Die Mauer
US-Präsident Donald Trump hat sie mit seinem Vorhaben, zwischen den USA und Mexiko eine Mauer bauen zu lassen, wieder ins Gespräch gebracht. Doch sind Mauern immer böse oder können sie auch gut sein?
Mauern erzeugen Schutzräume, in denen man Vorräte einlagern kann, und Privaträume, die dem Menschen die Entwicklung von Individualität erlauben. Mauern schützen vor widriger Natur und vor Störenfrieden. Mauern schaffen Geborgenheit und vermitteln ein Sicherheitsgefühl. Mauern sind gut!
Hinter Mauern sperrt man Menschen lebenslang ein. Mit einer Mauer hinderte man ein ganzes Volk daran, frei seiner Wege zu gehen. Seit Jahrtausenden halten Mauern Menschen ab, eine Stadt, ein Land, ein Riesenreich zu betreten. Mauern sind böse!
Ohne Mauern gäbe es keine Zivilisation. Sie sind die steingewordene Idee von Obhut und Strafe, von Schutz und Abwehr. Keine Mauer ist je neutral - aber auch keine von sich aus verwerflich. Warum bauen manche Zeitalter Mauern auf, warum reißen andere sie wieder ab? Lockt die Attraktivität der Mauer immer dann, wenn die Erinnerung an ihre Tyrannei verblasst? Die Mauer ist nicht gut. Die Mauer ist nicht böse. Die Mauer braucht Türen und Fenster, um menschenfreundlich zu sein.
Brockhaus Online, Lexikoneintrag:
"Mauer, althochdeutsch mura, von lateinisch murus, Bauwesen. Meist lang gestreckter Baukörper aus Mauerwerk, im weiteren Sinn auch aus Stampfmassen, aus Lehm, Beton und anderen Baustoffen hergestellte Wände"
Lutz Rathenow, Stasi-Beauftragter des Landes Sachsen und Schriftsteller:
Der Verlust der Mauer hat auch eine Verarmung zur Folge, zumindest in einem Punkt: Die Wut auf die Mauer ist abhanden gekommen. Die Wut war auch ein Motor, der das Leben – zumindest mein Leben – politisiert hat.
Walter Ulbricht, ehemaliger Vorsitzender des DDR-Staatsrates:
Was kann menschlicher sein als all das, was hier geschieht und für den Menschen getan wird? So dient der 13. August wahrer Menschlichkeit.
Rafael Seligmann, Schriftsteller und Publizist (Tel Aviv):
Das Interessante an dieser innerisraelischen Grenze ist ja Folgendes: Dass die Befürworter der Okkupation dieses Gebiet okkupieren wollen, und gleichzeitig – was absurd ist! – bauen sie einen Grenzzaun, weil sie Angst haben vor eventuellen Attentätern. Da stehen sich entgegen einerseits die Gier, Gebiete zu besetzen, weil man der Meinung ist, sie gehören einem, aus historischen Gründen – oder aus religiösen Gründen –, und andererseits hat man Angst konkret vor den realen Menschen.
Hans von Trotha, Kunsthistoriker und Publizist:
Hans von Trotha, Kunsthistoriker und Publizist:
Das Paradies hat definitiv eine Mauer! Also alle mittelalterlichen Paradiesdarstellungen sind Mauerdarstellungen. (...) Ich glaube, dadurch dass wir Mauern errichten, provozieren wir eine Projektion! Wir provozieren, dass von der anderen Seite der Mauer das Paradies auf uns projiziert wird. Das heißt nicht, dass wir es selber so erleben. Und viele der Flüchtlinge, die gekommen sind, sind ja auch schwer enttäuscht. Wenn man aufbricht, hofft man, dass man an einen besseren Ort kommt. Also Reisen ist immer Hoffen. Und auch Fliehen ist ja eine genötigte, aber eine Form des Reisens. Und dadurch, dass ich eine Mauer errichte, steigere ich diese Hoffnung natürlich noch. Also das Unerreichbare wird natürlich immer schöner.
Peter-Alexis Albrecht, Kriminologe:
Von daher ist die Idee von Trump, dass auch die Mexikaner das bezahlen, gar nicht so schlecht. Denn die Mexikaner sollen ja ihre Bevölkerung schützen, nach Amerika zu kommen. Das ist die Satire der Realität. Würden die wissen, was sie im Süden Los Angeles' erwartet, die Mexikaner, dann sind da Millionen Menschen, die in den Slums von Los Angeles kujoniert werden und die in schlimmsten Verhältnissen leben. Und daher ist der Bau dieser mexikanischen Mauer aus meiner Sicht ein Akt der Humanität.
Donald Trump, US-Präsident:
Mexico is going to pay for it and they'll be happy to pay for it.
Rafael Seligmann:
Mauern zwischen Staaten sind im Normalfall ein Symbol der Hilflosigkeit.
Hans von Trotha:
Die Mauer wird irgendwann als Relikt einer Zeit sein, in der es ein Wort gab, von dem die Leute gar nicht mehr wissen, wie man es schreibt, und das war "Privatsphäre".
Fritz J. Raddatz, Schriftsteller:
"Elias Canetti erklärte mir, wie sehr auch ein Haus Individualität besitze, sie gar erzeuge als Wehr gegen das Außen, gegen die als Feinde empfundenen anderen, dass schon eingeschlagene Türen und Fenster diese mühsam errichtete Abgrenzung zunichte machen; wenn das Abgrenzende zerstört ist, sei eine empfindliche Grenze verletzt." Aus: "Unruhestifter" – Erinnerungen
Rafael Seligmann:
Die Menschen gelangen am Ende dorthin, wo sie hingelangen wollen. Sie müssen genug Geduld aufweisen, genug Energie, genug Gewalt, aber eine Mauer ist auf Dauer kein Konzept. Jede Mauer wird scheitern.