"Eine solche Welt wäre möglich"

Eckhard Fangmeier im Gespräch mit Jürgen König |
Nach Ansicht des Physikers Eckhard Fangmeier ist eine globale Energieversorgung ohne fossile Brennstoffe möglich. Eine dezentrale Energieversorgung und Nutzung der Ressourcen vor Ort führe auch zu mehr Arbeitsplätzen, sagt der Sprecher des Bioenergiedorfs Jühnde.
Jürgen König: Was wäre, wenn die Nutzung fossiler Energie verboten wäre? Dirk Asendorpf schaute für uns ins Jahr 2050. Für den Physiker Eckhard Fangmeier dürfte die Frage eigentlich keinerlei Bedrohung enthalten, denn Eckhard Fangmeier steht dem Bioenergiedorf Jühnde vor, das ist das erste Dorf in Deutschland, das schon heute seinen Wärmebedarf und den Verbrauch von Strom selbst über nachwachsende Rohstoffe erzeugt.

Und es ist bezeichnend, dass wir Eckhard Fangmeier heute nicht in Jühnde erreichen, sondern in den USA auf einer Konferenz in Atlanta. Die Amerikaner sind sehr interessiert am Thema Biomasse und auch am Bioenergiedorf Jühnde, weil man in den weitläufigen amerikanischen Regionen auf den Farmen, in den Dörfern, weil man sich dort sehr gerne auf ein dezentrales Versorgungsmodell auf die eben von Dirk Asendorpf erwähnten vielen kleinen Anlagen setzen würde. Herr Fangmeier, ich grüße Sie!

Eckhard Fangmeier: Ja, guten Tag!

König: Was wäre, wenn die Nutzung fossiler Energien verboten wäre? Könnten Sie sich vorstellen, dass die ganze Welt ihre Energie zu 100 Prozent aus nachwachsenden, jeweils heimischen Rohstoffen gewinnt, so wie Sie es heute schon in Jühnde tun?

Fangmeier: Also ich kann mir vorstellen, dass die Welt eines Tages nur durch regenerative Energien die Energieversorgung dann erhält. Die Biomasse, so wie wir es in Jühnde haben, ist ein Teil der erneuerbaren Energien, die natürlich ergänzt wird durch Photovoltaik, durch Wind, durch Geothermie et cetera, sodass also ein Mix an erneuerbaren Energien also im Jahr 2050 durchaus denkbar ist und wir dann eine Welt haben, die ohne fossile Brennstoffe auskommt, weil die fossilen Brennstoffe sind natürlich endlich.

König: Das heißt, eine solche Welt wäre wirklich möglich?

Fangmeier: Eine solche Welt wäre möglich. Das Potenzial, was die Wissenschaftler ermitteln, ist denkbar, und wenn wir nur sehen, was die Sonne täglich an Energie uns auf die Erde schickt, was ein Vielfaches von dem ist, was wir auf der Erde verbrauchen, müssen wir nur Intelligenz also in die Dinge stecken, diese Energie umzusetzen. Ich sage immer, wir haben gar kein Energieproblem, dass wir zu wenig Energie haben, sondern es fehlt uns an Wissen, an Umsetzungsstrategien, diese erneuerbaren Energien auch zu nutzen.

König: Zum Thema Stromerzeugung sagte Dirk Asendorpf eben: "Nur wer das Glück hat, in einem hoch gedämmten Passivhaus zu wohnen, kann es sich im Winter leisten, eine warme Wohnung zu haben, alle anderen sitzen dick eingemummelt in kalten Zimmern." Was müsste denn sein, damit die Welt, die keine fossile Energie nutzen darf, es im Winter trotzdem warm hat?

Fangmeier: Ja, da gibt es verschiedene Ansätze. Wir haben in unserem Dorf Jühnde einen Ansatz gewählt, wo wir aus der Biomasse, also aus der nachwachsenden Biomasse Energie dann erzeugen, die einerseits für das wichtige Thema Strom dann steht, auf der anderen Seite aber über intelligente Prozesse auch Wärme erzeugt. Und da ist diese Kraftwärmekopplung also eingesetzt, die eine sehr hohe Energieeffizienz bedeutet, man kann also sehr viel Energie aus den Energieträgern dann auch rausholen und damit gleichzeitig Strom und Wärme generieren, und diese Wärme nutzen wir heute dann in unserem Dorf Jühnde. Und ich sage mal, wenn die Welt umgestellt ist auf erneuerbare Energien, werden wir in Jühnde sehr wahrscheinlich dann die Wärme aus unserem Nahwärmenetz beziehen, also wo die Wärmeenergie halt aus nachwachsenden Rohstoffen dann erzeugt wurde.

König: Über die Nahrungsmittelproduktion entwarf Dirk Asendorpf eben das Bild eines Welthandels ohne Erdöl, der – zumindest was den Lebensmittelhandel angeht – praktisch kein Welthandel mehr ist. Er sagte: "Was zu Hause auf unseren Äckern wächst, brauchen wir selber zum Essen." Das würde Energiegewinnung aus Biomasse nun ziemlich schwierig machen.

Fangmeier: Das denkt man landläufig, aber wenn man sich das genau in der Praxis anguckt, ist es so, dass man auf einen intelligenten Mix setzen sollte. Wir brauchen zum Beispiel in Jühnde etwa nur 20 Prozent der Fläche in unserer Gemarkung für die Energieerzeugung, der Rest steht für Nahrungsmittelproduktion, für die Tiere, dann auch für die entsprechende Aufbereitung der Futtermittel zur Verfügung, sodass der gesunde Mix in der unmittelbaren Lebensumgebung dazu dient, sowohl Nahrung als auch Energiebedürfnisse dann befriedigen zu können.

König: Kommen wir auf die Materialien und die Produkte der Zukunft, auch die wurden eben angesprochen. Ich zitiere noch einmal: "Müssen Container auf Segelschiffen oder mit Solarenergie befördert werden, verwandeln sich unsere Massenprodukte in Luxusgüter. Besonders krass zeigt sich das bei allem, was Metall, insbesondere Aluminium, Gold oder Platin enthält. Gewinnung und Aufbereitung sind nur mit gewaltigem Energieeinsatz möglich." Würden Sie das bestätigen?

Fangmeier: Das kann ich bestätigen. Also gerade am Beispiel der Aluminiumherstellung ist es gigantisch, was dort an Energie reingesteckt werden muss, um dieses Schmelzen also dann entsprechend leisten zu können. Da ist also ein gewaltiger Energie-Input notwendig, und wir müssen uns schon auch über intelligente Materialien Gedanken machen. So ist zum Beispiel also gerade hier in Georgia in Atlanta, wo ich auf der Konferenz war, auch diskutiert worden, die Ressourcen, nämlich die nachwachsenden Rohstoffe, auch für Materialien einzusetzen, sodass also unsere Autos eines Tages, unsere Möbel dann nicht mehr aus Metallen bestehen werden, sondern aus gebrauchsfesten Materialien, die zum Beispiel aus Pflanzen gewonnen werden könnten.

König: Und zu guter Letzt hat Dirk Asendorpf uns noch viele Arbeitsplätze verheißen, die uns die Not, keine fossilen Brennstoffe mehr verwenden zu dürfen, bescheren könnte. Sind, Herr Fangmeier, in Ihrem Bioenergiedorf Jühnde viele neue Arbeitsplätze entstanden durch diese Art der Energiewirtschaft?

Fangmeier: Es sind Arbeitsplätze entstanden in unserem Bioenergiedorf, und zwar direkte Arbeitsplätze, die also mit dem Betrieb der Anlage zu tun haben, aber auch viele indirekte Arbeitsplätze. Und gerade für die Landwirtschaft ist unser Modell im ländlichen Raum hervorragend geeignet, um die Höfe zu stabilisieren, die sonst, wenn man sich das landauf, landab anguckt ... Hier haben wir zusätzliche Standbeine, zum Beispiel dass der Landwirt zum Energiewirt auch dann sich entwickelt.

Wir selber planen jetzt auch einen Dienstleistungsbereich im ländlichen Raum zu entwickeln, der sich um das ganze Thema Wissenstransfer, Wissensmanagement kümmert. Nämlich wenn wir unsere Welt eines Tages auf erneuerbare Energien umstellen, dann brauchen wir sehr viel Akzeptanzarbeit auch, und wir müssen den auch normalen Menschen erklären, was es bedeutet, mit erneuerbaren Energien zu leben und ihnen auch die Sicherheit geben, dass es beherrschbar ist und dass auch eine Versorgung ohne große Abstriche dann zu leisten ist.

König: Alles zusammengenommen, Herr Fangmeier, Jühnde ist ein Dorf – inwieweit kann Jühnde vorbildhaft werden, sagen wir für München, New York, Schanghai, für ein Dorf in Kenia, in Argentinien, in den USA? Inwieweit ist es auch schon Vorbild und Modell?

Fangmeier: Vorbild und Modell für das Thema dezentrale Energieerzeugung. Und dezentral bedeutet, immer zu schauen, wo ich einen Energiebedarf habe, wie ich den decken kann. Und wir sollten einfach also diese verfügbaren Ressourcen, diese Möglichkeiten vor Ort nutzen, damit wir nicht unnötig Dinge hin und her transportieren, um dort also Energien zu verschwenden, die wir am besten an anderer Stelle einsetzen. Jühnde ist also der Gedankenanstoß: Wie kann ich mich unabhängig machen, wie kann ich meine eigenen Ressourcen vor Ort nutzen und wie kann ich selber auch Verantwortung für meine Energieversorgung übernehmen?

König: Was wäre, wenn die Nutzung fossiler Energie verboten wäre? Ein Gespräch mit dem Physiker Eckhard Fangmeier, Vorstand und Sprecher der Betreibergemeinde des Bioenergiedorfs Jühnde, zurzeit unterwegs in Atlanta auf einer Konferenz zu diesem Thema. Mehr Informationen dazu finden Sie unter www.bioenergiedorf.de. Herr Fangmeier, vielen Dank und eine gute Zeit in Atlanta!

Fangmeier: Ja, vielen Dank, Herr König!
Eine Bioenergieanlage spiegelt sich in einem Teich in Jühnde. Die Gemeinde ist Deutschlands erstes Bioenergiedorf. Seit 2005 beziehen 140 der rund 200 Haushalte den Wärme- und Strombedarf aus nachwachsenden Rohstoffen von den umliegenden Äckern.
Eine Bioenergieanlage spiegelt sich in einem Teich in Jühnde. Seit 2005 beziehen 140 der rund 200 Haushalte den Wärme- und Strombedarf aus nachwachsenden Rohstoffen von den umliegenden Äckern.© AP