"Eine Stimme, die uns führt"
Um auf einer Party zu glänzen, macht es sich immer gut, sich auf Marshall McLuhan oder Douglas Coupland zu beziehen, den 1980 gestorbenen kanadischen Medientheoretiker und den 1961 geborenen kanadischen Schriftsteller. Da trifft es sich gut, dass der Jüngere über den Älteren gerade eine biographische Erzählung geschrieben hat.
Der kanadische Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan legte mit visionären Bücher wie "Die Gutenberg Galaxis" oder "Understanding Media" den Grundstein für eine ganze Disziplin – die Medientheorie. Ausgerechnet Douglas Coupland, der mit seit seinem 1991 erschienen Erstlingsbuch "Generation X" zu so etwas wie dem Gründervater der Popliteratur wurde, untersucht nun das Leben dieses Popstars unter den Intellektuellen, der schon in den Sechziger Jahren die von Echtzeitkommunikation geprägte Netzgesellschaft vorhersah.
Es ist beileibe nicht die erste McLuhan-Biografie. Die letzte, verfasst von Terrence Gordon, erschien 1997. Aber weil sich die Welt durch die Vernetzung seitdem derart beschleunigt hat, hält es Coupland für wichtig, sich aktuell wieder mit McLuhan zu beschäftigen.
"Die Zukunft hat noch nie so schnell so viele Menschen auf eine so extreme Art erreicht. Und wir brauchen eine Stimme, die uns führt. Marshall hat die Krankheit erkannt und nach Lösungen gesucht, wie man mit ihr umgeht."
McLuhan war eigentlich Professor für Englische Literatur, bevor er zum Kommunikationstheoretiker wurde. Von ihm geprägte Begriffe sind heute Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs - wie der vom 'Globalen Dorf', der durch elektronische Medien vernetzte Welt, in der die Distanz keine Rolle mehr spielt und in Echtzeit Informationen ausgetauscht werden.
Wieso der Literaturprofessor und konvertierte Katholik sich bei seiner Arbeit von den Werken der Vergangenheit ab und der immer stärker von Fernsehen, Telefon und Werbung geprägten Gegenwart zuwandte, beschreibt Coupland anschaulich. Der konservative Denker brauchte eine Möglichkeit, die auf ihn einprasselnde und als unzumutbar empfundene Realität zu verarbeiten.
McLuhan selbst pflegte die Seite 69 eines Buches aufzuschlagen, um zu beurteilen, was ein Titel taugt. Ausgerechnet auf Seite 69 beschreibt Coupland dieses Gefühl der Entfremdung. McLuhan, der zuvor als Dozent in Winnipeg, Kanada gelehrt hatte, kann mit den Studierenden und der Umgebung an seiner neuen Arbeitsstelle in Madison, Wisconsin wenig anfangen.
"Marshall war nur ein paar Jahre älter als seine Studenten, aber sie hätten genau so gut von Alpha Centauri stammen können. Sie benutzten hauptsächlich Umgangssprache, hatten nur wenig Ahnung von Geschichte und so gut wie keine von vergangenen Kulturen. [...] McLuhan hatte das Gefühl, nicht dieselbe Sprache wie sie zu sprechen, als käme er aus seiner Welt, in der komplett andere Wertesysteme und Kräfte herrschten. In seiner Verzweiflung darüber radikalisierten sich sein Denken und sein Unterricht."
Der McLuhan-Test funktioniert: Auf dieser Seite 69 bekommt man gleich die Stärken und die Schwächen des Buches vor Augen geführt. Man glaubt hier, instinktiv zu verstehen, was in diesen Intellektuellen vorging. Wie fremd er sich unter den von Werbung und Plastikkultur geprägten Mitmenschen fühlte – und woher der Drang kam, die sie beeinflussende Umwelt zu sezieren. Andererseits merkt man: Coupland setzt überall in dem Buch lieber ein Ausrufezeichen zu viel, als ein Fragezeichen zu riskieren.
Er behauptet nicht nur auf Seite 69 kühn, zu wissen, was McLuhan gedacht und gefühlt hat. Oft müssen Begriffe wie "irgendwie" und "wahrscheinlich" herhalten, um einen Entwicklung zu erklären, wo ein anderer vielleicht detaillierter einen Prozess dargestellt hätte. Manche These wirkt da arg weit hergeholt. So verweist Coupland etwa darauf, dass eine zweite, zusätzliche Arterie Marshall McLuhans Gehirn mit Blut versorgte.
"Warum ich diese medizinische Information erwähne? Um von vornherein klarzustellen, dass Marshall nicht bloß anders, sondern sehr anders war, und nicht nur in seinem Denken."
McLuhans Hardware war also - "irgendwie" - einfach komisch verkabelt. Ob alle Leser dies als Erklärung für McLuhans polteriges Wesen, seine Geringschätzung für Homosexuelle oder die Brillanz der "Gutenberg-Galaxis" akzeptieren, ist fraglich.
Eigentlich müsste das Buch also nicht "Marshall McLuhan" heißen, sondern "Wie Douglas Coupland sich Marshall McLuhan vorstellt". Das Buch funktioniert aber erstaunlicherweise trotzdem - nicht nur, weil es sich wie alle Coupland-Bücher einfach gut liest Couplands Biografie ist eine aufregende Collage, die sich wie McLuhans Bücher durch eine anarchische wilde Strukturlosigkeit auszeichnet – und zugleich ein Buch, dass einfühlsam zum Spekulieren anregt. Marshall McLuhan hatte nicht viel für Biografien übrig. Aber dieses Buch hätte ihm vermutlich gefallen.
Es ist beileibe nicht die erste McLuhan-Biografie. Die letzte, verfasst von Terrence Gordon, erschien 1997. Aber weil sich die Welt durch die Vernetzung seitdem derart beschleunigt hat, hält es Coupland für wichtig, sich aktuell wieder mit McLuhan zu beschäftigen.
"Die Zukunft hat noch nie so schnell so viele Menschen auf eine so extreme Art erreicht. Und wir brauchen eine Stimme, die uns führt. Marshall hat die Krankheit erkannt und nach Lösungen gesucht, wie man mit ihr umgeht."
McLuhan war eigentlich Professor für Englische Literatur, bevor er zum Kommunikationstheoretiker wurde. Von ihm geprägte Begriffe sind heute Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs - wie der vom 'Globalen Dorf', der durch elektronische Medien vernetzte Welt, in der die Distanz keine Rolle mehr spielt und in Echtzeit Informationen ausgetauscht werden.
Wieso der Literaturprofessor und konvertierte Katholik sich bei seiner Arbeit von den Werken der Vergangenheit ab und der immer stärker von Fernsehen, Telefon und Werbung geprägten Gegenwart zuwandte, beschreibt Coupland anschaulich. Der konservative Denker brauchte eine Möglichkeit, die auf ihn einprasselnde und als unzumutbar empfundene Realität zu verarbeiten.
McLuhan selbst pflegte die Seite 69 eines Buches aufzuschlagen, um zu beurteilen, was ein Titel taugt. Ausgerechnet auf Seite 69 beschreibt Coupland dieses Gefühl der Entfremdung. McLuhan, der zuvor als Dozent in Winnipeg, Kanada gelehrt hatte, kann mit den Studierenden und der Umgebung an seiner neuen Arbeitsstelle in Madison, Wisconsin wenig anfangen.
"Marshall war nur ein paar Jahre älter als seine Studenten, aber sie hätten genau so gut von Alpha Centauri stammen können. Sie benutzten hauptsächlich Umgangssprache, hatten nur wenig Ahnung von Geschichte und so gut wie keine von vergangenen Kulturen. [...] McLuhan hatte das Gefühl, nicht dieselbe Sprache wie sie zu sprechen, als käme er aus seiner Welt, in der komplett andere Wertesysteme und Kräfte herrschten. In seiner Verzweiflung darüber radikalisierten sich sein Denken und sein Unterricht."
Der McLuhan-Test funktioniert: Auf dieser Seite 69 bekommt man gleich die Stärken und die Schwächen des Buches vor Augen geführt. Man glaubt hier, instinktiv zu verstehen, was in diesen Intellektuellen vorging. Wie fremd er sich unter den von Werbung und Plastikkultur geprägten Mitmenschen fühlte – und woher der Drang kam, die sie beeinflussende Umwelt zu sezieren. Andererseits merkt man: Coupland setzt überall in dem Buch lieber ein Ausrufezeichen zu viel, als ein Fragezeichen zu riskieren.
Er behauptet nicht nur auf Seite 69 kühn, zu wissen, was McLuhan gedacht und gefühlt hat. Oft müssen Begriffe wie "irgendwie" und "wahrscheinlich" herhalten, um einen Entwicklung zu erklären, wo ein anderer vielleicht detaillierter einen Prozess dargestellt hätte. Manche These wirkt da arg weit hergeholt. So verweist Coupland etwa darauf, dass eine zweite, zusätzliche Arterie Marshall McLuhans Gehirn mit Blut versorgte.
"Warum ich diese medizinische Information erwähne? Um von vornherein klarzustellen, dass Marshall nicht bloß anders, sondern sehr anders war, und nicht nur in seinem Denken."
McLuhans Hardware war also - "irgendwie" - einfach komisch verkabelt. Ob alle Leser dies als Erklärung für McLuhans polteriges Wesen, seine Geringschätzung für Homosexuelle oder die Brillanz der "Gutenberg-Galaxis" akzeptieren, ist fraglich.
Eigentlich müsste das Buch also nicht "Marshall McLuhan" heißen, sondern "Wie Douglas Coupland sich Marshall McLuhan vorstellt". Das Buch funktioniert aber erstaunlicherweise trotzdem - nicht nur, weil es sich wie alle Coupland-Bücher einfach gut liest Couplands Biografie ist eine aufregende Collage, die sich wie McLuhans Bücher durch eine anarchische wilde Strukturlosigkeit auszeichnet – und zugleich ein Buch, dass einfühlsam zum Spekulieren anregt. Marshall McLuhan hatte nicht viel für Biografien übrig. Aber dieses Buch hätte ihm vermutlich gefallen.