Eine neue musikalische Heimat

Von Petra Marchewka |
Seit 1999 interpretiert der Chor "Klezmerlech" jiddische Lieder des 19. Jahrhunderts und moderne israelische Lieder und Tänze. Die Mitglieder aus der ehemaligen Sowjetunion wollen mit dem Singen andere für die jüdische Kultur begeistern.
Janna Jarkova: "Jiddisch war verboten in Sowjetunion früher. Und manche Leute haben das in Kindheit noch gehört, ja, von Großeltern, manchmal von Eltern."

Janna Jarkova ist eine kleine, elegante Dame in engem Rock und adretter Bluse. Die Gesichtszüge fein und klar, quirliges Temperament, sie strahlt Herzlichkeit aus.
"Das war alles in den Liedern gesungen, von Liebe, von Arbeit, von schweren Zeiten, und das ist ein Teil von unserer Geschichte."

Gleich neben der 73-jährigen ehemaligen Ärztin aus Odessa sitzt in diesem Probenraum, der bis 1938 Teil einer Synagoge gewesen ist, die nicht minder charismatische Klara Grinstejn: Über einem wasserblauen, weiten T-Shirt strahlt ein Gesicht mit markanten Wangen und großen Augen, eingerahmt von karottenroten Haaren.

Klara Grinstejn: "Viele machen intuitiv. Nicht mit Kopf. Mit Seele! Mit Herz. Und dann sie hören diese Musik, diese Volksmusik, Klezmermusik, und sie hören und sagen, wie schön das ist."

Außer der 78-jährigen Klara Grinsteijn und Janna Jarkova sind heute noch neun weitere Chormitglieder gekommen, die meisten kaum jünger, fast alle aus der ehemaligen Sowjetunion nach Hamburg emigriert. "Klezmerlech" trifft sich jeden Sonntag hier im Hamburger Stadtteil St. Pauli, übt für Auftritte in Kirchen, bei Gedenkveranstaltungen und Kulturbegegnungsfesten.

Galina Jarkova, Jannas Tochter, ist studierte Querflötistin. Sie hält im Chor die künstlerischen Fäden in der Hand, trainiert die Stimmen, komponiert, textet, organisiert. Die 41-Jährige hat den Chor vor zwölf Jahren gegründet, um die jiddische Sprache und Kultur zu fördern und um gemeinsam moderne hebräische Lieder und Psalmen zu singen. Drei Liederbücher mit eigenem Repertoire und Texten in Jiddisch, Hebräisch, Russisch und Deutsch sind unter Galinas Federführung bereits entstanden.

Galina Jarkova: "Ich wurde immer unterstützt für meine Arbeit. Weil das ist ganz viel Arbeit. Ganz viel Zeit kostet. Und die Leute, die Sie hier sehen, die sind wie unsere Familie. Ich spüre jederzeit, dass sie mich lieben. Und ich liebe sie auch alle. Das ist auch ganz wichtiger Aspekt, dass Du gibst, was Du wirklich hast, und die geben Dir was zurück."

Zur Probe an diesem Frühlingssonntag ist auch Daniel Lachmann gekommen. Der Musiker, Geiger, Klezmer-Spezialist ist 1993 mit seiner Familie aus der Ukraine nach Deutschland gekommen:

"Das Leben war da sehr hart, und das Land war sehr hoch antisemitisch. Wir haben sehr viel Freunde durch die Musik in Deutschland gekriegt, und die haben uns sehr geholfen, deshalb haben wir uns gut eingelebt.

Das drückt unsere Seele aus. Wissen Sie, die Juden, wir sind zerstreut über die ganze Welt, aber die Seele verbindet uns, egal wo wir sind."

Kaum einer der bis zu 20 "Klezmerlech"-Mitglieder hat je eine Gesangsausbildung erfahren, sie alle haben aber ihre Stimmen mit Hilfe von Galina Jarkova mit der Zeit immer besser geschult. Klara Grindstejn zum Beispiel, die im Leningrader Konservatorium einen Abschluss im Fach Klavier absolvierte hat, tritt mit "Klezmerlech" inzwischen sogar als Solistin auf. Und auch ihr Mann Julian Golod, früher in Weißrussland Bergbauingenieur, hat erst hier im Chor zu singen begonnen. Heute ist Golod schwer krank, nur "Klezmerlech" bringt ihn am Wochenende auf die Beine.

Joulian Golod: "Der Chor bringt mir Kraft."

Klara Grindstein: "Er kommt aus Bett und kommt in Chor und bekommt neue Kraft."

Besonders wichtig ist den Jarkovas und dem Geiger Daniel Lachmann, auch junge Menschen für Klezmer zu begeistern und so die jüdische Geschichte präsent zu halten.

Daniel Lachmann: "Ich zum Beispiel erkläre, worum es geht, wieso diese melancholische Melodie. Die Kinder müssen das weiter seinen Kindern und Enkelkindern das weiter beibringen."

Galina Jarkova: "Also ich wünsche mir, dass alles, was wir gemacht haben, dass wir das an Jugendliche überbringen. Da ist vielleicht die Zukunft."

Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.
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