Eine "mittlere Katastrophe"
Statt global zu denken, hätten die in Kopenhagen versammelten Politiker Kleinstaaterei betrieben und nationale Vorteile gesucht, sagt der Polarforscher Arved Fuchs. "Hier muss wirklich jetzt ganz deutlich gemacht werden, dass man sich damit nicht zufrieden gibt."
Jan-Christoph Kitzler: Alles schönreden hilft nichts. Der Klimagipfel von Kopenhagen gilt in den Augen vieler als gescheitert, denn am Ende stand nur eine allgemeine Absichtserklärung und nur das sehr wage Versprechen, die steigende Erderwärmung irgendwie zu begrenzen. Dabei ist der Klimawandel schon in vollem Gange. Ein Symbol dafür ist die Arktis. Dort schmilzt schon seit Jahren im Sommer das Eis stärker, als es im Winter zunimmt – mit Folgen, die nur schwer absehbar sind. Einer, der die Arktis wie nur wenige kennt, ist Arved Fuchs. Guten Morgen.
Arved Fuchs: Schönen guten Morgen.
Kitzler: Seit 30 Jahren machen Sie sich immer wieder auf zu Expeditionen in die Arktis und gerade vor wenigen Wochen erst sind Sie zurückgekehrt von der Nordwestküste Grönlands. Wie erleben Sie denn dort den Klimawandel?
Fuchs: Man stößt überall auf Hinweise, dass sich das Klima dort oben drastisch verändert. Die Arktis erwärmt sich doppelt so schnell wie der Rest der Welt. Das ist so wie eine Art Frühwarnsystem der Natur. Um ein ganz aktuelles Beispiel zu nennen: Unser Schiff überwintert dort, es sind drei Crew-Mitglieder an Bord. Die letzten fünf, sechs Tage lagen die Temperaturen bei Plus fünf Grad, also wärmer, als wir es hier haben. Das Schiff liegt immer noch im offenen Wasser, eigentlich müsste es längst eingefroren sein.
Kitzler: Kann man eigentlich schon absehen, was dieser Klimawandel, der dort oben so augenfällig ist, für die Region und für die Welt bedeutet?
Fuchs: Man darf den Fokus eben nicht nur auf die Arktis legen. Das wäre fatal. Dort passiert es eben zu allererst, aber mit einiger Verzögerung erreicht es eben den gesamten Globus. Aus diesem Grund ist diese Vereinbarung von Kopenhagen völlig unbefriedigend, weil man sich einfach nicht der Verantwortung bewusst wird und sich nicht der Verantwortung verpflichtet fühlt.
Kitzler: Das Problem ist ja, wenn man über den Klimawandel redet: Es ist sehr schwer, ihn zu vermitteln, weil die Phänomene, in denen er sich äußert, ja ganz unterschiedlich sind. In der Arktis schmilzt das Eis, in der Antarktis, liest man, nimmt das Eis zum Teil auch zu. Macht Ihnen das auch Probleme, wenn Sie auf die Gefahren aufmerksam machen wollen?
Fuchs: Das Problem ist, glaube ich, wenn man so Zahlen in den Raum wirft. Ich diskutiere sehr viel mit Menschen, die mich auch gezielt ansprechen, und dann sagt man, zwei Grad Erwärmung, das ist doch gar nicht so viel und so schlimm kann das gar nicht sein. Man muss sich, glaube ich, die Konsequenzen mehr vor Augen führen. Wenn man bedenkt, dass der Weltmeeresspiegel in diesem Jahrhundert wahrscheinlich um einen Meter ansteigt, und man sich gleichzeitig vor Augen führt, dass über 160 Millionen-Städte an den Küsten liegen – einige Länder können vielleicht Deiche bauen, so wie wir das vielleicht können, aber in anderen Regionen, beispielsweise auch in New York, Metropolen, geht das nicht. Und was machen die armen Länder wie Bangladesch beispielsweise, die eben keine Deiche bauen können, die Pazifik-Staaten, die ja nun schon wirklich verzweifelt sind und denen das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht.
Das alles generiert natürlich unglaubliche politische Spannungen. Es wird Migrationswellen geben und viele andere Dinge mehr. Das heißt, den Klimawandel darf man nicht nur darauf festmachen, dass man sagt, bei uns wird es ein bisschen wärmer, so schlimm kann es gar nicht sein, sondern die Auswirkungen sind ganz gravierend und das wird die Volkswirtschaften in einem ganz hohen Maße belasten, viel mehr, als wenn man jetzt geeignete Maßnahmen ergreifen würde.
Kitzler: Ist das Ergebnis des Klimagipfels von Kopenhagen oder vielmehr vielleicht das Nicht-Ergebnis in Ihren Augen eine Katastrophe?
Fuchs: Es ist eine mittlere Katastrophe. Nur darf man jetzt natürlich nicht irgendwie in Lethargie und Verzweiflung verfallen und sagen, nun ist alles verspielt und nun können wir nichts mehr machen, sondern man muss eigentlich jetzt umso mehr die Ärmel aufkrempeln und sagen, Politiker, Leute, ihr gewählten Volksvertreter, ihr habt eure Verantwortung nicht wahrgenommen, statt global zu denken und globale Verantwortung zu übernehmen, habt ihr Kleinstaaterei betrieben und nationale Vorteile gesucht. Ich denke, hier muss wirklich jetzt ganz deutlich gemacht werden, dass man sich damit nicht zufrieden gibt und dass es natürlich Folgekonferenzen geben muss, wo man die jeweiligen Staaten dann wirklich wieder in die Pflicht nimmt. Wir können uns jetzt nicht zurücklehnen und sagen, hat nicht geklappt, schade darum und nun geht es so weiter, sondern jetzt erst recht muss man kämpfen und muss dieses Problem angehen.
Kitzler: Das heißt, Sie sind auch zuversichtlich, dass man die Folgen des Klimawandels noch einigermaßen begrenzen kann?
Fuchs: Na ja, es gibt immer diese Zwei-Grad-Grenze bis 2020. Das ist ja sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner, auf den man sich einigen kann. Es ist ja nicht reversibel. Um zwei Grad erwärmt sich das Klima ohnehin. Darunter geht es gar nicht mehr. Es stellt sich nur die Frage, ob wir es bei zwei Grad belassen, oder ob wir vier, fünf oder sechs Grad am Ende dieses Jahrhunderts haben. Die Kinder, die heute geboren werden, die haben diese Auswirkungen hautnah zu spüren. Es ist wirklich ein Investment in die Zukunft, es ist ein Investment in die Sicherheit unserer nachfolgenden Generation und es ist nicht irgendwie so ein bisschen ökologisches Geplänkel, was hier zur Disposition steht, sondern es geht hier wirklich um ganz handfeste Weichenstellungen, um ganz handfeste Interessen, die wir hier verfolgen müssen.
Kitzler: Vor 20 Jahren waren Sie als erster Deutscher zu Fuß am Nordpol. So eine Expedition kann man wahrscheinlich in einigen Jahrzehnten gar nicht mehr machen, oder?
Fuchs: Schon heute hat es sich geändert. Ich habe gerade mit Kollegen gesprochen, die dort unterwegs gewesen sind und gesagt haben, es ist eine völlig andere Landschaft dort, weil das Eis dünner ist, es ist sehr viel fragiler geworden, es löst sich im Sommer leichter auf, aber es wird eben auch im Winter gar nicht mehr so mächtig, wie es das vorher geworden ist. Diese Auswirkungen in der Arktis sieht man überall, im Übrigen nicht nur dadurch, dass das Eis dünner und weniger wird; das Meer, das Salzwassereis, die Gletscher entleeren das grönländische Innlandeis beispielsweise in einem viel höheren Tempo. Es ist nachweisbar, dass der Eintrag den Meeresspiegel steigen lässt und dass Grönland an Eisvolumen verliert. Es sind Vorgänge dort im Gange, die ganz eindeutig darauf zurückzuführen sind.
Kitzler: Der Klimawandel und das Ergebnis des Kopenhagener Gipfels aus der Sicht des Polarreisenden Arved Fuchs. Vielen Dank für das Gespräch und Ihnen einen schönen Tag.
Fuchs: Sehr gerne. Danke!
Arved Fuchs: Schönen guten Morgen.
Kitzler: Seit 30 Jahren machen Sie sich immer wieder auf zu Expeditionen in die Arktis und gerade vor wenigen Wochen erst sind Sie zurückgekehrt von der Nordwestküste Grönlands. Wie erleben Sie denn dort den Klimawandel?
Fuchs: Man stößt überall auf Hinweise, dass sich das Klima dort oben drastisch verändert. Die Arktis erwärmt sich doppelt so schnell wie der Rest der Welt. Das ist so wie eine Art Frühwarnsystem der Natur. Um ein ganz aktuelles Beispiel zu nennen: Unser Schiff überwintert dort, es sind drei Crew-Mitglieder an Bord. Die letzten fünf, sechs Tage lagen die Temperaturen bei Plus fünf Grad, also wärmer, als wir es hier haben. Das Schiff liegt immer noch im offenen Wasser, eigentlich müsste es längst eingefroren sein.
Kitzler: Kann man eigentlich schon absehen, was dieser Klimawandel, der dort oben so augenfällig ist, für die Region und für die Welt bedeutet?
Fuchs: Man darf den Fokus eben nicht nur auf die Arktis legen. Das wäre fatal. Dort passiert es eben zu allererst, aber mit einiger Verzögerung erreicht es eben den gesamten Globus. Aus diesem Grund ist diese Vereinbarung von Kopenhagen völlig unbefriedigend, weil man sich einfach nicht der Verantwortung bewusst wird und sich nicht der Verantwortung verpflichtet fühlt.
Kitzler: Das Problem ist ja, wenn man über den Klimawandel redet: Es ist sehr schwer, ihn zu vermitteln, weil die Phänomene, in denen er sich äußert, ja ganz unterschiedlich sind. In der Arktis schmilzt das Eis, in der Antarktis, liest man, nimmt das Eis zum Teil auch zu. Macht Ihnen das auch Probleme, wenn Sie auf die Gefahren aufmerksam machen wollen?
Fuchs: Das Problem ist, glaube ich, wenn man so Zahlen in den Raum wirft. Ich diskutiere sehr viel mit Menschen, die mich auch gezielt ansprechen, und dann sagt man, zwei Grad Erwärmung, das ist doch gar nicht so viel und so schlimm kann das gar nicht sein. Man muss sich, glaube ich, die Konsequenzen mehr vor Augen führen. Wenn man bedenkt, dass der Weltmeeresspiegel in diesem Jahrhundert wahrscheinlich um einen Meter ansteigt, und man sich gleichzeitig vor Augen führt, dass über 160 Millionen-Städte an den Küsten liegen – einige Länder können vielleicht Deiche bauen, so wie wir das vielleicht können, aber in anderen Regionen, beispielsweise auch in New York, Metropolen, geht das nicht. Und was machen die armen Länder wie Bangladesch beispielsweise, die eben keine Deiche bauen können, die Pazifik-Staaten, die ja nun schon wirklich verzweifelt sind und denen das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht.
Das alles generiert natürlich unglaubliche politische Spannungen. Es wird Migrationswellen geben und viele andere Dinge mehr. Das heißt, den Klimawandel darf man nicht nur darauf festmachen, dass man sagt, bei uns wird es ein bisschen wärmer, so schlimm kann es gar nicht sein, sondern die Auswirkungen sind ganz gravierend und das wird die Volkswirtschaften in einem ganz hohen Maße belasten, viel mehr, als wenn man jetzt geeignete Maßnahmen ergreifen würde.
Kitzler: Ist das Ergebnis des Klimagipfels von Kopenhagen oder vielmehr vielleicht das Nicht-Ergebnis in Ihren Augen eine Katastrophe?
Fuchs: Es ist eine mittlere Katastrophe. Nur darf man jetzt natürlich nicht irgendwie in Lethargie und Verzweiflung verfallen und sagen, nun ist alles verspielt und nun können wir nichts mehr machen, sondern man muss eigentlich jetzt umso mehr die Ärmel aufkrempeln und sagen, Politiker, Leute, ihr gewählten Volksvertreter, ihr habt eure Verantwortung nicht wahrgenommen, statt global zu denken und globale Verantwortung zu übernehmen, habt ihr Kleinstaaterei betrieben und nationale Vorteile gesucht. Ich denke, hier muss wirklich jetzt ganz deutlich gemacht werden, dass man sich damit nicht zufrieden gibt und dass es natürlich Folgekonferenzen geben muss, wo man die jeweiligen Staaten dann wirklich wieder in die Pflicht nimmt. Wir können uns jetzt nicht zurücklehnen und sagen, hat nicht geklappt, schade darum und nun geht es so weiter, sondern jetzt erst recht muss man kämpfen und muss dieses Problem angehen.
Kitzler: Das heißt, Sie sind auch zuversichtlich, dass man die Folgen des Klimawandels noch einigermaßen begrenzen kann?
Fuchs: Na ja, es gibt immer diese Zwei-Grad-Grenze bis 2020. Das ist ja sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner, auf den man sich einigen kann. Es ist ja nicht reversibel. Um zwei Grad erwärmt sich das Klima ohnehin. Darunter geht es gar nicht mehr. Es stellt sich nur die Frage, ob wir es bei zwei Grad belassen, oder ob wir vier, fünf oder sechs Grad am Ende dieses Jahrhunderts haben. Die Kinder, die heute geboren werden, die haben diese Auswirkungen hautnah zu spüren. Es ist wirklich ein Investment in die Zukunft, es ist ein Investment in die Sicherheit unserer nachfolgenden Generation und es ist nicht irgendwie so ein bisschen ökologisches Geplänkel, was hier zur Disposition steht, sondern es geht hier wirklich um ganz handfeste Weichenstellungen, um ganz handfeste Interessen, die wir hier verfolgen müssen.
Kitzler: Vor 20 Jahren waren Sie als erster Deutscher zu Fuß am Nordpol. So eine Expedition kann man wahrscheinlich in einigen Jahrzehnten gar nicht mehr machen, oder?
Fuchs: Schon heute hat es sich geändert. Ich habe gerade mit Kollegen gesprochen, die dort unterwegs gewesen sind und gesagt haben, es ist eine völlig andere Landschaft dort, weil das Eis dünner ist, es ist sehr viel fragiler geworden, es löst sich im Sommer leichter auf, aber es wird eben auch im Winter gar nicht mehr so mächtig, wie es das vorher geworden ist. Diese Auswirkungen in der Arktis sieht man überall, im Übrigen nicht nur dadurch, dass das Eis dünner und weniger wird; das Meer, das Salzwassereis, die Gletscher entleeren das grönländische Innlandeis beispielsweise in einem viel höheren Tempo. Es ist nachweisbar, dass der Eintrag den Meeresspiegel steigen lässt und dass Grönland an Eisvolumen verliert. Es sind Vorgänge dort im Gange, die ganz eindeutig darauf zurückzuführen sind.
Kitzler: Der Klimawandel und das Ergebnis des Kopenhagener Gipfels aus der Sicht des Polarreisenden Arved Fuchs. Vielen Dank für das Gespräch und Ihnen einen schönen Tag.
Fuchs: Sehr gerne. Danke!