"Eine Schlappe in Iowa, ein Comeback in New Hampshire"

Moderation: Marie Sagenschneider |
Nach dem Sieg von Hillary Clinton bei der Vorwahl für die demokratische Präsidentschaftskandidatur in New Hampshire prognostiziert der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, ein Kopf-an-Kopf Rennen mit Barack Obama. Sollte Clinton gewinnen, wäre sie seiner Ansicht nach die größere Herausforderung für die Republikaner.
Marie Sagenschneider: Hillary Clinton nimmt sich offenbar ihren Mann als Vorbild. Nicht nur, dass sie Präsidentin werden will, sondern auch der Auftakt der Vorwahlen gleicht dem, was Bill Clinton 1992 erlebt hatte: eine Schlappe in Iowa, ein Comeback in New Hampshire. Und weil daran kaum noch einer geglaubt hatte – schließlich lag Barack Obama in den Umfragen weit vorn -, kann Hillary Clinton diesen, wenn auch knappen ersten Platz als großen Sieg feiern, der allerdings auch nur eine erste Etappe ist, denn in 48 Bundesstaaten wird ja erst noch abgestimmt über die Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur. Ist dennoch aus dem Ergebnis in New Hampshire schon eine Richtung erkennbar – auch das wollen wir jetzt John Kornblum fragen, den früheren Botschafter der USA in Deutschland. Guten Morgen Herr Kornblum!

John Kornblum: Guten Morgen!

Sagenschneider: Wie werten Sie das Ergebnis von New Hampshire? Hat es Sie überrascht?

Kornblum: Etwas überrascht, aber nicht dramatisch überrascht. Sie haben eben gesagt, ob es richtungsweisend ist. Ich glaube ja. Es wird zeigen, dass der Wahlkampf doch nicht entschieden ist, dass es sehr kompliziert sein wird und dass es wahrscheinlich ein harter Kampf sein wird.

Sagenschneider: Welche Bedeutung hat dieser Sieg für und von Hillary Clinton?

Kornblum: Für Hillary Clinton ist das sozusagen fast die Rettung. Wenn sie hier in New Hampshire verloren hätte und besonders so hoch wie die Umfragen – bis gestern haben die 13 Prozent Vorsprung für Obama prognostiziert -, wenn das passiert wäre, wäre sie fast am Ende gewesen. Aber jetzt hat sie ihre Stärke gezeigt und jetzt ist es wirklich im Moment immer noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Sagenschneider: Die Analysen zeigen, dass Hillary Clinton in erster Linie von den Frauen gewählt wird, Barack Obama wird von den Jungwählern bevorzugt. Was sehen Sie in diesen beiden Kandidaten der Demokraten? Wofür stehen sie?

Kornblum: Sie zeigen beide sehr wichtige Gesichtspunkte für den Wahlkampf. Auf der einen Seite ist Hillary Clinton, die erfahren ist, die stetig ist, die wirklich eine sehr professionelle Regierung auf die Beine stellen würde. Auf der anderen Seite ist Obama. Der ist eher ein bisschen in der Kategorie von einer Bewegung, einer Gruppe von Menschen, die einfach die Nase voll haben und was Neues haben wollen. Das ist auch sehr wichtig. Und ich glaube gerade in dem Zustand in Amerika ist es sehr wichtig, dass man auch nicht nur sachlich wie Hillary Clinton, sondern auch ein bisschen oppositionell wählt.

Sagenschneider: Ist Barack Obama politisch erfahren genug für das Präsidentenamt?

Kornblum: Das ist immer die Frage. Was heißt Erfahrung? Auf der einen Seite ist er natürlich nicht politisch erfahren, aber wenn Sie auf der anderen Seite seinen Lebenslauf lesen, dann hat er politischen Aktivismus, wie man in Amerika, sagt seit seinem 20. Lebensjahr gemacht. Er ist ein sehr, sehr kompetenter und auch engagierter Politiker und er würde sich bestimmt nicht blamieren als Präsident. Die Frage ist: Was braucht das Land im Moment? Obama und Clinton bieten wirklich zwei ziemlich starke Kontrastprogramme.

Sagenschneider: Es war ja schon viel von einem Wunsch nach Wandel in Amerika die Rede. Barack Obama hat das ja auch als festes Schlagwort in seinen Wahlkampf eingebaut. Ist dieser Wunsch nach Wandel wirklich so groß?

Kornblum: Nein, überhaupt nicht. Die Leute wollen eigentlich keinen Wandel haben. Wenn man sagt, wir wollen Wandel haben, dann bedeutet das, wir wollen wieder gute Gefühle haben, wir wollen, dass die Welt so stabil wird, wie sie mal war, dass wir wieder Vertrauen in unsere Regierung haben. Aber einen Riesen-Wandel, dass das Land sich total ändert, das wollen weder die Amerikaner noch die Europäer. Die Politik ist an sich ein sehr stabiles Geschäft. Die Frage ist: Wie benutzt man die Mittel des Wahlkampfs, um ein bisschen Bewegung in dieses Geschäft zu bringen.

Sagenschneider: Wenn dieser Wunsch gar nicht so groß ist, dann heißt das aber auch, dass die republikanischen Kandidaten es gar nicht so schwer haben, wie es derzeit aussieht. Derzeit ist die Lage ja noch relativ unübersichtlich.

Kornblum: Ich glaube, die republikanische Partei hat so abgewirtschaftet in den letzten acht Jahren. Ich glaube, die Demokraten müssen wirklich sehr viele Fehler machen, um zu verlieren. Aber die Geschichte zeigt: Die Demokraten sind sogar Experten darin, viele Fehler zu machen.

Sagenschneider: Eine echte Chance wird bei den republikanischen Bewerbern noch vier Kandidaten eingeräumt: McCain, Giuliani, Romney, Huckabee. Woher, Herr Kornblum, rührt es, dass sich da bisher kaum ein wirklicher Favorit herausgeschält hat oder zumindest zwei Favoriten wie ja bei den Demokraten?

Kornblum: Ich glaube, weil die Republikaner selbst unentschlossen sind. Die sind wie gesagt jetzt am Ende einer ziemlich katastrophalen Serie und sie wissen selber nicht, was sie jetzt machen sollen. Die vier Menschen bieten ziemliche Kontraste: von dem richtig schicken, smarten Geschäftsmann zu dem alten Kämpfer McCain, zu dem neuen Populisten Huckabee. Das sind tatsächlich drei ganz, ganz verschiedene Programme. Meine persönliche Meinung ist, dass das bei den Republikanern ziemlich lange dauern wird, bis man sehen kann, wer der wahrscheinlichste Kandidat ist.

Sagenschneider: Wer wäre denn am Ende für die Republikaner die größere Herausforderung, Clinton oder Obama?

Kornblum: Ich glaube beide sind wie gesagt wirklich eine Herausforderung. Wahrscheinlich wäre Clinton eine größere Herausforderung.

Sagenschneider: Warum?

Kornblum: Weil das Land ist im Endeffekt konservativ und die Obama-Bewegung fängt im Moment jetzt die jungen, die progressiven Kräfte, aber ob das ganze Land so begeistert sein würde, kann man nicht wissen. Deshalb ist der 5. Februar so wichtig. Da finden 15 Vorwahlen statt. Von kleinen bis zu den größten Bundesstaaten werden wählen, und dann werden wir sehen können, inwieweit ist eine weit gefächerte Unterstützung für seine Bewegung, oder ob die alten Regeln der Politik doch noch vorhanden sind.

Sagenschneider: Wer wäre Ihnen denn lieber, Clinton oder Obama?

Kornblum: Oh, das darf ich vielleicht im Moment nicht sagen. Ich bin lange Jahre mit der Clinton-Administration verbunden und ich glaube aus rein sachlichen Gründen würde Frau Clinton eine sachkundige Regierung aufstellen. Aber man muss sehen: Vielleicht will man jetzt dieses Jahr nicht nach sachlichen Kriterien entscheiden, sondern es ist ein Jahr der Emotionen. Wir werden sehen!

Sagenschneider: John Kornblum war das, der frühere Botschafter der USA in Deutschland. Herr Kornblum, ich danke Ihnen!

Kornblum: Ja, ich bedanke mich!