Eine Plattenfirma als Steinbruch der Kulturgeschichte
Mit Keith Jarretts "Köln Concert" schuf das Münchener Label ECM einen Meilenstein der Jazzgeschichte. Aber auch große Komponisten wie Arvo Pärt und Steve Reich wurden hier entdeckt. Das Haus der Kunst in München widmet dem Label nun eine Ausstellung nebst Konzerten.
Hinweis:
Sie können die englische Originalfassung des Interviews als Gespräch mit Okwui Enwezor als MP3-Audio MP3-Audio hören.
Stephan Karkowsky: In München gibt’s eine Plattenfirma, die seit über vier Jahrzehnten einen ganz ausgezeichneten Ruf genießt. Das Label heißt ECM (Edition of Contemporary Music) und gilt als Highend-Schmiede zeitgenössischer Jazzmusik, was nicht nur an den Weltklassekünstlern liegt, die da verlegt werden - also Keith Jarrett etwa, Pat Metheny oder Arvo Pärt -, sondern auch am Corporate Design.
ECM verwendet eine durchkomponierte Ästhetik – vom Klang seiner Schallplatten bis hin zu Covergestaltung und Schrifttypen. Das Münchener Haus der Kunst widmet ECM ab morgen eine Ausstellung. Kurator ist der Direktor persönlich, Okwui Enwezor, gemeinsam mit Markus Müller. Herr Enwezor, good morning!
Okwui Enwezor: Good morning!
Karkowsky: Sie waren Chef der Documenta 11, waren dieses Jahr Leiter der Triennale in Paris, und seit einem Jahr nun leiten Sie das Haus der Kunst. Warum haben Sie sich als erstes Thema ein Plattenlabel ausgesucht, also eine Firma, die selbst Kunst verlegt?
Enwezor: Nun, zunächst einmal glaube ich, dass ECM sowohl als Plattenfirma wie auch als Publikationshaus eine tiefere Betrachtung verdient, dass man es einfach genauer anschaut. Ich bin selbst ein geschworener Anhänger der Produktion von ECM, all dessen, was sie über 40 Jahre hinweg produziert haben.
Diese Ausstellung ist eine Möglichkeit, genau diesen interdisziplinären Ansatz, für den das Haus der Kunst steht, zu verwirklichen. Die Verknüpfung von Klang und Bildgestaltung ist ja keineswegs neu, sie geht auf über ein Jahrhundert zurück.
Diese Ausstellung über ECM bietet nun in monografischer Hinsicht zunächst einmal die Möglichkeit, das Gesamtschaffen eines Künstlers und seines publizierenden Hauses zu veröffentlichen, und in diesem Fall eben Manfred Eicher, der geradezu der Prototyp eines produzierenden Autors ist. ECM, das eben nicht nur selbst Kunst produziert, sondern sie auch ausstellt, das galt es zu erkennen.
Karkowsky: Aber wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Enwezor: Nun, auf mehr oder minder zufällige Weise geschah das. Ich war eben gerade erst als Direktor des Hauses der Kunst ernannt worden und fand mich da auf einer Veranstaltung ein und traf eben zufällig Jesse Moran, einen Pianisten, mit dem ich bekannt und befreundet bin und der auch bei ECM publiziert. Er schlug mir dann das irgendwie vor: Warum machst du nicht etwas zu ECM? Mich hat die Idee sehr fasziniert, und ich habe sie auch Manfred Eicher vorgeschlagen. Und seit da haben wir dies eben gemeinsam weiter ausgearbeitet.
Karkowsky: Bevor Sie uns gleich virtuell durch die Ausstellung führen, hören wir zunächst einen Ausschnitt aus dem erfolgreichsten ECM-Album überhaupt, aufgenommen von ECM-Chef Manfred Eicher live am 24. Januar 1975 in der Kölner Oper. Und diese Aufnahme ist ein wahres Wunder. Die Nacht zuvor war Eicher mit seinem Künstler noch in Lausanne gewesen, in der Schweiz.
Den ganzen Tag hatten beide in Eichers altem R4 auf der Autobahn verbracht. Als sie vollkommen übermüdet in Köln ankamen, stand der falsche Flügel auf der Bühne, ein schlecht gewarteter Bösendörfer, verstimmt, mit hakenden Pedalen und klemmenden Tasten. Der Künstler wollte das Konzert absagen, man musste ihm gut zureden.
Und als er dann doch zu spielen anfing, da imitierte er zunächst spöttisch die Melodie des Pausengongs der Kölner Oper und improvisierte dann. Die Tontechniker schnitten nur für interne Zwecke mit, eine Veröffentlichung war nie geplant. Bis Manfred Eicher das Ergebnis hörte. Und heute ist das Köln Concert von Keith Jarrett die meistverkaufte Jazzsolo- und Klaviersoloplatte aller Zeiten.
Musikeinspielung
Karkowsky: Ein Ausschnitt aus Keith Jarretts Köln Concert, mehr als dreieinhalb Millionen Aufnahmen wurden davon verkauft. Für Manfred Eichers kleine Plattenfirma ECM ein Hit. Morgen ist Eröffnung der ECM-Ausstellung im Münchener Haus der Kunst, kuratiert vom Direktor selbst, von Okwui Enwezor.
Mister Enwezor, Sie sind bekannt dafür, dass Sie sich nicht mit einfachen Lösungen zufriedengeben, also nur ein paar Plattencover aufhängen und CD-Player aufstellen, das wäre Ihnen natürlich zu wenig. Wie haben Sie sich denn dann der Aufgabe genähert, Musik auszustellen?
Enwezor: Ja, eine sehr spannende Frage, auf die die Antwort nicht so einfach ist. Ich glaube, das ist auch bereits Bestandteil des Themas der Ausstellung: Wie kann man Musik ausstellen? Wir haben eine Antwort auf dreierlei Spuren versucht.
Erstens, wir versuchen die Ausstellung als eine Art sinnlich erfahrbares Feld zu gestalten, für Auge, für Ohr und auch themenzentriert, wo die Erfahrung von Live-Musik verknüpft wird mit Archivmaterial, wo Themen neu verknüpft werden, wie sie ECM eben gesammelt hat und wie sie jetzt wieder dargeboten wird.
Zweitens bieten wir eine Reihe von Live-Konzerten im Haus der Kunst an. Wir haben eine Konzertreihe vorgesehen mit 19 Konzerten, beginnend am Freitag, dem 23. November, bis 10. Februar 2013. Hier wird Musik also erfahrbar, sowohl im Live-Erlebnis wie auch als Archivmaterial.
Wir glauben, dass dies wirklich eine fast unumgängliche Art ist, diese Musik nahezubringen, eine innigere Annäherung zu ermöglichen. Und Manfred Eicher hat selbst eine ganze Reihe von Musikern vorgeschlagen, die hier auftreten werden.
Karkowsky: Manfred Eicher zitiert gern Gertrude Stein mit den Worten: Denk dir deine Ohren als Augen. Mit den Ohren sehen, konnten Sie das in der Ausstellung umsetzen?
Enwezor: Nun, auch wenn dieses Zitat nicht eigentlich mein Ausgangspunkt war, so kann es doch am Anfang dieser Ausstellung verwendet werden. Die Ausstellung empfängt ja den Besucher mit einer ganz schönen Filminstallation mit Theodor Kotulla, wo man dann einen Film sieht, der lautet "Siehe die Musik" (Anmerkung: In der Originalfassung lautete der Titel "See the Music"), aus dem Jahr 1971. Und hier wird ein Konzert mit Marion Brown gezeigt aus dem Jahr 1970 (Anmerkung: Das Konzert war 1971), das sie mit ECM zusammen aufführte und für ECM.
Und hier kommt eben dieser Grundgedanke, schau dir die Musik an, sehr eindrücklich zur Darstellung. Und innerhalb der Ausstellung gibt es dann eine Installation, die Jean-Luc Godard und seinem Film "Nouvelle Vague" gewidmet ist, aber so, dass man den Film dort nicht sieht, sondern hört. Man hört also nur die Filmmusik.
Schau dir die Musik an, höre den Film an – das ist nicht im engeren Sinn eine synästhetische Erfahrung, kommt aber ziemlich nahe an das heran, was Gertrude Stein in diesem Zitat andeutete, und was wir dann auch in einem weiteren Auftragswerk, das wir beauftragt haben, dann zeigen werden in der Otolith-Installation. Die soll dann mit ihren Mitteln das zur Darstellung bringen, was ECM in ihren Augen und Ohren bisher vollbracht hat.
Karkowsky: ECM ist ein Label mit einem großen Respekt für Stille, aber auch für Geduld. Einzelne Tracks sind nicht selten 20 Minuten und länger, und das Gleiche gilt ja auch für die Filme, die Sie zeigen. Was glauben Sie denn, wie viel Geduld der durchschnittliche Ausstellungsbesucher mitbringt und wie viel Zeit müsste er mitbringen?
Enwezor: Nun, die Hoffnung ist nicht, dass die Menschen möglichst lange dort bleiben, sondern die Frage lautet, wie oft kehren sie wieder. Musik verläuft in der Zeit, ist ja an Zeit gebunden, ebenso auch das Medium der bewegten Bilder.
Zeitlichkeit ist ein ganz entscheidendes Maß für die Kunsterfahrung, und ich glaube, diese Einsicht kann das Publikum in der Ausstellung auch wirklich mitnehmen. Selbstverständlich gibt es da sehr anspruchsvolle Ausstellungsstücke, die viel Geduld verlangen, aber das Publikum kann durchaus auch schnappschussartig einzelne Eindrücke aus der Ausstellung mitnehmen, ohne gleich ein ganzes Jahr in der Ausstellung verbringen zu müssen.
Es stimmt aber, viel Geduld wird erwartet. Wir haben hier auch ausführliches Hören vorgesehen, etwa von Keith Jarretts Sun Bear Concerts. Das sind ja ganze LPs, und ich glaube, keiner hat das bisher unternommen, sie alle in einem einzigen Durchgang zu hören. Aber es gibt eben hier ganz unterschiedliche Möglichkeiten für jeden.
Karkowsky: Morgen Abend ist die offizielle Eröffnung, ab Freitag dann für alle. ECM, eine kulturelle Archäologie im Haus der Kunst München. Sie hörten dazu den Direktor und auch Ko-Kurator Okwui Enwezor. Johannes Hampel hat übersetzt. Ihnen beiden besten Dank! Thank you very much!
Enwezor: Thank you so much!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Sie können die englische Originalfassung des Interviews als Gespräch mit Okwui Enwezor als MP3-Audio MP3-Audio hören.
Stephan Karkowsky: In München gibt’s eine Plattenfirma, die seit über vier Jahrzehnten einen ganz ausgezeichneten Ruf genießt. Das Label heißt ECM (Edition of Contemporary Music) und gilt als Highend-Schmiede zeitgenössischer Jazzmusik, was nicht nur an den Weltklassekünstlern liegt, die da verlegt werden - also Keith Jarrett etwa, Pat Metheny oder Arvo Pärt -, sondern auch am Corporate Design.
ECM verwendet eine durchkomponierte Ästhetik – vom Klang seiner Schallplatten bis hin zu Covergestaltung und Schrifttypen. Das Münchener Haus der Kunst widmet ECM ab morgen eine Ausstellung. Kurator ist der Direktor persönlich, Okwui Enwezor, gemeinsam mit Markus Müller. Herr Enwezor, good morning!
Okwui Enwezor: Good morning!
Karkowsky: Sie waren Chef der Documenta 11, waren dieses Jahr Leiter der Triennale in Paris, und seit einem Jahr nun leiten Sie das Haus der Kunst. Warum haben Sie sich als erstes Thema ein Plattenlabel ausgesucht, also eine Firma, die selbst Kunst verlegt?
Enwezor: Nun, zunächst einmal glaube ich, dass ECM sowohl als Plattenfirma wie auch als Publikationshaus eine tiefere Betrachtung verdient, dass man es einfach genauer anschaut. Ich bin selbst ein geschworener Anhänger der Produktion von ECM, all dessen, was sie über 40 Jahre hinweg produziert haben.
Diese Ausstellung ist eine Möglichkeit, genau diesen interdisziplinären Ansatz, für den das Haus der Kunst steht, zu verwirklichen. Die Verknüpfung von Klang und Bildgestaltung ist ja keineswegs neu, sie geht auf über ein Jahrhundert zurück.
Diese Ausstellung über ECM bietet nun in monografischer Hinsicht zunächst einmal die Möglichkeit, das Gesamtschaffen eines Künstlers und seines publizierenden Hauses zu veröffentlichen, und in diesem Fall eben Manfred Eicher, der geradezu der Prototyp eines produzierenden Autors ist. ECM, das eben nicht nur selbst Kunst produziert, sondern sie auch ausstellt, das galt es zu erkennen.
Karkowsky: Aber wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Enwezor: Nun, auf mehr oder minder zufällige Weise geschah das. Ich war eben gerade erst als Direktor des Hauses der Kunst ernannt worden und fand mich da auf einer Veranstaltung ein und traf eben zufällig Jesse Moran, einen Pianisten, mit dem ich bekannt und befreundet bin und der auch bei ECM publiziert. Er schlug mir dann das irgendwie vor: Warum machst du nicht etwas zu ECM? Mich hat die Idee sehr fasziniert, und ich habe sie auch Manfred Eicher vorgeschlagen. Und seit da haben wir dies eben gemeinsam weiter ausgearbeitet.
Karkowsky: Bevor Sie uns gleich virtuell durch die Ausstellung führen, hören wir zunächst einen Ausschnitt aus dem erfolgreichsten ECM-Album überhaupt, aufgenommen von ECM-Chef Manfred Eicher live am 24. Januar 1975 in der Kölner Oper. Und diese Aufnahme ist ein wahres Wunder. Die Nacht zuvor war Eicher mit seinem Künstler noch in Lausanne gewesen, in der Schweiz.
Den ganzen Tag hatten beide in Eichers altem R4 auf der Autobahn verbracht. Als sie vollkommen übermüdet in Köln ankamen, stand der falsche Flügel auf der Bühne, ein schlecht gewarteter Bösendörfer, verstimmt, mit hakenden Pedalen und klemmenden Tasten. Der Künstler wollte das Konzert absagen, man musste ihm gut zureden.
Und als er dann doch zu spielen anfing, da imitierte er zunächst spöttisch die Melodie des Pausengongs der Kölner Oper und improvisierte dann. Die Tontechniker schnitten nur für interne Zwecke mit, eine Veröffentlichung war nie geplant. Bis Manfred Eicher das Ergebnis hörte. Und heute ist das Köln Concert von Keith Jarrett die meistverkaufte Jazzsolo- und Klaviersoloplatte aller Zeiten.
Musikeinspielung
Karkowsky: Ein Ausschnitt aus Keith Jarretts Köln Concert, mehr als dreieinhalb Millionen Aufnahmen wurden davon verkauft. Für Manfred Eichers kleine Plattenfirma ECM ein Hit. Morgen ist Eröffnung der ECM-Ausstellung im Münchener Haus der Kunst, kuratiert vom Direktor selbst, von Okwui Enwezor.
Mister Enwezor, Sie sind bekannt dafür, dass Sie sich nicht mit einfachen Lösungen zufriedengeben, also nur ein paar Plattencover aufhängen und CD-Player aufstellen, das wäre Ihnen natürlich zu wenig. Wie haben Sie sich denn dann der Aufgabe genähert, Musik auszustellen?
Enwezor: Ja, eine sehr spannende Frage, auf die die Antwort nicht so einfach ist. Ich glaube, das ist auch bereits Bestandteil des Themas der Ausstellung: Wie kann man Musik ausstellen? Wir haben eine Antwort auf dreierlei Spuren versucht.
Erstens, wir versuchen die Ausstellung als eine Art sinnlich erfahrbares Feld zu gestalten, für Auge, für Ohr und auch themenzentriert, wo die Erfahrung von Live-Musik verknüpft wird mit Archivmaterial, wo Themen neu verknüpft werden, wie sie ECM eben gesammelt hat und wie sie jetzt wieder dargeboten wird.
Zweitens bieten wir eine Reihe von Live-Konzerten im Haus der Kunst an. Wir haben eine Konzertreihe vorgesehen mit 19 Konzerten, beginnend am Freitag, dem 23. November, bis 10. Februar 2013. Hier wird Musik also erfahrbar, sowohl im Live-Erlebnis wie auch als Archivmaterial.
Wir glauben, dass dies wirklich eine fast unumgängliche Art ist, diese Musik nahezubringen, eine innigere Annäherung zu ermöglichen. Und Manfred Eicher hat selbst eine ganze Reihe von Musikern vorgeschlagen, die hier auftreten werden.
Karkowsky: Manfred Eicher zitiert gern Gertrude Stein mit den Worten: Denk dir deine Ohren als Augen. Mit den Ohren sehen, konnten Sie das in der Ausstellung umsetzen?
Enwezor: Nun, auch wenn dieses Zitat nicht eigentlich mein Ausgangspunkt war, so kann es doch am Anfang dieser Ausstellung verwendet werden. Die Ausstellung empfängt ja den Besucher mit einer ganz schönen Filminstallation mit Theodor Kotulla, wo man dann einen Film sieht, der lautet "Siehe die Musik" (Anmerkung: In der Originalfassung lautete der Titel "See the Music"), aus dem Jahr 1971. Und hier wird ein Konzert mit Marion Brown gezeigt aus dem Jahr 1970 (Anmerkung: Das Konzert war 1971), das sie mit ECM zusammen aufführte und für ECM.
Und hier kommt eben dieser Grundgedanke, schau dir die Musik an, sehr eindrücklich zur Darstellung. Und innerhalb der Ausstellung gibt es dann eine Installation, die Jean-Luc Godard und seinem Film "Nouvelle Vague" gewidmet ist, aber so, dass man den Film dort nicht sieht, sondern hört. Man hört also nur die Filmmusik.
Schau dir die Musik an, höre den Film an – das ist nicht im engeren Sinn eine synästhetische Erfahrung, kommt aber ziemlich nahe an das heran, was Gertrude Stein in diesem Zitat andeutete, und was wir dann auch in einem weiteren Auftragswerk, das wir beauftragt haben, dann zeigen werden in der Otolith-Installation. Die soll dann mit ihren Mitteln das zur Darstellung bringen, was ECM in ihren Augen und Ohren bisher vollbracht hat.
Karkowsky: ECM ist ein Label mit einem großen Respekt für Stille, aber auch für Geduld. Einzelne Tracks sind nicht selten 20 Minuten und länger, und das Gleiche gilt ja auch für die Filme, die Sie zeigen. Was glauben Sie denn, wie viel Geduld der durchschnittliche Ausstellungsbesucher mitbringt und wie viel Zeit müsste er mitbringen?
Enwezor: Nun, die Hoffnung ist nicht, dass die Menschen möglichst lange dort bleiben, sondern die Frage lautet, wie oft kehren sie wieder. Musik verläuft in der Zeit, ist ja an Zeit gebunden, ebenso auch das Medium der bewegten Bilder.
Zeitlichkeit ist ein ganz entscheidendes Maß für die Kunsterfahrung, und ich glaube, diese Einsicht kann das Publikum in der Ausstellung auch wirklich mitnehmen. Selbstverständlich gibt es da sehr anspruchsvolle Ausstellungsstücke, die viel Geduld verlangen, aber das Publikum kann durchaus auch schnappschussartig einzelne Eindrücke aus der Ausstellung mitnehmen, ohne gleich ein ganzes Jahr in der Ausstellung verbringen zu müssen.
Es stimmt aber, viel Geduld wird erwartet. Wir haben hier auch ausführliches Hören vorgesehen, etwa von Keith Jarretts Sun Bear Concerts. Das sind ja ganze LPs, und ich glaube, keiner hat das bisher unternommen, sie alle in einem einzigen Durchgang zu hören. Aber es gibt eben hier ganz unterschiedliche Möglichkeiten für jeden.
Karkowsky: Morgen Abend ist die offizielle Eröffnung, ab Freitag dann für alle. ECM, eine kulturelle Archäologie im Haus der Kunst München. Sie hörten dazu den Direktor und auch Ko-Kurator Okwui Enwezor. Johannes Hampel hat übersetzt. Ihnen beiden besten Dank! Thank you very much!
Enwezor: Thank you so much!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.