Eine Welt von Ego und Lust
Aktueller kann ein Buch kaum sein – als ob sein Autor geahnt hätte, das gerade jetzt das Geschehen an den internationalen Finanzmärkten die Welt in Atem hält. Zumindest die Welt, die so viel Geld zur Verfügung hat, um damit zu handeln.
"Odysseus und die Wiesel" heißt der 150 Seiten starke Essay, der im Untertitel verspricht, "Eine fröhliche Einführung in die Finanzmärkte" zu sein. Autor ist Georg von Wallwitz. Und der beschäftigt sich im Hauptberuf tatsächlich mit finanziellen Transaktionen. Wallwitz ist Geschäftsführer eines Münchener Investmentbüros – der Mann weiß, wovon er schreibt. Interessant, auch überraschend sind Art und Weise, wie er das tut. Fröhlich scheint er in der Tat zu sein. Doch von jemandem, der Fonds der Deutschen Bank betreut hat und der sein Geld mit Investitionen und Vermögensverwaltung verdient, erwartet man nicht unbedingt eine so kritisch heitere, ironisch distanzierte und zugleich unterhaltsam lehrreiche Darstellung der Finanzwelt – und letztlich auch des eigenen Tuns.
Wallwitz betrachtet die Finanzwelt als Schauspiel, dessen Akteure heißen bei ihm "Dramatis Personae". Er hat sein Buch für Laien geschrieben, gleichwohl setzt er ein geringes Maß an Interesse und Kenntnis zumindest der Grundbegriffe wirtschaftswissenschaftlichen Vokabulars voraus. Doch auch seine eigene Zunft wird bedenkenswerte Anregungen finden. Die offene Form des Essays ist bewusst gewählt, weder ein Ratgeber noch ein Theoriebuch liegen hier vor. "Odysseus und die Wiesel" ist Literatur. Geschrieben von einem gebildeten Fondsmanager, der Philosophie und Mathematik studiert hat, der in der Lage ist, Motive und Gesetzmäßigkeiten seines Handelns zu reflektieren. "Der Markt", "die Börse", "die Finanzwelt" werden von Wallwitz weder verklärt noch dämonisiert. Er macht sie transparent, beschreibt sie – auch in ihrer Unappetitlichkeit – realistisch: "Es ist eine Welt von Ego und Lust, in der weder Bildung noch Charakter gut bezahlt werden."
Um herauszufinden, welches der Geist ist, der die Finanzmärkte in ihrem heutigen Zustand geformt hat, stellt Wallwitz zwei Prototypen von Menschen einander gegenüber. Zum einen den homerischen Helden Odysseus, den Wallwitz als Ideal des modernen Unternehmers beschreibt: einfallsreich, umtriebig, kompromisslos, charmant, skeptisch, witzig – ein Überlebenskünstler. Andererseits das Wiesel: Ein Raubtier, das für’s Beutemachen zu klein, doch ständig auf der Jagd ist, immer wieder scheitert und gerne so wäre wie Odysseus. Die Mehrheit der in der Finanzwelt Tätigen, so Wallwitz, seien Wiesel:
"Für das Wiesel reduziert sich die Verkaufsentscheidung auf ein anonymes Zahlenspiel ohne moralische Dimension."
Allgemeiner Nutzen oder Moral würden vom Wiesel eher als Bedrohung wahrgenommen. Hingegen stünde persönlicher finanzieller Nutzen für das Wiesel im Vordergrund. Ein Ort moralischen Handelns sei der Markt sicherlich nicht, doch existiere so etwas wie "Sitte". Würde von den Akteuren dagegen verstoßen, bestünde die Gefahr einer Aushöhlung des gesamten Systems. Und das wollen selbst die Wiesel nicht.
Wallwitz gibt neben der Erklärung von Mechanismen auch einen Überblick über die Geschichte der Finanzmärkte. Er beginnt mit der Erfindung der Aktiengesellschaft im Jahr 1602 und endet mit den entscheidenden Wirtschaftstheorien des 20. Jahrhunderts. Deutlich wird bei allen Erklärungsversuchen: Die modernen Märkte sind zwar zu beschreiben, doch schwer zu verstehen und auch nicht theoretisch erklärbar. Denn Entscheidungen treffen dort gewöhnliche Menschen - die ständig überfordert und emotionsgesteuert seien.
Für den, der jetzt – als Anleger oder Händler – um seine Aktien fürchtet, ist das kein Trost. Aber es so klar gesagt zu bekommen, kann man als Plus an Bewusstsein verbuchen – das in Zukunft vielleicht wieder sinnvoll zu investieren ist.
Besprochen von Carsten Hueck
Georg von Wallwitz: Odysseus und die Wiesel – Eine fröhliche Einführung in die Finanzmärkte
Berenberg Verlag, Berlin 2011
151 Seiten, 20,- Euro
Wallwitz betrachtet die Finanzwelt als Schauspiel, dessen Akteure heißen bei ihm "Dramatis Personae". Er hat sein Buch für Laien geschrieben, gleichwohl setzt er ein geringes Maß an Interesse und Kenntnis zumindest der Grundbegriffe wirtschaftswissenschaftlichen Vokabulars voraus. Doch auch seine eigene Zunft wird bedenkenswerte Anregungen finden. Die offene Form des Essays ist bewusst gewählt, weder ein Ratgeber noch ein Theoriebuch liegen hier vor. "Odysseus und die Wiesel" ist Literatur. Geschrieben von einem gebildeten Fondsmanager, der Philosophie und Mathematik studiert hat, der in der Lage ist, Motive und Gesetzmäßigkeiten seines Handelns zu reflektieren. "Der Markt", "die Börse", "die Finanzwelt" werden von Wallwitz weder verklärt noch dämonisiert. Er macht sie transparent, beschreibt sie – auch in ihrer Unappetitlichkeit – realistisch: "Es ist eine Welt von Ego und Lust, in der weder Bildung noch Charakter gut bezahlt werden."
Um herauszufinden, welches der Geist ist, der die Finanzmärkte in ihrem heutigen Zustand geformt hat, stellt Wallwitz zwei Prototypen von Menschen einander gegenüber. Zum einen den homerischen Helden Odysseus, den Wallwitz als Ideal des modernen Unternehmers beschreibt: einfallsreich, umtriebig, kompromisslos, charmant, skeptisch, witzig – ein Überlebenskünstler. Andererseits das Wiesel: Ein Raubtier, das für’s Beutemachen zu klein, doch ständig auf der Jagd ist, immer wieder scheitert und gerne so wäre wie Odysseus. Die Mehrheit der in der Finanzwelt Tätigen, so Wallwitz, seien Wiesel:
"Für das Wiesel reduziert sich die Verkaufsentscheidung auf ein anonymes Zahlenspiel ohne moralische Dimension."
Allgemeiner Nutzen oder Moral würden vom Wiesel eher als Bedrohung wahrgenommen. Hingegen stünde persönlicher finanzieller Nutzen für das Wiesel im Vordergrund. Ein Ort moralischen Handelns sei der Markt sicherlich nicht, doch existiere so etwas wie "Sitte". Würde von den Akteuren dagegen verstoßen, bestünde die Gefahr einer Aushöhlung des gesamten Systems. Und das wollen selbst die Wiesel nicht.
Wallwitz gibt neben der Erklärung von Mechanismen auch einen Überblick über die Geschichte der Finanzmärkte. Er beginnt mit der Erfindung der Aktiengesellschaft im Jahr 1602 und endet mit den entscheidenden Wirtschaftstheorien des 20. Jahrhunderts. Deutlich wird bei allen Erklärungsversuchen: Die modernen Märkte sind zwar zu beschreiben, doch schwer zu verstehen und auch nicht theoretisch erklärbar. Denn Entscheidungen treffen dort gewöhnliche Menschen - die ständig überfordert und emotionsgesteuert seien.
Für den, der jetzt – als Anleger oder Händler – um seine Aktien fürchtet, ist das kein Trost. Aber es so klar gesagt zu bekommen, kann man als Plus an Bewusstsein verbuchen – das in Zukunft vielleicht wieder sinnvoll zu investieren ist.
Besprochen von Carsten Hueck
Georg von Wallwitz: Odysseus und die Wiesel – Eine fröhliche Einführung in die Finanzmärkte
Berenberg Verlag, Berlin 2011
151 Seiten, 20,- Euro