Eine moderne Passionsgeschichte

Von Michael Meyer |
Die Verfilmung des Aids-Dramas "Angels in America" mit Al Pacino, Meryl Streep und Emma Thompson wurde in den USA mit Preisen überhäuft. Die Geschichte um ein Männerpaar im New York der 80er Jahre zeigt die ARD über Pfingsten in der sechsteiligen Serie "Engel in Amerika".
Über die Wolken von Amerika geht der Flug im Vorspann der Serie: Beginnend an der Golden Gate Bridge in San Francisco, dem Mekka der Homosexuellen, über das gottesfürchtige Heartland der USA bis nach New York, einem nicht minder sündigen Ort im tiefreligiösen Amerika.

Wir schreiben das Jahr 1985. Aids war in der Öffentlichkeit noch kein allzu großes Thema. Die Krankheit hatte zwar bereits ihren Namen, galt offiziell aber noch als Seuche der Schwulen, die sich durch allzu freizügigen Sex verbreitete. Kein Wunder, dass im ethisch einwandfreien Amerika des Ronald Reagan sich anfangs nur wenige dafür interessierten – viele nannten die Krankheit gar "Gottes gerechte Strafe".

In Tony Kushners Stück "Engel in Amerika" vermischt der Autor die verschiedenen Themen: Aids, Sex, Tod, Religion und Moral und macht daraus eine Art moderner Passionsgeschichte, die weit über das gezeigte hinausreicht. "Angels in America ist ein schwules Stück über nationale Themen", sagte Kushner einmal.

In Brooklyn, New York begegnen wir Prior und Louis, einem seit vier Jahren zusammenlebenden schwulen Paar. Louis ist Jude mit linksradikalen Tendenzen, traut sich jedoch nicht, sich vor seiner Familie zu outen. Sein Freund Prior erkrankt plötzlich an Aids. Louis wird es nicht schaffen, bei Prior zu bleiben – die Beziehung zerbricht an der Krankheit.

Hauptfigur des Films ist jedoch der konservative, rassistische und großmäulige Staranwalt Roy Cohn, der von Al Pacino mit einer eindrucksvollen Hochnäsigkeit und Arroganz gespielt wird. Cohn hat Beziehungen in höchste Kreise – innerhalb von zehn Minuten habe er die First Lady Nancy Reagan am Telefon, sagt der machtgierige Staranwalt. Cohns Hochmut wird nach und nach gebrochen, nachdem er von seinem Arzt erfährt, dass er Aids hat. Für Cohn, der zwar schwul lebt, das aber in der Öffentlichkeit nicht zeigt, zunächst ein Ding der Unmöglichkeit. " Aids ist eine Krankheit von Leuten, die keinen Einfluss haben", sagt Cohen im Film, er sei ein aber ein Heterosexueller mit einer Schwulenkrankheit.

Cohn verliebt sich, trotz der Aidsdiagnose, in den attraktiven Nachwuchsanwalt Joe. Der ist Mormone und traute sich bislang nicht, seine schwulen Neigungen auszuleben, bis er auf Louis trifft. Überdies führt Joe eine mehr als fragile Ehe mit seiner tablettenabhängigen Frau, die sich in Tagträumen verliert.

Ein Glück für die Verfilmung ist es, dass Regisseur Mike Nichols ebenso wie im Theaterstück die Doppel- und Dreifachrollen beibehalten hat: So kann man Emma Thompson sowohl als treusorgende Krankenschwester erleben als auch als heruntergekommene Stadtstreicherin – vor allem aber als apokalyptischer Engel, der dem todgeweihten Prior als Vision erscheint. Auch Meryl Streep wurde in mehreren Rollen besetzt: Zum einen als spießige, gottesfürchtige Mormonenmutter, zum anderen als Opfer der Mc Carthy-Justiz.

"Engel in Amerika" merkt man an, dass es eine Produktion des Bezahlkanals HBO ist – denn im Gegensatz zu den frei empfangbaren Sendern in den USA traut sich HBO auch an heikle Themen heran und landet damit immer wieder Erfolge wie etwa bei den auch in Deutschland beliebten Serien "Sex in the City" oder dem Bestatterdrama "Six Feet Under".

Auch wenn "Engel in Amerika" zuweilen etwas kitschig geraten ist, etwa wenn das Aidsopfer Prior in seinen Träumen zu Klängen von "Moonriver" mit seinem Freund tanzt, so ist die Miniserie doch ein gelungenes Porträt der Bigotterie des Amerika der 80er Jahre.

Wir sind heute zum Glück deutlich weiter und dennoch drängen sich Parallelen zu den Verhältnissen unter George Bush, junior auf. Am Ende von "Engel in Amerika" spricht der seit fünf Jahren tote Prior zu seinen Freunden und macht ihnen Mut, dass sie sich für ihr Leben und ihre Liebe nicht zu schämen brauchen – Schwules Leben wird es immer geben, lautet ist die Botschaft. Man möchte hinzufügen: Doppelmoral allerdings wohl auch.


Service:

Die ARD zeigt die sechsteilige US-Serie "Engel in Amerika" (Regie: Mike Nichols) am Freitag, 13.5., ab 21.40 Uhr Teil 1 und 2, am Pfingstsonntag, 15.5., ab 23.20 Uhr Teil 3 und 4 und am Pfinstmontag, 16.5., ab 22.45 Uhr Teil 5 und 6.

Link:

ARD: "Engel in Amerika"