Einfluss der Wirtschaft auf die Wissenschaft

Wenn die Industrie mitforscht

Ein Mann schaut durch ein Mikroskop (24.8.2018).
Ein Mann schaut durch ein Mikroskop © imago stock&people
Christian Kreiß im Gespräch mit Nicole Dittmer |
Um die Freiheit der Wissenschaft sei es schlecht bestellt, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Christian Kreiß: Forschungsprojekte würden immer häufiger mit Hilfe der Industrie finanziert. Wozu das führen kann, zeige der Dieselskandal.
Eine freie Forschung, die wichtigen Fragestellungen unserer Gesellschaft zweckungebunden und nur dem Erkenntnisgewinn verpflichtet nachgeht – vielerorts ist das offenbar nur noch eine Illusion. Universitäten und Fachhochschulen sind heute zu 50 Prozent von externen Drittmitteln abhängig, um ihre Forschungsvorhaben realisieren zu können. Viel Geld für Grundlagenforschung fließt zwar auch von neutralen Institutionen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Doch rund 1,4 Millarden Euro an externen Mitteln kommen jährlich aus der Industrie - und die will einen klaren Anwendungsbezug sehen.
Wohin das schlimmstenfalls führen kann, zeigen Beispiele wie der Dieselskandal, in den unter anderem die Rheinisch-Westfälischen Technische Hochschule (RWTH) Aachen verstrickt ist. Es bedeutet aber auch, dass Forschungsgebiete, die sich aus Industriesicht nicht lohnen, weil sie nicht gewinnversprechend sind, kaum eine Chance auf Förderung haben. Auch hinter den Förderprogrammen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) steckt viel Lobbyarbeit der Industrie, Beispiel: die "Hightech-Strategie".

Ein transparentes Register muss her

Christian Kreiß, Professor für Finanzierung und Wirtschaftspolitik an der Hochschule Aalen, sieht den wachsenden Einfluss der Wirtschaft auf die Wissenschaft mit Besorgnis und fordert ein Register, das transparent macht, wer an welchen Hochschulen Mittel und in welcher Höhe von der Industrie empfängt.
Alternativ: "Das Geld ist ja da. Es wird eben nur über bürokratische Verteilungsmechanismen in bestimmte Agenden gelenkt. Das Geld einfach nur direkt an die Hochschulen geben – dann hätten wir fast kein Problem mehr. Also: Stärker die Grundlagenforschung fördern, wie es vor 25 Jahren war. Das wäre das Allereinfachste." Er glaube jedoch weder an das eine noch an das andere – denn der politische Wille dafür fehle.

Er schätzt die Freiheit einer Hochschule

Kreiß, der vor drei Jahren ein Buch zum Thema herausgebracht hat, hat selbst neun Jahre lang für verschiedene Banken gearbeitet, aber irgendwann das ausschließliche "Profit, Profit, Profit"-Denken nicht mehr ertragen, wie er sagt. Weshalb er lieber Hochschullehrer geworden sei und "die Freiheit einer Hochschule" heute sehr zu schätzen wisse.
Der Wissenschaftler findet es im weiteren fatal, dass Industrieförderung zu sehr einseitiger Forschung führe. Die naturwissenschaftlichen, medizinischen und technischen Fächer stünden ganz oben auf der Liste der Empfänger von Industrieförderung, das Nachsehen hätten etwa ökologische und sozialwissenschaftliche Fächer.

Die Industrie fördert nicht alles

Doch selbst in der Medizin gebe es wichtige Bereiche wie Prävention und Prophylaxe, mit denen sich aus Industriesicht nicht viel verdienen lasse und die darum ebenfalls wenig Förderung zu erwarten hätten.
Für gefährlich hält Kreiß, dass sehr viel Industriegeld "under cover" an die Hochschulen fließe. Fatal auch in diesem Zusammenhang: Etwa 40 Prozent der Mitarbeiter in der Forschung würden über Drittmittel bezahlt.

Christian Kreiß: "Gekaufte Forschung: Wissenschaft im Dienst der Konzerne"
Europa-Verlag, 2015, 240 Seiten, 18,99 Euro

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