Eine sehr charismatische Frau
"Das Schmuckstück", so der deutsche Titel des neuen Films von François Ozon, einer bitterbösen aber zugleich sehr komischen Wohlstandssatire, war Zuschauerliebling auf den Festivals in Venedig und Toronto. Nicht zuletzt wegen einer bezaubernden Catherine Deneuve.
Liane von Billerbeck: Im Studio ist jetzt die Filmkritikerin Katja Nicodemus, die François Ozons Film schon gesehen und mit Catherine Deneuve gesprochen hat. Schönen guten Morgen!
Katja Nicodemus: Hallo!
von Billerbeck: Das ist ja die Geschichte einer Frau, die sich von der Perle ihres Mannes zu einer ganz eigenständigen Person entwickelt, eine Emanzipationsgeschichte also. Katja Nicodemus, Sie haben Catherine Deneuve zum Interview getroffen, wie geht denn diese großartige Schauspielerin mit ihrem eigenen Schmuckstückdasein um?
Nicodemus: Sie ist überhaupt nicht das Hochglanzwesen, das man sich so ein bisschen vorstellt aufgrund der Zeitschriften, sie ist auch gar nicht aufgetakelt, sie ist einfach eine sehr, sehr schöne, sehr gut aussehende, sehr charismatische Frau Ende 60. Und in François Ozons Film, da tritt sie ja ganz anders auf. Gleich am Anfang joggt sie da im schreiend roten Trainingsanzug durch den Wald, durch eine idyllische Natur, verfasst so kleine, native Naturgedichte, ist leicht empört über rammelnde Kaninchen – also ein Bild der Naivität. Und sie ist da ja wirklich die Mustergattin, die mit ihrem Fabrikanten-Ehemann in einer prachtvollen Villa lebt. Sie hat eine blonde Betonfrisur. Der Film spielt in den 70er-Jahren, und es gibt dann François Ozon auch Gelegenheit, sie immer in so ganz schrill-spießigen Kleidern zu zeigen, die immer passend zu den Tapeten und zu den Möbeln sind. Und Deneuve spielt hier wirklich die perfekte Hausfrau, das perfekte Schmuckstück, die rein dekorative Frau, die sich wirklich ihrem Mann unterordnet, aber für sie selbst hat diese Rolle eben trotzdem auch was Realistisches, eben als Typus.
Catherine Deneuve: Sie versucht sich in ihre Situation zu fügen, und sie versucht, das Positive zu sehen. Dabei findet sie die Dinge etwas rosiger, als sie sind. Ich habe solche Frauen kennengelernt, die ihre Rolle spielen, wie man so schön sagt: die Rolle der Hausfrau, die Rolle der Mutter, die Rolle der Köchin, der Freundin, der Liebhaberin. Sie erfüllen ihre Rolle. Zum Glück wollen die Frauen heute nicht mehr so sein, sie wollen akzeptiert werden für das, was sie sind, ohne ständig eine Anpassungsleistung zu vollbringen.
von Billerbeck: Catherine Deneuve war das. Wie passt denn nun diese Figur zur Parade von Deneuves Leinwandfiguren?
Nicodemus: Ja, man sollte vielleicht erst mal sagen, dass auch diese Figur doppelbödig ist, wie viele ihrer Figuren, nämlich sie hat es ja faustdick hinter den Ohren, diese scheinbare Musterhausfrau. Es kommt dann raus, dass sie jede Menge Affären hat, sie übernimmt dann auch die Fabrik ihres erkrankten Mannes, sie geht schließlich sogar in die Politik, also sie ist eigentlich ganz anders, ganz pragmatisch, eine ganz tolle, auch schlagfertige Frau. Und wenn man sich jetzt Deneuves Karriere anguckt – das sind ja mein Gott wirklich 50 Jahre Filmgeschichte, muss man sagen –, dann fällt doch wirklich auf, dass sie ihr Schmuckstückdasein auf der Leinwand immer wieder unterwandert hat, sie hat sich immer wieder Regisseure gesucht , die sie als Objekt der Begierde untersucht und reflektiert haben, die ihre Schönheit subversiv inszeniert haben. Zum Beispiel Luis Buñuel Mitte der 60er-Jahre, da spielt sie eine Hausfrau, die ihre sexuellen Fantasien im Bordell auslebt, also auch Objekt der Begierde, das sich sozusagen seine masochistischen Fantasien selbst umsetzt. Oder auch Polanskis "Ekel", da spielt sie eine junge, einsame Frau, die aus lauter Abscheu vor der Sexualität zur Mörderin, zur Männermörderin wird, die Rasiermesser und Kerzenhalter nimmt und die Männer, die sie begehren, einfach umbringt. Also immer wieder dieses Spiel auch mit dem Begehren, mit der Schönheit. Und dann hat sie dann auch versucht, wirklich Mitte der 80er-Jahre sich noch mal neu zu erfinden durch die Arbeit mit dem Regisseur André Téchiné, der hat ihr eine ganz andere Verwundbarkeit gegeben, einen ganz anderen Realismus auf der Leinwand, also wieder gegen dieses Hochglanzwesen. Oder auch auf Eigeninitiative ihre Zusammenarbeit mit Lars von Trier, die dann zu "Dancer in the Dark" führte. Also immer wieder die Selbstbefragung und die Suche. Und ich finde, sie selbst findet dafür sehr schöne Worte:
Deneuve: Insgesamt ergeben meine Rollen durchaus eine Suche, eine permanente Selbstbefragung, die Suche nach dem Gegenteil der Konvention. Es geht um die Suche nach dem Moment, in dem man das Gefühl hat, wirklich gelebt zu haben.
Nicodemus: Das Gefühl, wirklich gelebt zu haben, dann durch die Rollen, durch das Kino, durch die Kunst, das ist natürlich sehr schön, und natürlich muss man auch diese Sehnsucht jetzt wieder sehen im Zusammenhang mit ihrer unglaublichen, ja ebenmäßigen klassischen Schönheit. Sie hat ja zum Beispiel auch für Yves Saint Laurent und andere Modemacher immer Fotos gemacht, und diese Schönheit wurde auch durch diese ganzen Gazetten und Hochglanzzeitschriften wirklich exzessiv ausgestellt. Und ich glaube, irgendwann hat sich diese Schönheit oder dieses Image verselbstständigt zu was ganz Starrem, und dann hat sie versucht, davon loszukommen, hat versucht, dieses Image sozusagen zu verflüssigen, zu lösen, durch ihre Kinoarbeit. Und ich glaube, inzwischen ist bei ihr wirklich eine Art Leiden unter diesem Bild zu spüren, es ist wirklich der fortgesetzte Versuch, sich aus dieser Erstarrung zu lösen.
Deneuve: Die Frau, die Teil der bourgeoisen Ordnung wird, ich weiß. Ich bin die Frau, die man immer wieder diesem System zuordnen will. Aber auch, wenn man es tausendmal sagt, dieses bourgeoise Bild ist nicht die Wirklichkeit, nicht meine Wirklichkeit. Manchmal kommt es mir so vor, als ob man im Leben immerzu auf eine Koppel geführt wird, auf Koppeln mit Zäunen. Auch wenn die Zäune weit weg zu sein scheinen, ist man dennoch eingesperrt.
von Billerbeck: Dieses Bild von der Frau, die wie eine schöne Stute hinter Koppelzaun steht, das ist ja eine ebenso schöne wie kluge Selbstbetrachtung: das Bild der Frau, die quasi in ihr Image eingesperrt wird. Das ist aber für Regisseure nicht so einfach, mit einer Frau, einer Schauspielerin zu arbeiten, die so sehr Bild ist.
Nicodemus: Sie hat sich ja wirklich immer wieder Regisseure gesucht, die dann dieser Schönheit doch gewachsen waren, eben jetzt auch wieder bei François Ozon in "Das Schmuckstück", der sie wirklich in diesem Doppelleben inszeniert und der sozusagen die Betonfrisur unterwandert. Und ein ganz tolles Beispiel dafür finde ich auch die Zusammenarbeit mit François Truffaut zum Beispiel, der bekannteste Film, "Die letzte Metro", der spielt ja während der deutschen Besatzung. Da spielt sie eine Theaterleiterin, die ihren Mann retten muss, und da erlebt sie eine sehr schöne Liebesgeschichte mit Gérard Depardieu. Und das Tolle ist zum Beispiel, Truffaut inszeniert in diesem Film Gérard Depardieu ganz weich, ganz sanft, ganz sehnsüchtig als Verliebten, und sie ist die etwas harte, pragmatische Frau, die Kühle, die Unnahbare. Truffaut kehrt Virilität und Feminität bei diesen Schauspielern wirklich um. Und er hat ja auch mal über Catherine Deneuve einen berühmten, immer wieder zitierten Satz gesagt. Er hat gesagt, sie sei eine sehr schöne Vase, in die der Regisseur eigentlich jede Art von Blumen stellen könnte. Und ich fand diesen Vergleich nie besonders schmeichelhaft, aber sie sieht das ganz anders:
Deneuve: Truffaut hat das gesagt, weil er glaubt, dass es Schauspielerinnen und Schauspieler gibt, die uns auf der Leinwand keinerlei Ausdruck aufzwingen. Hitchcock hat es anders ausgedrückt: Ich mag keine Schauspielerinnen, die den Sex im Gesicht haben. Es geht um die Idee, dass der Zuschauer in ein Gesicht mehr von sich hineinlegen kann, dass er angesichts dieses Gesichts sein eigenes Phantasma entwickeln kann.
von Billerbeck: Catherine Deneuve hat ja in unzähligen Filmen gespielt, viele davon Meisterwerke, als Filmkritikerin kennen Sie die natürlich alle – was ist denn Ihr Lieblingsfilm mit Deneuve?
Nicodemus: Ich kenne sie nicht alle, ich glaube, ich hab noch einiges Gott sei Dank zu entdecken, aber ich muss sagen, mein Lieblingsfilm ist wirklich, der all time favourite ist "Belle de Jour – Schöne des Tages" von Luis Buñuel, eben diese Hausfrau, die ihre masochistischen Fantasien im Bordell auslebt, die mit ihrem eigenen Mann kein Sexleben hat und das dann heimlich umsetzt, Entfesselungsszenen, das fand ich immer die beste Brechung ihrer Schönheit eigentlich. Und für mich war dieser Film eigentlich immer auch eine Arbeitsbeschreibung des Daseins von Leinwandgöttinnen, also sich Tag für Tag dem Blick und dem Begehren des anonymen Betrachters auszusetzen. Und ich hab natürlich auch Catherine Deneuve gefragt, wie sie diesen Film jetzt nach über 40 Jahren sieht:
Deneuve: Ich sehe in Buñuels "Belle de Jour" eine Etüde über weibliche Fantasien, über eine Frau, der es schwerfällt, ihr Begehren und ihre Impulse zu akzeptieren. Daher ist sie gezwungen, sich in dieses seltsame Arrangement zu begeben, um sich selbst zu entdecken. Ich habe "Belle de Jour" vor nicht allzu langer Zeit in New York wieder gesehen, wobei Scorsese vor ein paar Jahren den Film restaurieren und wunderbare neue Kopien ziehen ließ. Ich fand ihn viel lustiger, viel humorvoller als zu der Zeit, als ich ihn drehte.
von Billerbeck: Wie ist das eigentlich, wenn man Catherine Deneuve begegnet? Sitzt da die Filmkritikerin dem Filmstar gegenüber oder kommt man sich da irgendwie auch menschlich nahe?
Nicodemus: Na ja, gut, das ist natürlich auch immer so eine sehr seltsame Situation. Man versucht, in kurzer Zeit ein Gespräch herzustellen, sozusagen zu simulieren. Ich muss sagen, ich war dann doch sehr erstaunt – man bereitet sich natürlich vor, ich wusste, dass sie klug ist, selbstreflektiert, aber ich war erstaunt, wie klug und wie geistreich und wie selbstironisch und wie natürlich sie ist. Und das soll sich jetzt nicht arrogant anhören, sie ist auch wirklich anrührend. Also wenn man da reinkommt, dann gucken einen diese großen, sehr schönen Augen an, und man denkt, dass sie denkt, mein Gott, jetzt schon wieder eine Journalistin, was will die mir jetzt wieder für ein Geheimnis entlocken, oje, oje. Und ich hab natürlich nicht versucht, ihr jetzt ein Geheimnis zu entlocken oder wieder die Fragen, was ist das Geheimnis Ihrer Schönheit, aber ich wollte dann doch wissen, was ihr Lebensmotto ist. Und das ist nämlich sehr schön, finde ich, nämlich: Dem tapferen Herzen ist nichts unmöglich.
Deneuve: Ich bin ein melancholischer Mensch, aber mein Herz ist tapfer. Dieser Satz kam in einem Comic vor, den ich als Kind gelesen habe. Seitdem geht er mir nicht mehr aus dem Kopf. Es ist ein optimistisches Motto, aber eben nicht von exzessivem Optimismus. Nichts ist unmöglich. Das heißt nicht, dass man es in jedem Fall schafft, es heißt nur, dass man es versucht.
von Billerbeck: Catherine Deneuve, Hauptdarstellerin des neuen Films von François Ozon. "Das Schmuckstück" heißt er. Die Filmkritikerin Katja Nicodemus hat mir ihr darüber gesprochen. Danke Ihnen!
Nicodemus: Gern!
Katja Nicodemus: Hallo!
von Billerbeck: Das ist ja die Geschichte einer Frau, die sich von der Perle ihres Mannes zu einer ganz eigenständigen Person entwickelt, eine Emanzipationsgeschichte also. Katja Nicodemus, Sie haben Catherine Deneuve zum Interview getroffen, wie geht denn diese großartige Schauspielerin mit ihrem eigenen Schmuckstückdasein um?
Nicodemus: Sie ist überhaupt nicht das Hochglanzwesen, das man sich so ein bisschen vorstellt aufgrund der Zeitschriften, sie ist auch gar nicht aufgetakelt, sie ist einfach eine sehr, sehr schöne, sehr gut aussehende, sehr charismatische Frau Ende 60. Und in François Ozons Film, da tritt sie ja ganz anders auf. Gleich am Anfang joggt sie da im schreiend roten Trainingsanzug durch den Wald, durch eine idyllische Natur, verfasst so kleine, native Naturgedichte, ist leicht empört über rammelnde Kaninchen – also ein Bild der Naivität. Und sie ist da ja wirklich die Mustergattin, die mit ihrem Fabrikanten-Ehemann in einer prachtvollen Villa lebt. Sie hat eine blonde Betonfrisur. Der Film spielt in den 70er-Jahren, und es gibt dann François Ozon auch Gelegenheit, sie immer in so ganz schrill-spießigen Kleidern zu zeigen, die immer passend zu den Tapeten und zu den Möbeln sind. Und Deneuve spielt hier wirklich die perfekte Hausfrau, das perfekte Schmuckstück, die rein dekorative Frau, die sich wirklich ihrem Mann unterordnet, aber für sie selbst hat diese Rolle eben trotzdem auch was Realistisches, eben als Typus.
Catherine Deneuve: Sie versucht sich in ihre Situation zu fügen, und sie versucht, das Positive zu sehen. Dabei findet sie die Dinge etwas rosiger, als sie sind. Ich habe solche Frauen kennengelernt, die ihre Rolle spielen, wie man so schön sagt: die Rolle der Hausfrau, die Rolle der Mutter, die Rolle der Köchin, der Freundin, der Liebhaberin. Sie erfüllen ihre Rolle. Zum Glück wollen die Frauen heute nicht mehr so sein, sie wollen akzeptiert werden für das, was sie sind, ohne ständig eine Anpassungsleistung zu vollbringen.
von Billerbeck: Catherine Deneuve war das. Wie passt denn nun diese Figur zur Parade von Deneuves Leinwandfiguren?
Nicodemus: Ja, man sollte vielleicht erst mal sagen, dass auch diese Figur doppelbödig ist, wie viele ihrer Figuren, nämlich sie hat es ja faustdick hinter den Ohren, diese scheinbare Musterhausfrau. Es kommt dann raus, dass sie jede Menge Affären hat, sie übernimmt dann auch die Fabrik ihres erkrankten Mannes, sie geht schließlich sogar in die Politik, also sie ist eigentlich ganz anders, ganz pragmatisch, eine ganz tolle, auch schlagfertige Frau. Und wenn man sich jetzt Deneuves Karriere anguckt – das sind ja mein Gott wirklich 50 Jahre Filmgeschichte, muss man sagen –, dann fällt doch wirklich auf, dass sie ihr Schmuckstückdasein auf der Leinwand immer wieder unterwandert hat, sie hat sich immer wieder Regisseure gesucht , die sie als Objekt der Begierde untersucht und reflektiert haben, die ihre Schönheit subversiv inszeniert haben. Zum Beispiel Luis Buñuel Mitte der 60er-Jahre, da spielt sie eine Hausfrau, die ihre sexuellen Fantasien im Bordell auslebt, also auch Objekt der Begierde, das sich sozusagen seine masochistischen Fantasien selbst umsetzt. Oder auch Polanskis "Ekel", da spielt sie eine junge, einsame Frau, die aus lauter Abscheu vor der Sexualität zur Mörderin, zur Männermörderin wird, die Rasiermesser und Kerzenhalter nimmt und die Männer, die sie begehren, einfach umbringt. Also immer wieder dieses Spiel auch mit dem Begehren, mit der Schönheit. Und dann hat sie dann auch versucht, wirklich Mitte der 80er-Jahre sich noch mal neu zu erfinden durch die Arbeit mit dem Regisseur André Téchiné, der hat ihr eine ganz andere Verwundbarkeit gegeben, einen ganz anderen Realismus auf der Leinwand, also wieder gegen dieses Hochglanzwesen. Oder auch auf Eigeninitiative ihre Zusammenarbeit mit Lars von Trier, die dann zu "Dancer in the Dark" führte. Also immer wieder die Selbstbefragung und die Suche. Und ich finde, sie selbst findet dafür sehr schöne Worte:
Deneuve: Insgesamt ergeben meine Rollen durchaus eine Suche, eine permanente Selbstbefragung, die Suche nach dem Gegenteil der Konvention. Es geht um die Suche nach dem Moment, in dem man das Gefühl hat, wirklich gelebt zu haben.
Nicodemus: Das Gefühl, wirklich gelebt zu haben, dann durch die Rollen, durch das Kino, durch die Kunst, das ist natürlich sehr schön, und natürlich muss man auch diese Sehnsucht jetzt wieder sehen im Zusammenhang mit ihrer unglaublichen, ja ebenmäßigen klassischen Schönheit. Sie hat ja zum Beispiel auch für Yves Saint Laurent und andere Modemacher immer Fotos gemacht, und diese Schönheit wurde auch durch diese ganzen Gazetten und Hochglanzzeitschriften wirklich exzessiv ausgestellt. Und ich glaube, irgendwann hat sich diese Schönheit oder dieses Image verselbstständigt zu was ganz Starrem, und dann hat sie versucht, davon loszukommen, hat versucht, dieses Image sozusagen zu verflüssigen, zu lösen, durch ihre Kinoarbeit. Und ich glaube, inzwischen ist bei ihr wirklich eine Art Leiden unter diesem Bild zu spüren, es ist wirklich der fortgesetzte Versuch, sich aus dieser Erstarrung zu lösen.
Deneuve: Die Frau, die Teil der bourgeoisen Ordnung wird, ich weiß. Ich bin die Frau, die man immer wieder diesem System zuordnen will. Aber auch, wenn man es tausendmal sagt, dieses bourgeoise Bild ist nicht die Wirklichkeit, nicht meine Wirklichkeit. Manchmal kommt es mir so vor, als ob man im Leben immerzu auf eine Koppel geführt wird, auf Koppeln mit Zäunen. Auch wenn die Zäune weit weg zu sein scheinen, ist man dennoch eingesperrt.
von Billerbeck: Dieses Bild von der Frau, die wie eine schöne Stute hinter Koppelzaun steht, das ist ja eine ebenso schöne wie kluge Selbstbetrachtung: das Bild der Frau, die quasi in ihr Image eingesperrt wird. Das ist aber für Regisseure nicht so einfach, mit einer Frau, einer Schauspielerin zu arbeiten, die so sehr Bild ist.
Nicodemus: Sie hat sich ja wirklich immer wieder Regisseure gesucht, die dann dieser Schönheit doch gewachsen waren, eben jetzt auch wieder bei François Ozon in "Das Schmuckstück", der sie wirklich in diesem Doppelleben inszeniert und der sozusagen die Betonfrisur unterwandert. Und ein ganz tolles Beispiel dafür finde ich auch die Zusammenarbeit mit François Truffaut zum Beispiel, der bekannteste Film, "Die letzte Metro", der spielt ja während der deutschen Besatzung. Da spielt sie eine Theaterleiterin, die ihren Mann retten muss, und da erlebt sie eine sehr schöne Liebesgeschichte mit Gérard Depardieu. Und das Tolle ist zum Beispiel, Truffaut inszeniert in diesem Film Gérard Depardieu ganz weich, ganz sanft, ganz sehnsüchtig als Verliebten, und sie ist die etwas harte, pragmatische Frau, die Kühle, die Unnahbare. Truffaut kehrt Virilität und Feminität bei diesen Schauspielern wirklich um. Und er hat ja auch mal über Catherine Deneuve einen berühmten, immer wieder zitierten Satz gesagt. Er hat gesagt, sie sei eine sehr schöne Vase, in die der Regisseur eigentlich jede Art von Blumen stellen könnte. Und ich fand diesen Vergleich nie besonders schmeichelhaft, aber sie sieht das ganz anders:
Deneuve: Truffaut hat das gesagt, weil er glaubt, dass es Schauspielerinnen und Schauspieler gibt, die uns auf der Leinwand keinerlei Ausdruck aufzwingen. Hitchcock hat es anders ausgedrückt: Ich mag keine Schauspielerinnen, die den Sex im Gesicht haben. Es geht um die Idee, dass der Zuschauer in ein Gesicht mehr von sich hineinlegen kann, dass er angesichts dieses Gesichts sein eigenes Phantasma entwickeln kann.
von Billerbeck: Catherine Deneuve hat ja in unzähligen Filmen gespielt, viele davon Meisterwerke, als Filmkritikerin kennen Sie die natürlich alle – was ist denn Ihr Lieblingsfilm mit Deneuve?
Nicodemus: Ich kenne sie nicht alle, ich glaube, ich hab noch einiges Gott sei Dank zu entdecken, aber ich muss sagen, mein Lieblingsfilm ist wirklich, der all time favourite ist "Belle de Jour – Schöne des Tages" von Luis Buñuel, eben diese Hausfrau, die ihre masochistischen Fantasien im Bordell auslebt, die mit ihrem eigenen Mann kein Sexleben hat und das dann heimlich umsetzt, Entfesselungsszenen, das fand ich immer die beste Brechung ihrer Schönheit eigentlich. Und für mich war dieser Film eigentlich immer auch eine Arbeitsbeschreibung des Daseins von Leinwandgöttinnen, also sich Tag für Tag dem Blick und dem Begehren des anonymen Betrachters auszusetzen. Und ich hab natürlich auch Catherine Deneuve gefragt, wie sie diesen Film jetzt nach über 40 Jahren sieht:
Deneuve: Ich sehe in Buñuels "Belle de Jour" eine Etüde über weibliche Fantasien, über eine Frau, der es schwerfällt, ihr Begehren und ihre Impulse zu akzeptieren. Daher ist sie gezwungen, sich in dieses seltsame Arrangement zu begeben, um sich selbst zu entdecken. Ich habe "Belle de Jour" vor nicht allzu langer Zeit in New York wieder gesehen, wobei Scorsese vor ein paar Jahren den Film restaurieren und wunderbare neue Kopien ziehen ließ. Ich fand ihn viel lustiger, viel humorvoller als zu der Zeit, als ich ihn drehte.
von Billerbeck: Wie ist das eigentlich, wenn man Catherine Deneuve begegnet? Sitzt da die Filmkritikerin dem Filmstar gegenüber oder kommt man sich da irgendwie auch menschlich nahe?
Nicodemus: Na ja, gut, das ist natürlich auch immer so eine sehr seltsame Situation. Man versucht, in kurzer Zeit ein Gespräch herzustellen, sozusagen zu simulieren. Ich muss sagen, ich war dann doch sehr erstaunt – man bereitet sich natürlich vor, ich wusste, dass sie klug ist, selbstreflektiert, aber ich war erstaunt, wie klug und wie geistreich und wie selbstironisch und wie natürlich sie ist. Und das soll sich jetzt nicht arrogant anhören, sie ist auch wirklich anrührend. Also wenn man da reinkommt, dann gucken einen diese großen, sehr schönen Augen an, und man denkt, dass sie denkt, mein Gott, jetzt schon wieder eine Journalistin, was will die mir jetzt wieder für ein Geheimnis entlocken, oje, oje. Und ich hab natürlich nicht versucht, ihr jetzt ein Geheimnis zu entlocken oder wieder die Fragen, was ist das Geheimnis Ihrer Schönheit, aber ich wollte dann doch wissen, was ihr Lebensmotto ist. Und das ist nämlich sehr schön, finde ich, nämlich: Dem tapferen Herzen ist nichts unmöglich.
Deneuve: Ich bin ein melancholischer Mensch, aber mein Herz ist tapfer. Dieser Satz kam in einem Comic vor, den ich als Kind gelesen habe. Seitdem geht er mir nicht mehr aus dem Kopf. Es ist ein optimistisches Motto, aber eben nicht von exzessivem Optimismus. Nichts ist unmöglich. Das heißt nicht, dass man es in jedem Fall schafft, es heißt nur, dass man es versucht.
von Billerbeck: Catherine Deneuve, Hauptdarstellerin des neuen Films von François Ozon. "Das Schmuckstück" heißt er. Die Filmkritikerin Katja Nicodemus hat mir ihr darüber gesprochen. Danke Ihnen!
Nicodemus: Gern!