Eingelullt von Bequemlichkeit
Für ihre großen Entwicklerkonferenzen werben Google, Apple und Amazon mit dem einzigartigen Erlebnischarakter dieser Veranstaltungen und purer Freiheit. Diese Rhetorik kommt offenbar gut an. Doch die Internetriesen nehmen sich schon jetzt zu viele Freiheiten, findet der Publizist Lars Reppesgaard.
Neulich hat Larry Page, Chef des Internetriesen Google, auf einer Konferenz laut nachgedacht. Sollte es für Technologie-Experten wie ihn nicht einen Freiraum geben, wo man kreativ und ohne Rücksicht auf die lästigen Regularien der realen Welt einfach alles ausprobieren könnte, was einem einfällt?
Es ist eine Idee, die vielleicht zu einem Künstler oder einem mittellosen Garagentüftler passt. Larry Page aber leitet eines der profitabelsten Unternehmen der Welt. Einen geschützten Freiraum braucht der Google-Chef gewiss nicht – auch wenn ihm manche Regeln zum Daten- und Verbraucherschutz lästig sind.
Der Vorstoß kommt zu einer Zeit, in der neben Google auch andere Giganten der Netz-Ökonomie wie Amazon und Apple Schlagzeilen machen. Dabei geht es um Themen wie Steuertricks oder miserable Arbeitsbedingungen - also ebenfalls darum, dass Firmen das Gefühl haben, über Wasser zu gehen und von Gesetzen jedweder Art nicht betroffen zu sein.
Besonders beim Thema Steuern zeigt sich derzeit, dass die dreisten Drei lieber tricksen, als sich an die Spielregeln zu halten. Den Löwenanteil des Google-Umsatzes erwirtschaftet angeblich eine kleine Tochtergesellschaft auf den Bermuda-Inseln, einem Steuerparadies.
Amazon will uns indes weismachen, dass die Verhandlungen ihrer Manager mit Verlegern oder Musikunternehmen in London nicht so wichtig sind. Offiziell werden ja alle Geschäfte in Irland besiegelt, wo der Steuersatz niedrig ist.
Auch eine Apple-Tochtergesellschaft sitzt dort, wird aber von den Vereinigten Staaten aus geführt – mit dem Ergebnis, dass dieses Mini-Unternehmen zwar riesige Milliarden-Umsätze verbucht, aber in keinem der beiden Länder Abgaben zahlt.
Amazon, Apple und Google sind unter anderem enorm erfolgreich, weil sie attraktive Produkte und Dienste anbieten, die Milliarden von Kunden begeistern. Aber auch der kalkulierte Regelbruch ist immer Teil der Strategie.
Google etwa ist das Unternehmen, das ohne Abstimmung mit den Urhebern alle Bücher der Welt einscannte. Apple lässt das teure iPhone unter beschämenden Produktionsbedingungen herstellen, und bei Amazon schuften Leiharbeiter zu traurigen Konditionen in den Lagerhallen.
Neu und illegal ist es vielleicht nicht, aber selten hatten global agierende Konzerne einen so guten Ruf wie die diese Drei. Wenn Bekleidungsketten tricksen und Mode zu Hungerlöhnen in Fernost produzieren, ist die Empörung groß.
Den bunten Riesen aus der Internetwelt lassen wir dagegen die Skandalmeldungen und die Steuertricks durchgehen. Eingelullt von der Bequemlichkeit der Apps auf unseren Smartphone treffen wir weiter fleißig Kaufentscheidungen zu Gunsten von Amazon, Apple oder Google.
Ja, löchrige Steuergesetze machen das Tricksen leicht. Umso stärker sind aber wir Konsumenten in der Pflicht. Wir müssen deren Produkte nicht kaufen.
Zumal uns die drei ja weismachen, sie und wir seien in der weltweiten Internetgemeinde Schwestern und Brüder eines Geistes, der großen Freiheit aus "Information und Kommunikation". Nur, dass sie überhaupt nicht altruistisch diese unser aller Freiheit zu ihrem übergroßen Vorteil nutzen. Mehr noch: sie entmündigen ihre Kunden, in dem sie ihre Geräte produzieren, die nur für Leistungen aus ihrer eigenen geschlossenen Welt wirklich offen sind.
Was aber könnte die Alternative sein? Zum Beispiel ein Projekt wie das "Fairphone": Eine Gruppe Niederländischer Entwickler arbeitet derzeit an einem Smartphone, das ohne Lohndrückerei und Steuertricks produziert wird. Wer so ein Gerät bestellt, trägt dazu bei, dass großartige, aber saubere Produkte ein Erfolg werden – eine Entwicklung, die dann auch die dreisten Drei nicht kalt lassen dürfte.
Lars Reppesgaard, Jahrgang 1969, arbeitet beim Beratungsunternehmen doubleYUU und ist Autor des 2008 erschienen Buches "Das Google-Imperium". Nach dem Studium arbeitete er vier Jahre lang als Reporter und Moderator beim Hörfunk von Radio Bremen. Seit dem Jahr 2000 lebt er in Hamburg und schreibt für Wirtschaftsmedien wie das Handelsblatt oder die Wirtschaftswoche und seinen Blog "Googlereport".
Es ist eine Idee, die vielleicht zu einem Künstler oder einem mittellosen Garagentüftler passt. Larry Page aber leitet eines der profitabelsten Unternehmen der Welt. Einen geschützten Freiraum braucht der Google-Chef gewiss nicht – auch wenn ihm manche Regeln zum Daten- und Verbraucherschutz lästig sind.
Der Vorstoß kommt zu einer Zeit, in der neben Google auch andere Giganten der Netz-Ökonomie wie Amazon und Apple Schlagzeilen machen. Dabei geht es um Themen wie Steuertricks oder miserable Arbeitsbedingungen - also ebenfalls darum, dass Firmen das Gefühl haben, über Wasser zu gehen und von Gesetzen jedweder Art nicht betroffen zu sein.
Besonders beim Thema Steuern zeigt sich derzeit, dass die dreisten Drei lieber tricksen, als sich an die Spielregeln zu halten. Den Löwenanteil des Google-Umsatzes erwirtschaftet angeblich eine kleine Tochtergesellschaft auf den Bermuda-Inseln, einem Steuerparadies.
Amazon will uns indes weismachen, dass die Verhandlungen ihrer Manager mit Verlegern oder Musikunternehmen in London nicht so wichtig sind. Offiziell werden ja alle Geschäfte in Irland besiegelt, wo der Steuersatz niedrig ist.
Auch eine Apple-Tochtergesellschaft sitzt dort, wird aber von den Vereinigten Staaten aus geführt – mit dem Ergebnis, dass dieses Mini-Unternehmen zwar riesige Milliarden-Umsätze verbucht, aber in keinem der beiden Länder Abgaben zahlt.
Amazon, Apple und Google sind unter anderem enorm erfolgreich, weil sie attraktive Produkte und Dienste anbieten, die Milliarden von Kunden begeistern. Aber auch der kalkulierte Regelbruch ist immer Teil der Strategie.
Google etwa ist das Unternehmen, das ohne Abstimmung mit den Urhebern alle Bücher der Welt einscannte. Apple lässt das teure iPhone unter beschämenden Produktionsbedingungen herstellen, und bei Amazon schuften Leiharbeiter zu traurigen Konditionen in den Lagerhallen.
Neu und illegal ist es vielleicht nicht, aber selten hatten global agierende Konzerne einen so guten Ruf wie die diese Drei. Wenn Bekleidungsketten tricksen und Mode zu Hungerlöhnen in Fernost produzieren, ist die Empörung groß.
Den bunten Riesen aus der Internetwelt lassen wir dagegen die Skandalmeldungen und die Steuertricks durchgehen. Eingelullt von der Bequemlichkeit der Apps auf unseren Smartphone treffen wir weiter fleißig Kaufentscheidungen zu Gunsten von Amazon, Apple oder Google.
Ja, löchrige Steuergesetze machen das Tricksen leicht. Umso stärker sind aber wir Konsumenten in der Pflicht. Wir müssen deren Produkte nicht kaufen.
Zumal uns die drei ja weismachen, sie und wir seien in der weltweiten Internetgemeinde Schwestern und Brüder eines Geistes, der großen Freiheit aus "Information und Kommunikation". Nur, dass sie überhaupt nicht altruistisch diese unser aller Freiheit zu ihrem übergroßen Vorteil nutzen. Mehr noch: sie entmündigen ihre Kunden, in dem sie ihre Geräte produzieren, die nur für Leistungen aus ihrer eigenen geschlossenen Welt wirklich offen sind.
Was aber könnte die Alternative sein? Zum Beispiel ein Projekt wie das "Fairphone": Eine Gruppe Niederländischer Entwickler arbeitet derzeit an einem Smartphone, das ohne Lohndrückerei und Steuertricks produziert wird. Wer so ein Gerät bestellt, trägt dazu bei, dass großartige, aber saubere Produkte ein Erfolg werden – eine Entwicklung, die dann auch die dreisten Drei nicht kalt lassen dürfte.
Lars Reppesgaard, Jahrgang 1969, arbeitet beim Beratungsunternehmen doubleYUU und ist Autor des 2008 erschienen Buches "Das Google-Imperium". Nach dem Studium arbeitete er vier Jahre lang als Reporter und Moderator beim Hörfunk von Radio Bremen. Seit dem Jahr 2000 lebt er in Hamburg und schreibt für Wirtschaftsmedien wie das Handelsblatt oder die Wirtschaftswoche und seinen Blog "Googlereport".