Eine Oper als Zeitmaschine

Von Uwe Friedrich |
Die "Parsifal"-Aufführung von Stefan Herheim von 2008 erlebt in diesem Jahr eine Wiederaufführung bei den Bayreuther Festspielen. Der norwegische Regisseur inszeniert die Wagner-Oper als Zeitreise in die deutsche Geschichte.
Anstelle des Souffleurkastens ragt das nachgebaute Grab Richard Wagners aus dem Orchestergraben auf die Bühne des Bayreuther Festspielhauses. Als flüstere der Komponist noch über den Tod hinaus seine Anweisungen, wenn hier das Bühnenweihfestspiel "Parsifal" gegeben wird. Eine Zeitreise von der Uraufführung bis heute hatte der norwegische Regisseur Stefan Herheim angekündigt, nebst Vergangenheitsbewältigung Deutschlands im Allgemeinen und der Festspiele im Besonderen.

Der erste Aufzug des Erlösungsspektakels spielt im Kaiserreich, ein bürgerlicher Salon mit Sterbebett von Parsifals Mutter verwandelt sich in den Gralstempel mitsamt den nachgebauten Kulissen der Uraufführung im Jahr 1882. Der zweite Teil, eigentlich Klingsors Zaubergarten, trägt sich in einem Nachtclub der zwanziger Jahre zu, der entmannte Zauberer Klingsor mutiert zur Marlene-Dietrich-Parodie. Die Gralsritter halten ihre Rituale im alten Bonner Bundestag ab und wenn Parsifal ans Rednerpult tritt, wird endlich alles gut.

Den ganzen Abend hindurch müssen die Bühnentechniker mächtig arbeiten, denn das Bühnenbild von Heike Scheele ist in ständiger Bewegung. Als hätte Herheim Angst, dass sein Publikum über die Bilderflut nachdenkt. Dann könnten die Zuschauer vielleicht fragen, warum ausgerechnet Klingsors Mannen die Nazis geben, wo doch die Gralsritter ununterbrochen von Blut und Treue singen.

Der italienische Dirigent Daniele Gatti näherte sich bei der Premiere im vergangenen Jahr mit fast fünf Stunden reiner Musikzeit dem Langsamkeitsrekord an, wurde während der Festspiele aber bereits deutlich schneller. An der Sängerbesetzung ändert sich nichts, Christopher Ventris, Detlef Roth, Kwangchul Youn und Mihoko Fujimura interpretieren die tragenden Rollen. Die spannendste Frage bleibt also, ob Stefan Herheim die Möglichkeiten der Werkstatt Bayreuth zu einer Weiterentwicklung seiner Inszenierung genutzt hat.
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