Einfachheit und Virtuosität

Von Albrecht Dümling |
Mit seinem "Adagio for Strings", einem elegischen Streichersatz, wurde der vor 100 Jahren geborene Samuel Barber mit einem Schlag bekannt. Durch die New Yorker Uraufführung dieses kurzen Stücks wies Arturo Toscanini im November 1938 nachdrücklich auf den damals 28-jährigen Amerikaner hin, der nach seinem Studium am Curtis Institute in Philadelphia mit einem Stipendium nach Italien übergesiedelt war.
Der Dirigent hatte den jungen Komponisten in Rom kennengelernt und wohl angeregt, den langsamen Satz seines Streichquartetts op. 11 für Streichorchester zu bearbeiten. Bald nach dem New Yorker Aufführungserfolg erhielt Barber seinen ersten größeren Kompositionsauftrag. Der Geschäftsmann Samuel Fels bestellte bei ihm ein Violinkonzert, das der von ihm geförderte junge Russe Iso Briselli spielen sollte. In Sils Maria im schweizerischen Engadin machte sich Barber im Sommer 1939 an die Arbeit. Im Herbst hatte er die ersten beiden Sätze vollendet, über die Briselli sich lobend äußerte.

Virtuoser legte Barber den dritten Satz an, den er in Paris begann und in den USA vollendete. Mit diesem Satz war der junge Carl Flesch-Schüler aber weniger zufrieden, denn er vermisste einen Bezug zu den beiden ersten Sätzen. Da der Komponist bereits mit anderen Projekten befasst war, und sein Konzert nicht umarbeiten wollte, kam es im Februar 1941 schließlich mit einem anderen Solisten, dem Geiger Albert Spalding, unter der Leitung von Eugene Ormandy in Philadelphia zur Uraufführung.

Tatsächlich überrascht in Barbers Violinkonzert der Gegensatz zwischen der ruhigen Einfachheit der beiden ersten Sätze und den hohen technischen Anforderungen des lebhaften Finales. Gleich zu Beginn stellt die Solovioline ein gesangliches Thema vor, in dessen Achtelbewegung eine wiegende Triolenfigur eingefügt ist. Oboe und Klarinette spielen das tänzerische Seitenthema im punktierten Rhythmus, das danach aber nur noch selten zu Wort kommt.

Auch im langsamen Mittelsatz, der mit Cello-, Oboen- und Hornsoli beginnt, wechseln im Thema der Solovioline Zweischlag- und Dreischlag-Puls ab. Dann aber stürzt sich das Soloinstrument ins feurige Rondo-Finale, ein Perpetuum mobile, in dessen 110 Takten es fast pausenlos gefordert ist. Während der Geiger Iso Briselli, für den das Konzert entstand, an seiner kritischen Position festhielt, fühlten sich Kollegen wie Isaac Stern, Itzhak Perlman oder Gil Shaham gerade durch diese Verbindung von Einfachheit und Virtuosität angezogen.