt-Tümelei, das magische Datum Ostern und einen möglichen Nord-Süd-Konflikt unter den Kardinälen.
Ita Niehaus: Donnerstagabend um 20 Uhr endete das Pontifikat von Benedikt XVI. Ohne große Zeremonien, nur eine letzte Generalaudienz im Vatikan. Als erstes katholisches Kirchenoberhaupt seit dem Mittelalter hat er sich aus eigenem Beschluss aus seinem Amt verabschiedet. In der katholischen Kirche hat nun die Sedisvakanz, die Zeit ohne Papst, begonnen. Hinter den Kulissen laufen die Vorbereitungen für die Wahl des Nachfolgers auf Hochtouren. Die Beratungsphase vor dem Konklave hat begonnen. Nach und nach treffen die Kardinäle ein. 115 Kardinäle aus der ganzen Welt, unter ihnen auch sechs Deutsche. Zum Konklave werden sie dann in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan zusammenkommen, um einen Nachfolger aus ihren Reihen zu wählen – wie schon seit Jahrhunderten.
Doch was geschieht eigentlich hinter den verschlossenen Türen? Sicher ist: die Ausgangssituation für die Wahl ist nicht einfach. Die katholische Kirche steht vor großen Herausforderungen. Nur ein paar Stichworte: die Vatileaks-Affäre, der Missbrauchsskandal, viel Reformbedarf, dann – historisch einmalig – der Rücktritt von Papst Benedikt.
Vor dieser Sendung sprach ich mit dem katholischen Theologen Rainer Kampling von der Freien Universität Berlin. Als Erstes wollte ich von ihm wissen, wie sich die Kardinäle auf das Konklave vorbereiten, ob sie sich vor allem austauschen oder Allianzen schmieden.
Rainer Kampling: Also ich denke, dass eines der größten Probleme tatsächlich ist, dass durch diese neue Form eines Endes des Pontifikats das Problem entsteht, dass man ein ganz neues Klima im Konklave haben wird. Es ist ein Unterschied, ob man gerade jemanden begraben hat oder ob der Vorgänger lebend, 20 Kilometer entfernt sitzt. Ich denke, dass es zunächst einmal im Kollegium darum gehen wird, diese Situation zu begreifen und sich genau zu überlegen, was ist jetzt rechtlich zu tun, damit dieses Konklave unanfechtbar ist. Der Papst hat eine Geste vollzogen – sehen Sie, jetzt passiert es mir auch schon, der Papst, der emeritierte Papst, dieses Wort werde ich nie lernen, dafür bin ich jetzt zu alt –, indem er seinem Nachfolger Gehorsam geschworen hat. Also, das ist ja schon das erste Zeichen dafür, dass man Probleme befürchtet. Dann hat das Begräbnis eine bedeutende Funktion, denn spätestens seit Pius XII. sind zum Begräbnis fast alle Kardinäle gekommen. Und das sogenannte Vorkonklave fällt jetzt völlig weg.
Niehaus: Wie müssen wir uns das vorstellen? Was passiert da jetzt? Was machen die?
Kampling: Man darf nicht vergessen, es hat viele Ernennungen gegeben. Man muss erst einmal sich untereinander kennenlernen, dann muss man überlegen, was will man denn für einen Papst. Aber es geht ja noch um ein anderes, grundsätzliches Problem, das teilt die katholische Kirche mit der Gesellschaft: der Nordsüdkonflikt. Also dieses Auseinanderdriften von Arm und Reich führt ja zu immer mehr Verwerfungen und auch zu Radikalisierungen. Also ich denke, dass der Namenshandel, der zurzeit in den Medien geschieht, bei den Kardinälen nicht so eine große Rolle spielen wird.
Doch was geschieht eigentlich hinter den verschlossenen Türen? Sicher ist: die Ausgangssituation für die Wahl ist nicht einfach. Die katholische Kirche steht vor großen Herausforderungen. Nur ein paar Stichworte: die Vatileaks-Affäre, der Missbrauchsskandal, viel Reformbedarf, dann – historisch einmalig – der Rücktritt von Papst Benedikt.
Vor dieser Sendung sprach ich mit dem katholischen Theologen Rainer Kampling von der Freien Universität Berlin. Als Erstes wollte ich von ihm wissen, wie sich die Kardinäle auf das Konklave vorbereiten, ob sie sich vor allem austauschen oder Allianzen schmieden.
Rainer Kampling: Also ich denke, dass eines der größten Probleme tatsächlich ist, dass durch diese neue Form eines Endes des Pontifikats das Problem entsteht, dass man ein ganz neues Klima im Konklave haben wird. Es ist ein Unterschied, ob man gerade jemanden begraben hat oder ob der Vorgänger lebend, 20 Kilometer entfernt sitzt. Ich denke, dass es zunächst einmal im Kollegium darum gehen wird, diese Situation zu begreifen und sich genau zu überlegen, was ist jetzt rechtlich zu tun, damit dieses Konklave unanfechtbar ist. Der Papst hat eine Geste vollzogen – sehen Sie, jetzt passiert es mir auch schon, der Papst, der emeritierte Papst, dieses Wort werde ich nie lernen, dafür bin ich jetzt zu alt –, indem er seinem Nachfolger Gehorsam geschworen hat. Also, das ist ja schon das erste Zeichen dafür, dass man Probleme befürchtet. Dann hat das Begräbnis eine bedeutende Funktion, denn spätestens seit Pius XII. sind zum Begräbnis fast alle Kardinäle gekommen. Und das sogenannte Vorkonklave fällt jetzt völlig weg.
Niehaus: Wie müssen wir uns das vorstellen? Was passiert da jetzt? Was machen die?
Kampling: Man darf nicht vergessen, es hat viele Ernennungen gegeben. Man muss erst einmal sich untereinander kennenlernen, dann muss man überlegen, was will man denn für einen Papst. Aber es geht ja noch um ein anderes, grundsätzliches Problem, das teilt die katholische Kirche mit der Gesellschaft: der Nordsüdkonflikt. Also dieses Auseinanderdriften von Arm und Reich führt ja zu immer mehr Verwerfungen und auch zu Radikalisierungen. Also ich denke, dass der Namenshandel, der zurzeit in den Medien geschieht, bei den Kardinälen nicht so eine große Rolle spielen wird.
Kommen alle Kardinäle rechtzeitig nach Rom?
Niehaus: Benedikt XVI. hat den Kardinälen ja grünes Licht gegeben, sie können entscheiden, wann genau das Konklave anfängt. Was meinen Sie, werden die Kardinäle das Konklave nun möglichst schnell beginnen?
Kampling: Das ist eine Frage, die tatsächlich auch ein wenig zusammenhängt mit diesem fast magischen Datum Ostern. Viele Kardinäle sind ja Ortsbischöfe, und das heißt, Osterfest vor Ort ohne den Bischof ist schwierig in der katholischen Kirche. Da finden zum Beispiel Erwachsenentaufen durch den Bischof statt und dergleichen mehr. Dennoch meine ich, dieses Konklave ist so wichtig, dass man vielleicht sogar wirklich warten wird, ob alle da sind, denn der Kardinal aus Großbritannien hat ja bereits abgesagt. Und das ist ja doch eine schwierige Situation. Also man wird schon unter Umständen doch warten müssen, insbesondere bei den asiatischen Kardinälen und afrikanischen Kardinälen, ob sie wirklich zeitgerecht kommen. Sinnvoll wäre es.
Niehaus: Das Konklave hat eine lange Tradition, kommt vom lateinischen cum clave, jetzt mal frei übersetzt, hinter verschlossenen Türen. Wie ist denn diese Institution entstanden?
Kampling: Also es gibt natürlich diese schöne Geschichte, es sei entstanden, als die Kardinäle sich nicht einigen konnten und man habe sie dann einfach bei Brot und Wasser eingeschlossen, damit sie sich einigen. Der Hintergrund ist natürlich, dass das Papst-Amt im frühen Mittelalter eh ein Spielball kaiserlicher und römischer Stadtinteressen war, nachher dann eben der führenden italienischen Familien. Und dass man einfach versucht hat durch das Konklave, Beeinflussung zu vermeiden. Ob das immer gelungen ist, nicht, also die strengsten Maßnahmen sind ja noch gar nicht so alt. Es gab ja wirklich herrliche Geschichten, dass das Konklave unterbrochen wurde, damit die dann den Sommer woanders verbringen konnten. Denn was ja kaum noch jemand weiß, Rom war ja mal zeitweilig eines der Malaria-gefährdetsten Gebiete Europas und keiner der Kardinäle hatte Lust, im Sommer in Rom zu sein.
Niehaus: Das heißt, es gab also Ausnahmen von dieser Regel …
Kampling: Ja, die gab es vorher – also diese richtig strengen Formen, und das ist wirklich erstaunlich, sind eigentlich frühe Neuzeit. In der Renaissance hat man das zum Teil unterbrochen durch Bankette, und man hat auch nicht unbedingt schlecht gelebt. Also es hat sich doch viel verändert.
Niehaus: Aber trotzdem, es hat sich jetzt ja durchgesetzt, wenn man jetzt so heute schaut, anders als jede andere Wahl, beim Konklave sind die Kardinäle völlig abgeschirmt – hat das denn im Laufe der Kirchengeschichte tatsächlich funktioniert oder ist da nicht auch mal immer wieder was durchgesickert?
Kampling: Ja, also, manchmal ist durchgesickert, ganz kurios, dass man also bei einem Namen, den ein Papst hatte, dass man dann Zeichen gemacht hat am Fenster. Ein Papst hieß, konnte man übersetzen ins Deutsche, hieß also Schneider, und dann hat man halt eine Schere am Fenster gezeigt und dann wussten die Leute auf dem Platz, der ist es geworden. Es hat zweifelsohne so Zwischenfälle gegeben, aber wir müssen einfach sagen, seit dem 19. Jahrhundert hat sich das verändert. Also die Strenge ist sogar größer geworden. Und das hängt natürlich auch damit zusammen, dass etwas geschieht, was sehr ungewöhnlich ist, nämlich dass Menschen zusammenkommen, also Männer, die sich ja vorher oft höchstens ein-, zweimal gesehen haben. Also natürlich, die europäischen Kardinäle kennen sich untereinander, davon dürfen wir ausgehen, aber man muss ja in der kurzen Zeit sich kennenlernen und dann noch eine Entscheidung treffen. Das ist auch, würde ich schon sagen, ein hochinteressanter sozialer Aspekt, der da passiert.
Kampling: Das ist eine Frage, die tatsächlich auch ein wenig zusammenhängt mit diesem fast magischen Datum Ostern. Viele Kardinäle sind ja Ortsbischöfe, und das heißt, Osterfest vor Ort ohne den Bischof ist schwierig in der katholischen Kirche. Da finden zum Beispiel Erwachsenentaufen durch den Bischof statt und dergleichen mehr. Dennoch meine ich, dieses Konklave ist so wichtig, dass man vielleicht sogar wirklich warten wird, ob alle da sind, denn der Kardinal aus Großbritannien hat ja bereits abgesagt. Und das ist ja doch eine schwierige Situation. Also man wird schon unter Umständen doch warten müssen, insbesondere bei den asiatischen Kardinälen und afrikanischen Kardinälen, ob sie wirklich zeitgerecht kommen. Sinnvoll wäre es.
Niehaus: Das Konklave hat eine lange Tradition, kommt vom lateinischen cum clave, jetzt mal frei übersetzt, hinter verschlossenen Türen. Wie ist denn diese Institution entstanden?
Kampling: Also es gibt natürlich diese schöne Geschichte, es sei entstanden, als die Kardinäle sich nicht einigen konnten und man habe sie dann einfach bei Brot und Wasser eingeschlossen, damit sie sich einigen. Der Hintergrund ist natürlich, dass das Papst-Amt im frühen Mittelalter eh ein Spielball kaiserlicher und römischer Stadtinteressen war, nachher dann eben der führenden italienischen Familien. Und dass man einfach versucht hat durch das Konklave, Beeinflussung zu vermeiden. Ob das immer gelungen ist, nicht, also die strengsten Maßnahmen sind ja noch gar nicht so alt. Es gab ja wirklich herrliche Geschichten, dass das Konklave unterbrochen wurde, damit die dann den Sommer woanders verbringen konnten. Denn was ja kaum noch jemand weiß, Rom war ja mal zeitweilig eines der Malaria-gefährdetsten Gebiete Europas und keiner der Kardinäle hatte Lust, im Sommer in Rom zu sein.
Niehaus: Das heißt, es gab also Ausnahmen von dieser Regel …
Kampling: Ja, die gab es vorher – also diese richtig strengen Formen, und das ist wirklich erstaunlich, sind eigentlich frühe Neuzeit. In der Renaissance hat man das zum Teil unterbrochen durch Bankette, und man hat auch nicht unbedingt schlecht gelebt. Also es hat sich doch viel verändert.
Niehaus: Aber trotzdem, es hat sich jetzt ja durchgesetzt, wenn man jetzt so heute schaut, anders als jede andere Wahl, beim Konklave sind die Kardinäle völlig abgeschirmt – hat das denn im Laufe der Kirchengeschichte tatsächlich funktioniert oder ist da nicht auch mal immer wieder was durchgesickert?
Kampling: Ja, also, manchmal ist durchgesickert, ganz kurios, dass man also bei einem Namen, den ein Papst hatte, dass man dann Zeichen gemacht hat am Fenster. Ein Papst hieß, konnte man übersetzen ins Deutsche, hieß also Schneider, und dann hat man halt eine Schere am Fenster gezeigt und dann wussten die Leute auf dem Platz, der ist es geworden. Es hat zweifelsohne so Zwischenfälle gegeben, aber wir müssen einfach sagen, seit dem 19. Jahrhundert hat sich das verändert. Also die Strenge ist sogar größer geworden. Und das hängt natürlich auch damit zusammen, dass etwas geschieht, was sehr ungewöhnlich ist, nämlich dass Menschen zusammenkommen, also Männer, die sich ja vorher oft höchstens ein-, zweimal gesehen haben. Also natürlich, die europäischen Kardinäle kennen sich untereinander, davon dürfen wir ausgehen, aber man muss ja in der kurzen Zeit sich kennenlernen und dann noch eine Entscheidung treffen. Das ist auch, würde ich schon sagen, ein hochinteressanter sozialer Aspekt, der da passiert.
Beistand durch den Heiligen Geist
Niehaus: Der Ablauf der Papstwahl beruht ja auf diesen jahrhundertealten Kirchengesetzen, Riten, Traditionen. Wenn die Kardinäle zum Beispiel in die Sixtinische Kapelle einziehen, singen sie einen Choral, erflehen den Beistand des Heiligen Geistes. Warum? Welche Funktion hat dieser Gesang?
Kampling: Jedes Ereignis in der katholischen Kirche ist ein Ereignis, von dem die katholische Kirche glaubt, dass es vom Heiligen Geist getragen ist. In diesem Fall den Heiligen Geist als Tröster, allerdings auch als Geistgeber anzurufen, erscheint durchaus passend, weil es tatsächlich eine recht wichtige Veranstaltung für die katholische Kirche ist. Ich bin nicht so ganz glücklich darüber zu sagen, dass der Heilige Geist das dann bewirkt hat. Das ist eine Vorstellung, die recht schwierig ist. Die Formulierung, das ist ein Meisterstück des Heiligen Geistes, lässt natürlich fragen, ob er auch Gesellenstücke gemacht hat, und da bin ich nicht sehr glücklich mit.
Niehaus: Das heißt, Sie gehen auch davon aus, dass da durchaus Machtinteressen, weltliche Interessen bei verschiedenen Papstwahlen eine Rolle gespielt haben?
Kampling: Ich meine, wir können es anders sehen. Wir können zum Beispiel sagen, man hat, so weit wir wissen, Johannes XXIII. gewählt mit der Annahme, dass nichts geschieht. Man geht davon aus, man wählt jemand Alten, von dem man weiß, dass er intellektuell ist, dass er klug ist und sehr nett, aber sonst nichts. Und man kann sich irren. Die Frage der Machtinteressen finde ich schwierig, weil eines will ich schon sagen, also, wer das Kreuz auf sich nimmt, der muss schon eine merkwürdige Beziehung haben, wenn er das für Macht hält. Ich würde aber sagen, natürlich spielen auch politische Sachen eine Rolle. Es ist ein wahnsinniger Unterschied, ob Kardinal Lehmann wählt oder aber ein Kardinal aus dem Sudan. Also da liegen einfach Welten dazwischen, und das ist ja das, was passiert. Und da kommen auch Interessen aufeinander. Ich zum Beispiel hätte nie geglaubt, dass man nochmals einen Papst aus einem so reichen Land wie Deutschland wählt.
Niehaus: Eine Zweidrittelmehrheit wird gebraucht. Nach jeder Wahl werden die Stimmzettel verbrannt. Weißer Rauch, wenn sie sich geeinigt haben, schwarzer Rauch, wenn nicht – warum macht man das nach jedem Wahlgang?
Kampling: Das hängt damit zusammen, dass die Römer früher den Wahlort belagert haben und versucht haben, sich auch Zutritt zu verschaffen. Und dann musste man ein Signal für außen wählen. Manche Dinge sind ziemlich … Denn man darf ja nicht vergessen, bis 1871 war er ja auch Staatsoberhaupt, und die hatten natürlich Interessen. Und dann hat man so Signale gegeben, denn die Leute haben wirklich den Palast belagert. Das hängt natürlich damit zusammen, dass man immer wusste, dass ein neuer Papst auch ganz neue Strukturen in die Stadt bringt.
Kampling: Jedes Ereignis in der katholischen Kirche ist ein Ereignis, von dem die katholische Kirche glaubt, dass es vom Heiligen Geist getragen ist. In diesem Fall den Heiligen Geist als Tröster, allerdings auch als Geistgeber anzurufen, erscheint durchaus passend, weil es tatsächlich eine recht wichtige Veranstaltung für die katholische Kirche ist. Ich bin nicht so ganz glücklich darüber zu sagen, dass der Heilige Geist das dann bewirkt hat. Das ist eine Vorstellung, die recht schwierig ist. Die Formulierung, das ist ein Meisterstück des Heiligen Geistes, lässt natürlich fragen, ob er auch Gesellenstücke gemacht hat, und da bin ich nicht sehr glücklich mit.
Niehaus: Das heißt, Sie gehen auch davon aus, dass da durchaus Machtinteressen, weltliche Interessen bei verschiedenen Papstwahlen eine Rolle gespielt haben?
Kampling: Ich meine, wir können es anders sehen. Wir können zum Beispiel sagen, man hat, so weit wir wissen, Johannes XXIII. gewählt mit der Annahme, dass nichts geschieht. Man geht davon aus, man wählt jemand Alten, von dem man weiß, dass er intellektuell ist, dass er klug ist und sehr nett, aber sonst nichts. Und man kann sich irren. Die Frage der Machtinteressen finde ich schwierig, weil eines will ich schon sagen, also, wer das Kreuz auf sich nimmt, der muss schon eine merkwürdige Beziehung haben, wenn er das für Macht hält. Ich würde aber sagen, natürlich spielen auch politische Sachen eine Rolle. Es ist ein wahnsinniger Unterschied, ob Kardinal Lehmann wählt oder aber ein Kardinal aus dem Sudan. Also da liegen einfach Welten dazwischen, und das ist ja das, was passiert. Und da kommen auch Interessen aufeinander. Ich zum Beispiel hätte nie geglaubt, dass man nochmals einen Papst aus einem so reichen Land wie Deutschland wählt.
Niehaus: Eine Zweidrittelmehrheit wird gebraucht. Nach jeder Wahl werden die Stimmzettel verbrannt. Weißer Rauch, wenn sie sich geeinigt haben, schwarzer Rauch, wenn nicht – warum macht man das nach jedem Wahlgang?
Kampling: Das hängt damit zusammen, dass die Römer früher den Wahlort belagert haben und versucht haben, sich auch Zutritt zu verschaffen. Und dann musste man ein Signal für außen wählen. Manche Dinge sind ziemlich … Denn man darf ja nicht vergessen, bis 1871 war er ja auch Staatsoberhaupt, und die hatten natürlich Interessen. Und dann hat man so Signale gegeben, denn die Leute haben wirklich den Palast belagert. Das hängt natürlich damit zusammen, dass man immer wusste, dass ein neuer Papst auch ganz neue Strukturen in die Stadt bringt.
"Man ist nicht katholisch wegen des Papstes"
Niehaus: Kirchenkritiker sagen, das Konklave passt gar nicht mehr in unsere Zeit. Die Kardinäle müssten eigentlich Wahlmänner des Kirchenvolkes sein. Wie sehen Sie das? Stimmen Sie zu?
Kampling: Nein. Ich stelle mir das gerade vor. Also, dann hätten wir so amerikanische Wahlkämpfe. Ich finde es, ehrlich gesagt, also da muss ich jetzt auch sagen, wir haben eine Situation, nicht, also – was passiert denn, bitte schön, wenn der nächste Papst den Leuten nicht gefällt? Dann werden die doch sagen, tritt zurück. Das ist eine Situation, die werden wir nicht vermeiden können. Damit muss erst mal dieses Papstamt umgehen. Also wir werden ja erst in sechs, sieben Jahren wissen, was das eigentlich bedeutet überhaupt, dass Benedikt zurückgetreten ist. Dass er seit Donnerstag nicht mehr Papst ist, ist ja fast eine Nebensächlichkeit, sondern, was bedeutet das eigentlich für das Amt? Und wenn man jetzt noch anfängt, zu sagen, man macht nach amerikanischen ein Wahlmännergremium, dann wird es ja ganz schwierig. Weil dann würde ich auch sagen, also wenn, dann ist es doch wirklich kurios, denn warum soll man es dann auf die Kardinäle begrenzen?
Niehaus: Sollte man denn das Kirchenvolk in einer etwas anderen Form mit einbeziehen, stärker?
Kampling: Ja, das Kirchenvolk sollte sich erinnern, dass es das Kirchenvolk ist. Was mir nicht wirklich gefällt, ist die Vorstellung, dass Katholisch-Sein über den Papst definiert wird. Also, das ist eine ganz merkwürdige Vorstellung, die insbesondere in Deutschland gepflegt wird von gewissen Vertretern einer Benedikt-Tümelei – also man ist ja katholisch mit dem Papst, und man ist nicht katholisch wegen des Papstes. Also mir wäre wichtiger, dass das Volk Gottes vor Ort dieses erlebt. Und diese Fixierung auf Rom, also jetzt nicht diese Fixierung im Sinne, dass man denkt, von da kommt das Heil. Also man könnte ja, wenn man manche Publikationen liest, denken, wir erwarten den Messias und nicht den Papst. Das erscheint mir keine gute Entwicklung. Und wenn man in die Geschichte geht, ist das auch nicht sehr katholisch. Das ist eine Erscheinung der Neuzeit, der Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts.
Niehaus: Lassen Sie uns zum Schluss noch mal einen Blick werfen auf das kommende Konklave. Wie sehen Sie da die Gewichtung? Sehen Sie da eine Gefahr, dass sich die Kardinäle blockieren?
Kampling: Dies Dramatik kann ich nicht erkennen. Ich glaube, fünf Päpste haben in meinem Leben Platz, also ich kann warten auf den sechsten. Wichtiger wäre mir, dass es eine Entscheidung ist, die nicht zu knapp ausfällt, und hoffentlich nicht so ein Nord-Süd-Konflikt ist, das fände ich ganz schrecklich. Sondern jemand, der wirklich dann auch für die Gesamtkirche steht. Ich denke, es wird lange dauern, weil sie sich entscheiden müssen, was sie wollen und wen sie wollen. Mit "wen sie wollen" meine ich nicht mal Namen. Man könnte ja sagen: Vielleicht wäre es am besten, einen Bürokraten zu wählen. Wer soll die Kurie reformieren, wenn nicht jemand, der seit 30 Jahren da sitzt.
Nur stellen Sie sich vor, man wählt jetzt einen Bürokraten – und der soll nach Brasilien zum Weltjugendtag fahren? Also, wir haben ja auch ein neues Papst-Bild. Erst hatten wir einen Charismatiker und dann doch einen sehr introvertierten Intellektuellen. Also einen ganz normalen Verwaltungsmenschen zu wählen, der seine Arbeit vielleicht gut macht und jeden Tag hundert Akten liest, das ist eigentlich gar nicht mehr vorstellbar. Und das ist das Problem, denn durch Johannes Paul II. ist auch das, was man vom Papst erwartet, etwas völlig anderes geworden.
Niehaus: Was sollte denn Ihrer Meinung nach der kommende Papst vor allem an Fähigkeiten mitbringen, um die katholische Kirche wieder zu stärken?
Kampling: Also ich denke, dass es wirklich notwendig wäre, dass es jemand ist, der die Sorgen und Nöte der Menschen erkennt, der wirklich auch bereit ist, sich auf die Problematik der verschärften Religionskonflikte einzulassen. Und der dann in der Lage ist, das, was er meint, was richtig ist, umzusetzen im Verband mit den Ortsbischöfen. Im Übrigen hoffe ich, dass er fromm ist. Also das ist nicht die schlechteste Empfehlung für einen Papst, auch fromm zu sein. Also das heißt, eigentlich gibt es so was nicht, eine Mischung aus Charisma und Verwalter. Ob es das wirklich gibt, ich weiß es nicht. Aber es gibt etwas Erstaunliches, viele Männer, die ins Papstamt gegangen sind, haben sich verändert im Papstamt.
Niehaus: Vor der Papstwahl. Der katholische Theologe Rainer Kampling über das Konklave. Vielen Dank für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Kampling: Nein. Ich stelle mir das gerade vor. Also, dann hätten wir so amerikanische Wahlkämpfe. Ich finde es, ehrlich gesagt, also da muss ich jetzt auch sagen, wir haben eine Situation, nicht, also – was passiert denn, bitte schön, wenn der nächste Papst den Leuten nicht gefällt? Dann werden die doch sagen, tritt zurück. Das ist eine Situation, die werden wir nicht vermeiden können. Damit muss erst mal dieses Papstamt umgehen. Also wir werden ja erst in sechs, sieben Jahren wissen, was das eigentlich bedeutet überhaupt, dass Benedikt zurückgetreten ist. Dass er seit Donnerstag nicht mehr Papst ist, ist ja fast eine Nebensächlichkeit, sondern, was bedeutet das eigentlich für das Amt? Und wenn man jetzt noch anfängt, zu sagen, man macht nach amerikanischen ein Wahlmännergremium, dann wird es ja ganz schwierig. Weil dann würde ich auch sagen, also wenn, dann ist es doch wirklich kurios, denn warum soll man es dann auf die Kardinäle begrenzen?
Niehaus: Sollte man denn das Kirchenvolk in einer etwas anderen Form mit einbeziehen, stärker?
Kampling: Ja, das Kirchenvolk sollte sich erinnern, dass es das Kirchenvolk ist. Was mir nicht wirklich gefällt, ist die Vorstellung, dass Katholisch-Sein über den Papst definiert wird. Also, das ist eine ganz merkwürdige Vorstellung, die insbesondere in Deutschland gepflegt wird von gewissen Vertretern einer Benedikt-Tümelei – also man ist ja katholisch mit dem Papst, und man ist nicht katholisch wegen des Papstes. Also mir wäre wichtiger, dass das Volk Gottes vor Ort dieses erlebt. Und diese Fixierung auf Rom, also jetzt nicht diese Fixierung im Sinne, dass man denkt, von da kommt das Heil. Also man könnte ja, wenn man manche Publikationen liest, denken, wir erwarten den Messias und nicht den Papst. Das erscheint mir keine gute Entwicklung. Und wenn man in die Geschichte geht, ist das auch nicht sehr katholisch. Das ist eine Erscheinung der Neuzeit, der Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts.
Niehaus: Lassen Sie uns zum Schluss noch mal einen Blick werfen auf das kommende Konklave. Wie sehen Sie da die Gewichtung? Sehen Sie da eine Gefahr, dass sich die Kardinäle blockieren?
Kampling: Dies Dramatik kann ich nicht erkennen. Ich glaube, fünf Päpste haben in meinem Leben Platz, also ich kann warten auf den sechsten. Wichtiger wäre mir, dass es eine Entscheidung ist, die nicht zu knapp ausfällt, und hoffentlich nicht so ein Nord-Süd-Konflikt ist, das fände ich ganz schrecklich. Sondern jemand, der wirklich dann auch für die Gesamtkirche steht. Ich denke, es wird lange dauern, weil sie sich entscheiden müssen, was sie wollen und wen sie wollen. Mit "wen sie wollen" meine ich nicht mal Namen. Man könnte ja sagen: Vielleicht wäre es am besten, einen Bürokraten zu wählen. Wer soll die Kurie reformieren, wenn nicht jemand, der seit 30 Jahren da sitzt.
Nur stellen Sie sich vor, man wählt jetzt einen Bürokraten – und der soll nach Brasilien zum Weltjugendtag fahren? Also, wir haben ja auch ein neues Papst-Bild. Erst hatten wir einen Charismatiker und dann doch einen sehr introvertierten Intellektuellen. Also einen ganz normalen Verwaltungsmenschen zu wählen, der seine Arbeit vielleicht gut macht und jeden Tag hundert Akten liest, das ist eigentlich gar nicht mehr vorstellbar. Und das ist das Problem, denn durch Johannes Paul II. ist auch das, was man vom Papst erwartet, etwas völlig anderes geworden.
Niehaus: Was sollte denn Ihrer Meinung nach der kommende Papst vor allem an Fähigkeiten mitbringen, um die katholische Kirche wieder zu stärken?
Kampling: Also ich denke, dass es wirklich notwendig wäre, dass es jemand ist, der die Sorgen und Nöte der Menschen erkennt, der wirklich auch bereit ist, sich auf die Problematik der verschärften Religionskonflikte einzulassen. Und der dann in der Lage ist, das, was er meint, was richtig ist, umzusetzen im Verband mit den Ortsbischöfen. Im Übrigen hoffe ich, dass er fromm ist. Also das ist nicht die schlechteste Empfehlung für einen Papst, auch fromm zu sein. Also das heißt, eigentlich gibt es so was nicht, eine Mischung aus Charisma und Verwalter. Ob es das wirklich gibt, ich weiß es nicht. Aber es gibt etwas Erstaunliches, viele Männer, die ins Papstamt gegangen sind, haben sich verändert im Papstamt.
Niehaus: Vor der Papstwahl. Der katholische Theologe Rainer Kampling über das Konklave. Vielen Dank für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.