Eine Verantwortungselite für die jüdische Gemeinschaft

Von Alice Lanzke |
Neben einem evangelischen und einem katholischen Studienwerk gibt es jetzt ein weiteres konfessionelles Stipendiatenprogramm: Das Ernst Ludwig Ehrlich-Studienwerk unterstützt überdurchschnittlich begabte Studenten jüdischen Glaubens mit Stipendien und Büchergeld. Erwartet wird im Gegenzug, dass sich die Studenten in den Jüdischen Gemeinden Deutschlands engagieren.
Zwei Brüder, der eine am Klavier, der andere an der Violine: Konzentriert spielen David und Marlen vor dem gebannt lauschenden Publikum in der Aula der Berliner Jüdischen Oberschule. Die beiden Jungen besuchen die Schule und untermalen mit ihrer Musik die feierliche Eröffnung des Ernst Ludwig Ehrlich-Studienwerks, einer jüdischen Begabtenförderung.

Vielleicht gehören sie ja selbst in ein paar Jahren zu dem Kreis der Stipendiaten – als Kinder von Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion würden sie genau in die Zielgruppe passen. Wie diese Zielgruppe für das Studienwerk aussieht, erklärt dessen Vorsitzender Walter Homolka, Rektor des Rabbinerseminars an der Universität Potsdam:

"Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass es nun einen Baustein gibt für die zweite Generation der Zuwanderer, die hier zur Schule gegangen sind und die hier auch ihren Weg gehen möchten, in der jüdischen Gemeinschaft Verantwortung zu übernehmen. Eine Verantwortungselite zu schaffen für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland, das ist die Aufgabe des Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerks."

Homolka war es auch, der gemeinsam mit der Witwe Ehrlichs die Idee für das Studienwerk hatte. Mit ihm sollen künftig begabte jüdische Studenten und Nachwuchswissenschaftler gefördert werden. Ein Konzept, das dem Namensgeber des Stipendienprogramms, dem 2007 verstorbenen Historiker und Religionswissenschaftler Ernst Ludwig Ehrlich, sicherlich gefallen hätte. So zeigt sich jedenfalls Landesrabbiner Homolka überzeugt.

"Ernst Ludwig Ehrlich, 1921 geboren, 1943 musste er fliehen, war einer der letzten vier Schüler Leo Baecks an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Also als ganz junger Mann ist er sozusagen vor dem Nichts gestanden im Exil in der Schweiz und er hat sich trotzdem nach dem Zweiten Weltkrieg, wieder in Deutschland engagiert - nicht nur für die Jüdische Gemeinschaft, auch für das Miteinander von Juden und Christen, etwa im Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Und ich glaube, es hätte ihn sehr gefreut, dass es wieder neue Ansätze gibt, dieses Miteinander in Deutschland zu gestalten und vor allem auch im Kreis von Studierenden."

Neben diesen Studierenden können sich ab sofort auch Nachwuchswissenschaftler mit einem Promotionsvorhaben bei dem Studienwerk bewerben, das zu den zwölf vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützen Begabtenförderungswerken gehört. Für 2010 stehen 30 bis 50 Stipendien für Studenten bereit, die monatlich bis zu 585 Euro plus Büchergeld erhalten. Die 20 bis 30 Promotionsstipendien umfassen gut 1.000 Euro – beide Förderungen müssen nicht zurückgezahlt werden.

Doch es geht dem Studienwerk, das unter der Schirmherrschaft von Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, steht, nicht nur um finanzielle Unterstützung. Vielmehr sollen sich die Stipendiaten auch untereinander austauschen und vernetzen, wie Benno Bleiberg, stellvertretender Vorsitzender der Begabtenförderung, sagt:

"Genauso was ist mit sozusagen geplant, dass dann zumindest einmal jährlich ein Treffen dieser Stipendiaten stattfinden wird, um also auch den Zusammenhalt dieser Leute ein bisschen zu fördern und auch gleichzeitig diese ideelle Förderung hinzubekommen, dass sie sich vielleicht doch irgend wie zum Judentum und dann für die Gemeinden, in denen sie leben, tatsächlich interessieren werden."

Für die Entscheidung über die Stipendiaten sind die Auswahlausschüsse des Beirats zuständig. Dieser Beirat setzt sich nicht nur aus Mitgliedern der jüdischen Gemeinde zusammen, sondern vor allem aus führenden jüdischen Akademikern der unterschiedlichsten Fachrichtungen, wie Benno Bleiberg ausführt:

"Der Beirat, der die Stipendien vergibt, setzt sich aus den verschiedensten Wissenschaftlern zusammen. Von Historikern über Mathematiker, Biologen, Chemikern - also Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften, Judaistik - alles ist vorhanden."

Genauso vielfältig wie die Besetzung des Beirats wünscht sich die Begabtenförderung auch ihre Stipendiaten: Studierende und Nachwuchswissenschaftler aller Fachrichtungen sind zur Bewerbung aufgefordert. Die Voraussetzungen für eine Förderung: Sie müssen Juden sein, die deutsche Staatsbürgerschaft haben oder aus dem EU-Raum kommen und an einer deutschen Hochschule studieren oder forschen. Herausragende Leistungen sind für eine erfolgreiche Bewerbung dabei allerdings nicht genug, wie Micha Brumlik, Vorsitzender des Beirats sagt:

"Wir wünschen uns Studenten, die bereit sind und auch bereit waren, ihren Dienst an der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland aber auch an der deutschen Gesellschaft und ihrer demokratischen Entwicklung insgesamt zu leisten."

Man wolle eine "Lücke der Geschichte schließen und Begabungen in der jüdischen Gemeinschaft fördern", heißt es auf der Internetseite des Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerks dazu. Ein erster Schritt ist mit der offiziellen Eröffnung des Stipendienprogramms nun getan.
Mehr zum Thema