Eine Theaterlegende
Die Schauspielerin Inge Keller feiert am Deutschen Theater in Berlin ihr 55-jähriges Jubiläum. 1950 stand sie das erste Mal auf dieser Bühne. Schon bald gehörte sie zu den Stars des ruhmreichen Ensembles. Legendär wurde ihre Verkörperung der Hauptrolle in Dürrenmatts "Besuch der Alten Dame".
Inge Keller: " Entschuldige Sie, Sie sind doch schon eine Legende! Ich antwortete: Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, das weiß ich. Das ist so! "
Es gibt wenige, die solche Sätze sprechen können, ohne rot zu werden und ohne dass es vermessen klingt ... Vor Jahren schon feierte sie ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum. Durch ein halbes Jahrhundert hat sie das Deutsche Theater mitgeprägt. Die Intendanten kamen und gingen. Die Regisseure und Partner wechselten. Inge Keller blieb und wurde zum Urgestein des Ensembles.
Keller: " Ich habe Angst es zu sagen, aber ich bin ein Glückskind! Toi, toi, toi! ... weil zur rechten Zeit am richtigen Ort das richtige Stück und den Regisseur, der einen trägt und liebt, das hat mich begleitet. Das ist auch ein großes Glück, weil, wenn das nicht geschieht, bleiben Sie zumindest in der dritten Reihe. Das ist so. Also ohne Glück geht nichts. Und Wolfgang Heinz hat ja in den 50er, 60er Jahren, der hat überhaupt kein Stück ohne mich gemacht. Und was ich da gelernt habe! "
Sie erwarb bei der Zusammenarbeit mit Wolfgang Heinz das komplette Handwerkszeug für ein Theater des psychologischen Realismus im Sinne Stanislawskis - verbunden mit einer erlesenen Sprechkultur. Beides kam ihr zugute als Heinz Hilpert von Langhoff eingeladen wurde, Tschechows "Drei Schwestern" zu inszenieren. Eine Generalproben-Aufnahme vom 16. April 1958 mit Inge Keller als Mascha und Wolfgang Langhoff als Werschinin.
Szene aus "3 Schwestern"
Ein paar unkommentierte Streiflichter geben im Zeitraffer einen Eindruck davon, wie aus einer hörbar begabten jungen Schauspielerin, die ihren Weg sucht, eine Theaterlegende wurde. Während der Proben zu Goethes "Iphigenie" entstand aus dem Arbeitsverhältnis die enge persönliche Beziehung zu dem schon krebskranken Wolfgang Langhoff. Eine Generalprobenaufnahme vom 3. Oktober 1963.
Szene aus "Iphigenie"
Der Regisseur Benno Besson förderte bei der Arbeit an Molieres Komödie "Tartüff" bei Inge Keller eine ironie-gesättigte rhetorische Eleganz zu Tage, die man in dieser Form vorher nicht bei ihr kannte. Eine Szene mit Fred Düren als "Tartüff".
Szene aus "Tartüff"
Unser schneller Durchlauf durch vier Jahrzehnte Geschichte des Deutschen Theaters endet 1999. Wolfgang Langhoffs Sohn Thomas sah mit Recht in Inge Keller eine Idealbesetzung für die Hauptrolle in Dürrenmatts "Besuch der Alten Dame". Sie gab der gekränkten Frau, die als barbarischer Racheengel zurückkehrt, eine wunderbare spielerische Leichtigkeit
Szene aus "Besuch der Alten Dame"
Ein Jahr nach der Dürrenmatt-Premiere wurde Inge Keller aus ihrem Festvertrag verabschiedet; und als dann auch Thomas Langhoff den Intendantenstuhl im Deutschen Theater räumen musste, nahm die neue Leitung unter Bernd Wilms auch die "Alte Dame" vom Spielplan.
Was dann passierte, konnte niemand voraussehen: Die Achtzigjährige bekam Angebote - eines immer interessanter als das andere: Aribert Reimann und Harry Kupfer verhalfen ihr gar zu einem späten Operndebüt bei der Uraufführung von Reimanns Lorca-Oper "Bernarda Albas Haus"; und auch das Deutsche Theater holte sie zurück für ihre erste Begegnung mit Jean Genet im Stück "Zofen"; und Inge Keller bedankte sich mit Leistungen von einer schwebenden Leichtigkeit und Transparenz, wobei der Klang sich unmittelbar in Ausdruck verwandelte. Von nun an kam ein ironisch gebrochener Ton poetischer Schwärmerei in die Auslassungen sonst nüchterner Kritiker.
Aber die größte Herausforderung kam zum Schluss, als Michael Thalheimer sie gleich für drei Rollen in seiner Inszenierung einer Zwei-Stunden-Kurzfassung des zweiten Teils von Goethes "Faust" haben wollte. Man hatte Inge Keller gar nicht vorher gefragt. Sie erfuhr davon auf Hiddensee während der Theaterferien, als ihre Tochter sie über die am schwarzen Brett ausgehängte Besetzung informierte. Und sie war zunächst skeptisch und ratlos:
" Ob ich das spielen kann, weiß ich nicht. Und solange ich das nicht weiß, ob man das machen kann, ob das möglich ist, unterschreibe ich keinen Vertrag. (...) Ich habe etwa vier Wochen vor der Premiere den Vertrag unterschrieben und als ich mal zwischendurch sagte: Hören Sie, Michael, ich weiß nicht, ob das geht, anwortete er: Keller, ich weiß es auch nicht! Und da hatte er mich!"
Szene aus "Faust 2"
" Ja, also es ist aufgegangen die Legende Keller, die da aus dem Dunkel kommt und ins Dunkel zurückgeht in dieser Welt bereits der Vernichtung kommt die mit ihrer Harmonie und geht in das Zeitalter der Vernichtung weiter. "Lasst uns läuten, lasst uns beten und dem alten Gott vertrauen ... verdammtes Läuten" kommt jetzt schon ... der "Faust" Ingo Hülsmann und die Kollegen sind von einer solchen Zärtlichkeit und nach jeder Vorstellung küsst er mir die Hand der Hülsmann und sagt: Ach, dass Sie bei uns sind, das ist ja so ein Vergnügen, nur ich würde Sie eben so gerne von vorne sehen, wenn Sie Ihren Auftritt haben, und nicht von hinten! Und Lehmann gibt mir einen Handkuss auf der Bühne und wir flirten miteinander ... Glück! Glück! Glück! Die Jungen haben mich angenommen. Ich habe die Jungen annehmen können! Wir sind im Gespräch! Ich bin wieder in einem Ensemble, in dem ich mich wohlfühle und ich bleibe im Deutschen Theater ewiglich (lacht), weil von Langhoff eingesetzt als Ehrenmitglied des Deutschen Theaters, damit bleibe ich immer im Deutschen Theater - ist das nicht wunderbar?"
Sie können den vollständigen Beitrag mit den Szenen-Ausschnitten bis zu acht Wochen nach der Sendung in unserem Audio-On-Demand-Player hören.
Es gibt wenige, die solche Sätze sprechen können, ohne rot zu werden und ohne dass es vermessen klingt ... Vor Jahren schon feierte sie ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum. Durch ein halbes Jahrhundert hat sie das Deutsche Theater mitgeprägt. Die Intendanten kamen und gingen. Die Regisseure und Partner wechselten. Inge Keller blieb und wurde zum Urgestein des Ensembles.
Keller: " Ich habe Angst es zu sagen, aber ich bin ein Glückskind! Toi, toi, toi! ... weil zur rechten Zeit am richtigen Ort das richtige Stück und den Regisseur, der einen trägt und liebt, das hat mich begleitet. Das ist auch ein großes Glück, weil, wenn das nicht geschieht, bleiben Sie zumindest in der dritten Reihe. Das ist so. Also ohne Glück geht nichts. Und Wolfgang Heinz hat ja in den 50er, 60er Jahren, der hat überhaupt kein Stück ohne mich gemacht. Und was ich da gelernt habe! "
Sie erwarb bei der Zusammenarbeit mit Wolfgang Heinz das komplette Handwerkszeug für ein Theater des psychologischen Realismus im Sinne Stanislawskis - verbunden mit einer erlesenen Sprechkultur. Beides kam ihr zugute als Heinz Hilpert von Langhoff eingeladen wurde, Tschechows "Drei Schwestern" zu inszenieren. Eine Generalproben-Aufnahme vom 16. April 1958 mit Inge Keller als Mascha und Wolfgang Langhoff als Werschinin.
Szene aus "3 Schwestern"
Ein paar unkommentierte Streiflichter geben im Zeitraffer einen Eindruck davon, wie aus einer hörbar begabten jungen Schauspielerin, die ihren Weg sucht, eine Theaterlegende wurde. Während der Proben zu Goethes "Iphigenie" entstand aus dem Arbeitsverhältnis die enge persönliche Beziehung zu dem schon krebskranken Wolfgang Langhoff. Eine Generalprobenaufnahme vom 3. Oktober 1963.
Szene aus "Iphigenie"
Der Regisseur Benno Besson förderte bei der Arbeit an Molieres Komödie "Tartüff" bei Inge Keller eine ironie-gesättigte rhetorische Eleganz zu Tage, die man in dieser Form vorher nicht bei ihr kannte. Eine Szene mit Fred Düren als "Tartüff".
Szene aus "Tartüff"
Unser schneller Durchlauf durch vier Jahrzehnte Geschichte des Deutschen Theaters endet 1999. Wolfgang Langhoffs Sohn Thomas sah mit Recht in Inge Keller eine Idealbesetzung für die Hauptrolle in Dürrenmatts "Besuch der Alten Dame". Sie gab der gekränkten Frau, die als barbarischer Racheengel zurückkehrt, eine wunderbare spielerische Leichtigkeit
Szene aus "Besuch der Alten Dame"
Ein Jahr nach der Dürrenmatt-Premiere wurde Inge Keller aus ihrem Festvertrag verabschiedet; und als dann auch Thomas Langhoff den Intendantenstuhl im Deutschen Theater räumen musste, nahm die neue Leitung unter Bernd Wilms auch die "Alte Dame" vom Spielplan.
Was dann passierte, konnte niemand voraussehen: Die Achtzigjährige bekam Angebote - eines immer interessanter als das andere: Aribert Reimann und Harry Kupfer verhalfen ihr gar zu einem späten Operndebüt bei der Uraufführung von Reimanns Lorca-Oper "Bernarda Albas Haus"; und auch das Deutsche Theater holte sie zurück für ihre erste Begegnung mit Jean Genet im Stück "Zofen"; und Inge Keller bedankte sich mit Leistungen von einer schwebenden Leichtigkeit und Transparenz, wobei der Klang sich unmittelbar in Ausdruck verwandelte. Von nun an kam ein ironisch gebrochener Ton poetischer Schwärmerei in die Auslassungen sonst nüchterner Kritiker.
Aber die größte Herausforderung kam zum Schluss, als Michael Thalheimer sie gleich für drei Rollen in seiner Inszenierung einer Zwei-Stunden-Kurzfassung des zweiten Teils von Goethes "Faust" haben wollte. Man hatte Inge Keller gar nicht vorher gefragt. Sie erfuhr davon auf Hiddensee während der Theaterferien, als ihre Tochter sie über die am schwarzen Brett ausgehängte Besetzung informierte. Und sie war zunächst skeptisch und ratlos:
" Ob ich das spielen kann, weiß ich nicht. Und solange ich das nicht weiß, ob man das machen kann, ob das möglich ist, unterschreibe ich keinen Vertrag. (...) Ich habe etwa vier Wochen vor der Premiere den Vertrag unterschrieben und als ich mal zwischendurch sagte: Hören Sie, Michael, ich weiß nicht, ob das geht, anwortete er: Keller, ich weiß es auch nicht! Und da hatte er mich!"
Szene aus "Faust 2"
" Ja, also es ist aufgegangen die Legende Keller, die da aus dem Dunkel kommt und ins Dunkel zurückgeht in dieser Welt bereits der Vernichtung kommt die mit ihrer Harmonie und geht in das Zeitalter der Vernichtung weiter. "Lasst uns läuten, lasst uns beten und dem alten Gott vertrauen ... verdammtes Läuten" kommt jetzt schon ... der "Faust" Ingo Hülsmann und die Kollegen sind von einer solchen Zärtlichkeit und nach jeder Vorstellung küsst er mir die Hand der Hülsmann und sagt: Ach, dass Sie bei uns sind, das ist ja so ein Vergnügen, nur ich würde Sie eben so gerne von vorne sehen, wenn Sie Ihren Auftritt haben, und nicht von hinten! Und Lehmann gibt mir einen Handkuss auf der Bühne und wir flirten miteinander ... Glück! Glück! Glück! Die Jungen haben mich angenommen. Ich habe die Jungen annehmen können! Wir sind im Gespräch! Ich bin wieder in einem Ensemble, in dem ich mich wohlfühle und ich bleibe im Deutschen Theater ewiglich (lacht), weil von Langhoff eingesetzt als Ehrenmitglied des Deutschen Theaters, damit bleibe ich immer im Deutschen Theater - ist das nicht wunderbar?"
Sie können den vollständigen Beitrag mit den Szenen-Ausschnitten bis zu acht Wochen nach der Sendung in unserem Audio-On-Demand-Player hören.