Stockende Einigung zwischen Fatah und Hamas
Eigentlich hatten sich die Fatah von Palästinenserpräsident Mahmut Abbas im Westjordanland und die radikale Hamas in Gaza vor einem Jahr auf eine "Einheitsregierung" geeinigt. Doch wie schon oft in der Vergangenheit stockt auch dieser Versuch.
Hinter dem wuchtigen Schreibtisch in Salim Saqqas Büro hängen die obligatorischen gold-gerahmten Bilder von Ex-Palästinenser-Präsident Arafat und Nachfolger Abbas an der Wand. Es ist ein provisorisch wirkendes Büro in einem kleinen Bürohaus in Ramallah - kein Ministerium -, in dem der Minister empfängt. Er lebt in Gaza. Regierungsarbeit im Westjordanland lief für ihn bislang per Fernkommunikation. Israel beschränkt die Bewegungsfreiheit der Palästinenser in Gaza.
"Ich bin gerade zum ersten Mal seit der Regierungsbildung in Ramallah; seit 14 Jahren hatte ich Gaza nicht mehr verlassen. Kommuniziert habe ich in den letzten Monaten als Minister per Videokonferenz, Fax, E-Mail oder telefonisch."
Bevor er Justizminister wurde, war Saqqa ein erfolgreicher Anwalt. Er ist einer von vier Ministern der 18-köpfigen palästinensischen Einheitsregierung, die aus Gaza kommen. Er bezeichnet sich als politisch unabhängig. Die Hamas akzeptiert ihn aber zumindest.
"Als politisch Unabhängige haben wir den Vorteil, beiden - Fatah und Hamas - zu sagen, wenn sie Fehler machen. Wir haben den Mut, ihnen zu sagen, wenn sie nicht zum Besten unseres Volkes handeln."
Da hätte der Minister einige Worte zu verlieren, denn der Einigungsversuch bleibt im Ansatz stecken, weil um Einfluss mehr gerungen wird als um praktizierte Einigkeit. Das ist auch deshalb fatal, weil damit Wahlen, seit sechs Jahren überfällig, nicht möglich sind. Ein funktionierendes Parlament gibt es nicht. Ingrid Ross von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Ostjerusalem beschreibt die Situation so.
"Bei den letzten Wahlen hat die Hamas ja diesen überraschenden Wahlsieg errungen und ist dann aber vom Westen und auch von Israel nicht anerkannt worden. Dann kam es zu dem Split zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland. Nominell ist auch im Gazastreifen die Palästinensische Autonomiebehörde diejenige gewesen, die da zuständig ist. Aber über einen so langen Zeitraum entwickeln sich beide politischen Teilgebiete halt unterschiedlich."
Europäer warten auf Umsetzung der Verabredungen
Es scheint, dass sich momentan keiner der Beteiligten für Neuwahlen über die Maßen engagieren mag: Die Hamas nicht, weil sie diesmal verlieren könnte. Die Fatah nicht, weil die Hamas doch wieder gewinnen könnte. Auch für den palästinensischen Justizminister aus Gaza haben Wahlen nicht die oberste Priorität:
"Es geht nicht um Wahlen der Wahlen Willen. Das eigentliche Ziel muss sein, Gaza wieder aufzubauen, Prosperität zu schaffen und Frieden. Alle Fraktionen müssen sich dazu bekennen. Fatah und Hamas haben sich in den letzten Wochen darauf verständigt, Wahlen abzuhalten, sobald die Bedingungen dazu da sind."
Wann auch immer das ist. In der EU fürchtet man, nach Wahlen womöglich vor dem gleichen Dilemma zu stehen: Wie geht man mit einer Hamas um, die man zumindest in Teilen für eine Terrorgruppe hält, mit der die EU keine direkten Beziehungen unterhält. Die Europäer betrachten ausschließlich die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland, die PA, als Ansprechpartner.
Den Europäern wäre zunächst erst einmal sehr daran gelegen, dass die Verabredungen vom April 2014 für das Zustandekommen der Einheitsregierung, an der nominell keine Parteipolitiker beteiligt sind, also auch keine Hamas-Mitglieder, dass diese Verabredungen umgesetzt werden. Ingrid Ross von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Ostjerusalem:
"In dieser Einigung ist auch vorgesehen worden, dass die Grenzübergänge des Gazastreifens jetzt von der Präsidentengarde von Mahmud Abbas betrieben werden, dass die halt deren Kontrolle unterstehen. Aber dieses Abkommen ist leider nicht umgesetzt worden."
Und solange dies nicht der Fall ist, wird sich die EU weder politisch noch praktisch dafür einsetzen, den Grenzübergang zwischen Gaza und Ägypten, Rafah, wieder zu öffnen. An dessen Management war die EU von 2005 bis 2007 schon einmal beteiligt, im Rahmen der sogenannten EUBAM-Mission. Die steht zurzeit gewissermaßen auf Standby, sagt deren stellvertretender Chef, Guy Robin:
"Die Mission wird nur dann wiederbelebt, wenn die Palästinensische Autonomiebehörde von Abbas auch in Gaza wieder unser Ansprechpartner ist. Das ist unverhandelbar. Bis dahin führen wir Seminare und Workshops mit der PA durch, um sie für den Fall der Fälle vorzubereiten und ihre Kompetenz bei der Grenzkontrolle zu erhöhen."
Für die Menschen in Gaza brächte es einen echten Mehrwert, würde Rafah wieder geöffnet.