Eine Vatersuche in Kanada
„Es ist der große Wunsch, gesehen zu werden": Idealfamilie, hier mit Vater, am Strand. © Getty Images / CSA Images
"So etwas wie geliebt zu werden"
32:23 Minuten
Jule wächst ohne Vater auf. Als sie erwachsen wird, erlebt sie die Lücke in ihrem Leben als schwere Belastung. Sie macht sich auf, um ihren Vater in Kanada aufzuspüren. Sie erlebt dort den krassesten Moment ihres Lebens.
Jule wächst ohne Vater auf. Als sie zwölf Jahre alt ist, erfährt sie, dass sie das Ergebnis eines Urlaubsflirts ist: 1981 hat ihre Mutter bei einem Urlaub am Schwarzen Meer einen Bulgaren namens Nicolai kennengelernt und wird von ihm schwanger.
Nicolai will kein Kind, er bleibt in Bulgarien
Doch Nicolai will kein Kind. Er bleibt in Bulgarien, und Jule wird von ihrer Mutter allein in Leipzig großgezogen. Kontakt zum Vater gibt es nicht: „Ich habe das gehört und dachte, okay, das ist die Geschichte. Es gibt jemanden, aber der ist nicht da.“
So einfach bleibt es nicht. Plus-Eins-Hörerin Jule erzählt in unserer „Geschichte der Woche“, wie sie sich als Teenagerin und junge Erwachsene mehr und mehr wünscht, ihren Vater zu treffen. Doch der Weg ist in jeder Hinsicht weit.
Nicolai – so viel weiß sie – ist in den Neunzigerjahren nach Kanada ausgewandert. Eine erste Kontaktaufnahme über das Telefon scheitert, und Jule merkt zur selben Zeit, dass der fehlende Vater zu einer echten Belastung für sie, für ihr Leben und ihre Beziehungen geworden ist: „Ich hatte das Gefühl, dass diese Lücke mich lange davon abgehalten hat, erwachsen zu werden.“
Mit 27 auf dem Weg nach Kanada
Jule ist 27, als sie sich schließlich auf den Weg nach Kanada macht, um ihren Vater in einer Kleinstadt bei Montreal einen Besuch abzustatten – mit hohen Erwartungen im Gepäck: „Es ist der große Wunsch, gesehen zu werden, von einer nahestehenden Person, in dem Fall von meinem Vater, und natürlich irgendwie so etwas wie geliebt zu werden.“ Aber das Treffen läuft anders als erwartet: „Es war“, sagt Jule im Rückblick, „einer der krassesten Momente meines Lebens".
Heute arbeitet Jule als Therapeutin. Sie ist 40 und hat selbst drei Kinder. Ihre Geschichte stellt die Frage, was Leerstellen in unserer Biografie mit uns machen – und wie weit wir bereit sind zu gehen, um diese schmerzhaften Lücken zu schließen.