Was wird aus dem WDR-Studio für elektronische Musik?
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Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez, John Cage: Im "Studio für elektronische Musik" des WDR entstanden legendäre Werke der elektronischen Musik. Heute lagern die Überbleibsel des Studios in Kölner Kellerräumen. Die Hoffnung auf einen Weiterbetrieb schwindet.
Es gluckert, blubbert, sprudelt, wummert. Signaltöne und Klangflächen changieren, überlagern sich, die Musik tastet sich vor in neue, ungewöhnliche Räume. Frühe Versuche aus dem Studio für elektronische Musik des Westdeutschen Rundfunks. 1951 richtet der WDR das Studio ein, als ein Labor für elektronische Klangforschung, das erste seiner Art weltweit.
Die kulturelle Bedeutung ist immens. Das Studio dokumentiert die Entwicklung der elektronischen Musik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Schier endlos sind die Summen, die der WDR investierte, groß die Namen, die mit dem Studio in Verbindung stehen: etwa Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez, John Cage und Maurizio Kagel. Köln als Drehpunkt der musikalischen Avantgarde.
Idee zur Rettung des Studios
Heute lagern die antiken Lautsprecheranlagen, Mischpulte, Tonbandgeräte, Synthesizer und Sinus-Oszillatoren des Studios für elektronische Musik im Keller eines Industriegebäudes in Köln Ossendorf, voll funktionsfähig, aber ungenutzt. Sie bereiten dem WDR Bauchschmerzen. Schon vor zwanzig Jahren war die Technik veraltet, man stellte die Produktionen ein, alles sollte verschrottet werden. Karl Karst, Programmchef der Kulturwelle WDR3, setzte sich damals für den Erhalt des Studios ein. Die Rettung gelang, doch eine neue Nutzungsmöglichkeit hat sich bisher nicht ergeben.
"Da müssen sich alle Beteiligten wirklich nochmal aufrütteln und ihrer kulturpolitischen Verantwortung gerecht werden", sagt Andreas Hölscher, Vorstand der Stiftung Haus Mödrath bei Kerpen, einer Kleinstadt wenige Kilometer westlich von Köln.
Hölscher hat dem WDR den jüngsten Vorschlag unterbreitet, vor fünf Jahren, als er im Kölner Stadtanzeiger auf die ungewisse Zukunft des Studios aufmerksam wurde.
"Das Haus Mödrath wurde 1830 erbaut und hier kam 1928 Karlheinz Stockhausen zur Welt. Mein Gedanke ist es dann eben gewesen, das Studio und den Geburtsort von Karlheinz Stockhausen zusammenzuführen."
Alle wollen das Studio, doch es tut sich nichts
Mietfrei und auf unbegrenzte Zeit möchte der Investor und Kunstsammler Hölscher dem WDR die obere Etage eines alten Pferdestall- und Bürogebäudes bei Haus Mödrath zur Verfügung stellen. Auf 450 Quadratmatern Fläche könne das Studio genau eingepasst werden. Die einzige Bedingung: Der WDR kommt für die Renovierungsarbeiten auf, installiert die Technik und beteiligt sich an der Bespielung.
Dazu gibt es bereits ein umfangreiches Konzept. Gemeinsam mit Hochschulen, der Stadt Köln und dem Land Nordrhein-Westfalen sollen Veranstaltungen, Radio-Übertragungen, Artist-in-Residence-Programme organisiert werden. Der WDR nahm Hölschers Angebot vor zwei Jahren dankend an, bewilligte 550.000 Euro zur Renovierung. Und dann tat sich nichts.
Andreas Hölscher sagt: "Das Projekt ist in dieser Form gescheitert, weil sich keine Trägerstruktur finden lässt, um dauerhaft Toningenieure oder eine Organisation zu finanzieren, die dieses Studio betreibt."
WDR sieht keine Möglichkeit
Andreas Hölscher setzte dem WDR kürzlich eine Frist, bereits zum zweiten Mal – eine Antwort bekam er nicht. Hölscher sieht nach fünf Jahren Wartezeit nun die Dringlichkeit, sein Gebäude zu renovieren. Auf der Website der Stiftung Haus Mödrath veröffentlichte er die Mitteilung, der WDR habe sein Angebot verstreichen lassen. Der WDR kommentiert:
"Der WDR hat dem Haus Mödrath keine Absage erteilt. Vielmehr ist es so, dass es trotz zahlreicher Gespräche mit möglichen Partnern bislang nicht gelungen ist, eine funktionierende Trägerschaft und damit eine langfristige Finanzierungsstruktur aufzubauen. Der WDR setzt sich weiterhin dafür ein, das "Studio für elektronische Musik" in eine öffentliche Einrichtung zu übergeben und wird daher weitere Gespräche mit Interessenten führen."
Der WDR möchte die Verantwortung für das Studio also abgeben, statt es selbst zu betreiben, am besten in öffentliche Hand. Stadt- und Landesregierung sehen sich dazu nicht in der Lage.
Ausgang ungewiss
Wer ist hier nun in der Pflicht? Wer kümmert sich um den Erhalt und die Vermittlung kultureller Güter der jüngsten Vergangenheit? Um solche, die noch nicht verfallen sind, noch nicht zerstört?
Klar ist: Ohne die Zustimmung und Mitarbeit des WDR ist hier nichts zu machen. Wann es eine Zukunftsperspektive für das Studio für elektronische Musik geben wird, das bleibt auch nach zwanzig Jahren ungewiss.