Eine Weltreise in die Vergangenheit

09.10.2011
Bevor der Mensch die Welt bevölkerte, lebten auf dem Globus Milliarden Tierarten - viele von ihnen starben irgendwann aus. Jes Rust entführt in seinem Sachbuch "Fossilien" in die Welt der Paläontologie und beschreibt wissenschaftlich fundiert und trotzdem spannend die Evolutionsgeschichte.
Sie sind wie ein Fenster in die Vergangenheit: Fossilien zeigen uns, wie das Leben vor etlichen Jahrmillionen aussah. Welche wichtige Bedeutung sie innerhalb der Evolutionsgeschichte haben, davon berichtet der Paläontologe Jes Rust in seinem Buch "Fossilien. Meilensteine der Evolution". Er beschreibt darin detailliert alle wichtigen Fossilienfundstätten und erläutert die Gründe für das Aussterben zahlreicher Arten. Schätzungsweise zwei Milliarden Arten haben in den vergangenen 540 Millionen Jahren Erdgeschichte gelebt. Davon existieren heute gerade noch ein bis zwei Prozent.

Lässt sich diese enorme Artenvielfalt überhaupt anhand von Fossilien nachzeichnen? Diese Frage beschäftigt seit Jahren die Wissenschaft. Der Autor, einige Jahre Vorsitzender der Paläontologischen Gesellschaft, kennt die Diskussion sehr gut. Kritisch, aber ohne seinen eigenen Standpunkt zu verbergen, beschreibt er die Probleme und das Potential fossiler Funde für die Evolutionsgeschichte und ermöglicht seinen Lesern damit einen guten Einblick in den wissenschaftlichen Diskurs. Besonders interessant sind hier die Veränderungen durch moderne Analyseverfahren aus der Molekulargenetik. Elefant oder Mammut ? - Wo Wissenschaftler früher über Knochenfunden saßen, rätselten und viel diskutierten, klärt heute eine genetische Untersuchung die Frage.

Herzstück des Buches sind aber die vielen verschiedenen Fossilienfunde. Fotografien auf fast jeder Seite dokumentieren eindrucksvoll ihre Vielfalt. Fischsaurier, Kopf- und Gliederfüßer, Muschelreste, Bärenskelette und weitere spektakuläre Wirbeltierfunde aus verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Orten machen Lust auf die Geschichten, die hinter ihnen stecken.

Die versteht Jes Rust gut zu erzählen, gespickt mit Zitaten aus der Literatur - Jurassic Park Autor Michael Crichton kommt zum Beispiel zu Wort - erfährt man Interessantes über flugunfähige Vögel, die 250 Kilo wogen, oder liest staunend, wie Forscher den Krater eines Meteoriteneinschlags vor 65 Millionen entdeckten, der für die Dinosaurier fatale Konsequenzen hatte.

Auch die ein oder andere skurrile Geschichte gibt es, wie beispielweise die über einige Insektenarten, die in großer Zahl alle auf einmal ausstarben und einen so dichten Insektenteppich hinterließen, dass Forscher glaubten eine bislang unbekannte Klimaänderungen oder ein Vulkanausbruch sei die Ursache. Dass sie sich hier irrten wurde ihnen erst bewusst, als sie zufällig Eintagsfliegen bei der Paarung beobachteten.

Diese sterben nach der Fortpflanzung ebenfalls in großen Mengen. Der Tod gehört zu ihrem Reproduktionsprogramm. Bei großen Schwärmen kann das schon mal einen rutschigen Boden zur Folge haben und heutzutage zu einer Straßensperrung aufgrund zahlreicher toter Eintagsfliegen führen. Das Thema Massensterben in der Evolutionsgeschichte betrifft also nicht nur die Dinosaurier, sondern auch viele andere Arten und vor allem auch andere Aspekte.

Dazu führt der Autor den Leser es zu den berühmtesten Fossilien-Fundstätten der Welt. Eine Zeitreise rund um den Globus - zurück in die Vergangenheit zu Käfern in Kalifornien, Schnecken in Kanada, zu Fledermäusen in Darmstadt oder Bären in Tschechien. Jes Rust hat ein unterhaltsames und zugleich anspruchsvolles Buch über Fossilien geschrieben, das vor allem dem fortgeschrittenen Fossilienliebhaber etliches zu bieten hat. Die umfangreiche Literaturlisten zur weiteren Lektüre und die zahlreichen Originalzitate aus der aktuellen Forschung zeigen, dass sich wissenschaftliche Expertise durchaus gut mit einem lockeren Erzählstil verbinden lässt.

Besprochen von Susanne Nessler

Jes Rust: Fossilien. Meilensteine der Evolution
Primus Verlag, Darmstadt 2011
160 Seiten, 29,90 Euro

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