Eine Versuchsanordnung
Theodor W. Adornos oft und unterschiedlich ausgelegtes Diktum von 1951, "dass nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, barbarisch ist," bringt auch heute noch jede künstlerische Darstellung des Holocausts in unauflösbare Widersprüche, und diese Widersprüche verschärfen sich sicherlich, wenn es sich um eine Oper über den Lyriker Paul Celan handelt, den Dichter des Auschwitz-Gedichtes "Die Todesfuge".
Peter Ruzickas nun schon zum vierten Mal seit der Uraufführung in 2001 in Dresden neuinszenierte Oper "Celan" ist deshalb auch keine linear erzählte Künstleroper. In sieben Entwürfen umkreist sie ihr Thema und splittet dabei die Figur in zwei Personen Celan 1 (Thomas E. Bauer) und Celan 2 (Yaron Windmüller) auf: eine Versuchsanordnung. Ruzicka und sein Librettist Peter Mussbach haben darüber hinaus versucht, mit langen Video- und Filmeinblendungen die übliche Opernform aufzubrechen. Aber entkommt man durch modische Medienvielfalt, den Schwierigkeiten den Holocaust auf der Bühne darzustellen?
Vera Nemirova hat Ruzicka und Mussbachs "Entwürfe" auf die traditionelle Opernbühne zurückgeholt, zur übersichtlich strukturierten Oper gemacht und dabei bis auf eine Ausnahme auf alle Video- und Filmeinblendungen verzichtet. Grundstruktur des Bühnenraums sind die Lesetische einer Bibliothek (Bühne: Stefan Heyne), die sich zum Beispiel in einen Friedhof, in das elterliche Zimmer oder den rumänischen Dichterklub verwandeln lassen. Die den Dichter bedrängende Vergangenheit und seine Versuche, ihr zu entkommen, werden wirkungsvoll simultan erfasst. Ruzickas Oper zeigt den Dichter in seinen Schulgefühlen und seiner Trauer über den Verlust der Familie, die er nicht erretten konnte, seine Bemühung, gerade in der Sprache der Mörder, in Deutsch – nicht in Rumänisch oder Französisch - als Dichter zu sprechen und seine tiefe Verletzung, die ihm durch den haltlosen Plagiatsvorwurf – er habe lediglich von Yvan Goll abgeschrieben - glauben ließ, man wolle nun auch ihm als Jude seine Identität rauben. "Ich bin der, den es nicht gibt", schrieb Celan an seinen rumänischen Mentor Alfred Margul-Sperber. Ein Ober (Thomas Möwes) – in Nemirovas Inszenierung meist ein Bibliotheksangestellter - ist die dämonische Gegenfigur, der Antisemit, die selbstgefällige deutsche Restauration der 60er-Jahre, an der Celan zerbricht.
Ruzicka Musik – von ihm selbst wie schon in der Kölner Inszenierung dirigiert - strukturiert klug mit immer wiederkehrenden Motiven die Handlung: Liegetöne in extrem hohen Lagen, ineinanderstürzende Akkorde, heftiges Anklopfen des Schlagzeugs, kurzes Aufschwellen von Bläserklängen. Es ist eine effektvolle, bisweilen filmmusikartige Klangkulisse.
So berührt als traditionelle Künstleroper Ruzickas Oper durchaus. Weniger überzeugen, weil allzu klischeehaft in ihrer politischen Korrektheit, die Aktualisierungen auf die Gegenwart, die sich Librettist Mussbach ausgedacht hat – der brutal-dumme Hooligan oder ein verzogenes mit Spielzeugpistole hantierendes Kind oder eine Touristengruppe, die dümmlich Celans "rotes Zimmer" bestaunt. Vera Nemirova hat solche Szenen als Theatergroteske inszeniert und die im Libretto vorgesehene Filmvorführung in einem Kino für eine aktuelle Straßenbefragung zum Thema Holocaust genutzt: mit vorhersehbaren banalen Antworten. Auch im Herzstück der Oper - einem musikalisch beeindruckendem großen Chor, "Bildlose Welten" übertitelt - wird von Nemirova ein konventionelles, zum Klischee erstarrtes, etwas abgegriffenes Bild bemüht: das gemeinsame langsame Entkleiden vor dem Mord in der Gaskammer.
Wenn man den Holocaust zum Thema der pädagogischen Belehrung macht, verstrickt man sich nämlich vermutlich schneller in Widersprüche als wenn er den Hintergrund für einen tief berührenden Opernabend darstellt.
Die Produktion ist übrigens eine Koproduktion mit der Nationaloper Bukarest, denn in Rumänien wird Paul Celan in den letzten Jahren nicht nur als deutscher, sondern auch als einer der großen rumänischen Dichter verehrt.
Vera Nemirova hat Ruzicka und Mussbachs "Entwürfe" auf die traditionelle Opernbühne zurückgeholt, zur übersichtlich strukturierten Oper gemacht und dabei bis auf eine Ausnahme auf alle Video- und Filmeinblendungen verzichtet. Grundstruktur des Bühnenraums sind die Lesetische einer Bibliothek (Bühne: Stefan Heyne), die sich zum Beispiel in einen Friedhof, in das elterliche Zimmer oder den rumänischen Dichterklub verwandeln lassen. Die den Dichter bedrängende Vergangenheit und seine Versuche, ihr zu entkommen, werden wirkungsvoll simultan erfasst. Ruzickas Oper zeigt den Dichter in seinen Schulgefühlen und seiner Trauer über den Verlust der Familie, die er nicht erretten konnte, seine Bemühung, gerade in der Sprache der Mörder, in Deutsch – nicht in Rumänisch oder Französisch - als Dichter zu sprechen und seine tiefe Verletzung, die ihm durch den haltlosen Plagiatsvorwurf – er habe lediglich von Yvan Goll abgeschrieben - glauben ließ, man wolle nun auch ihm als Jude seine Identität rauben. "Ich bin der, den es nicht gibt", schrieb Celan an seinen rumänischen Mentor Alfred Margul-Sperber. Ein Ober (Thomas Möwes) – in Nemirovas Inszenierung meist ein Bibliotheksangestellter - ist die dämonische Gegenfigur, der Antisemit, die selbstgefällige deutsche Restauration der 60er-Jahre, an der Celan zerbricht.
Ruzicka Musik – von ihm selbst wie schon in der Kölner Inszenierung dirigiert - strukturiert klug mit immer wiederkehrenden Motiven die Handlung: Liegetöne in extrem hohen Lagen, ineinanderstürzende Akkorde, heftiges Anklopfen des Schlagzeugs, kurzes Aufschwellen von Bläserklängen. Es ist eine effektvolle, bisweilen filmmusikartige Klangkulisse.
So berührt als traditionelle Künstleroper Ruzickas Oper durchaus. Weniger überzeugen, weil allzu klischeehaft in ihrer politischen Korrektheit, die Aktualisierungen auf die Gegenwart, die sich Librettist Mussbach ausgedacht hat – der brutal-dumme Hooligan oder ein verzogenes mit Spielzeugpistole hantierendes Kind oder eine Touristengruppe, die dümmlich Celans "rotes Zimmer" bestaunt. Vera Nemirova hat solche Szenen als Theatergroteske inszeniert und die im Libretto vorgesehene Filmvorführung in einem Kino für eine aktuelle Straßenbefragung zum Thema Holocaust genutzt: mit vorhersehbaren banalen Antworten. Auch im Herzstück der Oper - einem musikalisch beeindruckendem großen Chor, "Bildlose Welten" übertitelt - wird von Nemirova ein konventionelles, zum Klischee erstarrtes, etwas abgegriffenes Bild bemüht: das gemeinsame langsame Entkleiden vor dem Mord in der Gaskammer.
Wenn man den Holocaust zum Thema der pädagogischen Belehrung macht, verstrickt man sich nämlich vermutlich schneller in Widersprüche als wenn er den Hintergrund für einen tief berührenden Opernabend darstellt.
Die Produktion ist übrigens eine Koproduktion mit der Nationaloper Bukarest, denn in Rumänien wird Paul Celan in den letzten Jahren nicht nur als deutscher, sondern auch als einer der großen rumänischen Dichter verehrt.