Eine Welt aus Piraten

Von Marko Pauli |
Browsergames gehören zur Kategorie der Massive Multiplayer Online Games, kurz: MMOGs. Hier spielen auf einer Website oft Zehntausende User gleichzeitig gegen- und miteinander. Viele von ihnen geben freiwillig Geld aus, um sich Vorteile zu verschaffen - etwa die schnelleren Schiffe oder die gefährlicheren Kanonen für die virtuelle Seeschlacht.
"Willkommen bei Seafight.com."

Der Einstieg in die Spielewelt von Bigpoint könnte einfacher kaum sein: Kostenlos und ohne Download bewegt man sich gleich nach der Registrierung im gewünschten Spiel, zum Beispiel in Seafight, dem Piratenspiel.

Heiko Hubertz, 32 Jahre jung, ist der Geschäftsführer der Hamburger Firma Bigpoint. Die ersten Spiele hat er noch selbst programmiert, jetzt arbeiten 160 Leute für ihn. Im perfekt sitzenden Businessanzug führt er durch die 2000qm-Büroetage.
Bei Bigpoint werden Browsergames gemacht - Computerspiele, die ohne Software-Installation ganz einfach im Browserfenster gespielt werden.

"Der Fachbegriff für die Art unserer Spiele ist Massive Multiplayer Online-Games, also MMOG's. Weil nicht einer gegen einer spielt, sondern es spielen Tausende gegen Tausende. Zu Peakzeiten haben wir so 100.000 bis 150.000 User, die parallel in unseren Spielen, gegeneinander oder auch miteinander spielen."

25 Spiele stehen den bald 30 Millionen Nutzern von Bigpoint zur Auswahl. Wer bei Sea-Fight, dem Piratenspiel, neu anfängt, der erkennt bald, dass die anderen Spieler viel schnellere Schiffe und gefährlichere Kanonen haben.

Der Jungpirat kann versuchen, sich diese ebenfalls zu erspielen - was viel Geschick und Zeitaufwand erfordert. Er hat aber auch die Möglichkeit, sie sofort zu bekommen. Dafür muss er nur ein bisschen echtes Geld bezahlen. Heiko Hubertz erklärt das Prinzip der sogenannten virtuellen Güter anhand eines Bigpoint-Fußballspiels:

"Ich statte jetzt meine ganzen Spieler mit den neuesten Schuhen aus. Und mit diesen neuen Schuhen können Sie ein ganz bisschen schneller laufen oder haben eine etwas höhere Trefferwahrscheinlichkeit. Und dann stehen Sie im EM-Finale und spielen gegen jemanden und sagen: Okay, diese Schuhe für mein ganzes Team kosten gerade mal zehn Cent, die bezahle ich jetzt einfach. Wir haben mittlerweile über 25 Millionen registrierte Nutzer bei uns. Wenn von denen jeder zehn Cent zahlt für so ein Turnier, dann passt das schon."

Das klingt harmlos. Es gibt aber natürlich auch virtuelle Güter, die viel teurer sind und allerhand Benutzer, die schon mehrere hundert Euro investiert haben. Viele Spieler richten sich in ihren Spielen ein und streben nach virtuellen Chefposten ...

"Möchtest du ein größeres, ein besseres, ein stärkeres Schiff? Dann gehe unten zur Werft."

"Dass Sie nun das größte Piratenschiff haben oder dass Sie den großen Endgegner dort besiegt haben, das bekommen halt auch Tausende von Leute mit. Und dadurch kommen Sie quasi auch zu Ruhm und Ehre in unseren Spielen."

Junge Männer zwischen 16 und 21 Jahren machen den größten Teil der Spieler aus. Aber auch weibliches Publikum wird angezogen, zum Beispiel durch Spiele zu aktuellen TV-Castingshows. Die neugierigen Erstbesucher der Bigpoint-Website sollen es dabei so einfach wie möglich haben:

"Wir geben Hilfen vor. Wir haben ein großes Team an Supportern in Haus. Wir haben über 30 Mitarbeiter, die allein nur für die Fragen der Spieler verantwortlich sind."

Die werden besonders durch die Spieler gefordert, die Geld ins Spiel stecken. Je mehr, desto höher die Erwartungshaltung und desto unverzeihlicher auch Fehler im Spiel. Da hagelt es schnell kritische Einträge in Internetforen:

"Auf mehrmaliges Anschreiben von Bigpoint bekommt man nur eine vom System generierte Antwort und im Forum werden alle schärferen Kritiken gelöscht."

Wer in einem der Spiele wirklichen Erfolg haben will, der zückt das virtuelle Portemonnaie oft häufiger als geplant:

"Bigpoint hat begonnen, seine User abzuzocken. Sie wissen, dass es viele gibt, die schon so viel Geld investiert haben. Und sie wissen, dass man da nicht einfach so aufhören möchte."

Eine weitere wichtige Einnahmequelle für Bigpoint ist das sogenannte Ingame-Advertising - Marken werden im Spiel integriert. Da bekommt der User des Fußballspiels etwa zu sehr günstigen Konditionen die neuesten Markenschuhe für seine Mannschaft.

"Der User hat auf jeden Fall das positive Erlebnis mit dem Brand, weil seine Spieler ja plötzlich schneller laufen oder torgefährlicher sind. Und damit lohnt es sich, für den Werbetreibenden so etwas zu machen. Also für beide Parteien ist es eine Win-Win-Situation."

Das klingt nach Business- und Werbewelt, aber nicht nach Computerspielen. Wo sind die lichtscheuen Programmierer, wo die Pizzakartons?

In einem der Großraumbüros brummt der Betrieb - und endlich: Viele junge Männer, allerhand leere Colaflaschen, und Bildschirme so weit das Auge reicht. Marten Schröder, Spieleentwickler und Designer, sitzt in der sogenannten Teaminsel, die schon seit über zwei Jahren das Piratenspiel Seafight betreut. Er überprüft gerade eine neue Spielfigur.

"Wenn man die auf seinem Schiff platziert hat, dann wird eine bestimmte Kanonen-Reparatur automatisch ausgeführt. Vorher konnte man gegen diesen Schaden an den Kanonen nichts machen, jetzt kann man die reparieren."

Auch diesen praktischen Helfer wird man dann entweder per mühsam erspielter In-Game-Währung anheuern oder halt mit echtem Geld. Er ist ein typisches Beispiel für die permanente Weiterentwicklung des Spiels, Marten und seine Sea-Fight-Kollegen arbeiten jeden Tag daran.

"Es ist schon so, kann ich sagen, dass es Tage gibt, da kommt man nach 16 Stunden nach Hause, und die Welt besteht nur noch aus Piraten."

Wer als Spieler irgendwann keine Lust mehr hat, Pirat zu sein oder wem es zu teuer geworden ist, der kann sein Luxus-Schiff übrigens für gutes Geld bei Ebay verkaufen.
Für eine hohe Summe wechselten auch gerade die Mehrheitsanteile von Bigpoint - ein amerikanischer Fernsehsender hat zugeschlagen. Die Browsergameswelle schwappt nämlich gerade über den großen Teich, und Heiko Hubertz segelt voll im Wind.